Goodyear-Roundtable: „Wie sieht die Zukunft der urbanen Mobilität aus?“

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Goodyear hat am vergangenen Freitag im Rahmen seines Handelskongresses in Köln die Zukunft der städtischen Mobilität diskutiert. Das Fazit der drei Experten aus der Mobilitätsforschung, der Entwicklung von High-Performance-Reifen sowie des Reifenfachhandels lautet: Der Bedarf an intelligenten Mobilitätslösungen und Services wird in den Städten von morgen steigen. Zentral ist, dass sich die Unternehmen am Markt auf die digital vernetzten Kunden und ihre Mobilitätsgewohnheiten einstellen, neue Geschäftspartnerschaften eingehen und Veränderungen auch in den eigenen Geschäftsmodellen positiv gegenüberstehen.

Die städtische Infrastruktur und die Art und Weise, wie wir uns im urbanen Raum bewegen, verändern sich. Verstopfte Straßen, der Wunsch nach weniger Verkehrslärm und besserer Luft sowie soziale Veränderungen sind die Treiber. „Die Ära des urbanen Raums, in dem das Auto im Mittelpunkt steht, geht zu Ende“, bringt es Lukas Neckermann auf den Punkt, Geschäftsführer der in London ansässigen Unternehmensberatung Neckermann Strategic Advisors. Immer strengere regulatorische Vorgaben wie Zufahrtsbeschränkungen und Fahrverbote sind laut des Experten für die Mobilität von morgen Vorboten dieses Umbruchs.

Dabei wird die Mobilitätsrevolution – wie viele disruptive Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft – vom Megatrend Digitalisierung beschleunigt. Sowohl der Handel als auch die Anbieter von Mobilitätsdiensten wie DriveNow und Car2Go nutzen mobile Endgeräte als direkte Schnittstelle zum Kunden. Verbraucher wiederum genießen mit Konzepten wie „Same Day Delivery“ die sofortige Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen. „Diese Erwartungshaltung überträgt sich auch auf das mobile Leben in unseren Städten. Mobilität wird mehr und mehr ‚auf Zuruf‘ angeboten und konsumiert, etwa in Form von autonom fahrenden Taxis“, erklärt Neckermann.

Damit verschiebt sich auch die Wertschöpfungskette im Markt. Wohingegen bis dato der Zugang zu einem Auto die Teilhabe am mobilen Leben gesichert hat, wird es in den Städten von morgen eher der Zugang zu einer Mobilitätsdienstleistung sein. Getrieben wird diese Entwicklung von Firmen, Geschäftsmodellen und Plattformen der sogenannten „Sharing Economy“. Die Zahl der Carsharing-Dienste und ihrer Nutzer zum Beispiel nimmt rasant zu.

Wenn auf der einen Seite die Zahl der selbst fahrenden Mobilitätsteilnehmer in unseren Städten sinkt, drängen auf der anderen Seite immer mehr kommerziell und öffentlich betriebene Flotten für Mobilitätsdienstleistungen auf den Markt. Dabei werden die autonom fahrenden Pkws in den Städten von morgen wie öffentliche Fahrgemeinschaften genutzt. Angetrieben werden die Fahrzeuge häufig elektrisch. Voll vernetzt nimmt das mobile Ökosystem am Internet der Dinge teil: Autonom fahrende Autos und Einrichtungen der Infrastruktur kommunizieren miteinander und teilen Informationen, etwa zur Verkehrssituation. „Der Reifen von morgen ist ein wichtiger Knotenpunkt in diesem Netzwerk“, weiß David Anckaert, Generaldirektor Entwicklung bei Goodyear in Hanau, Deutschland. „Er ist die einzige physische Verbindung des autonomen Fahrzeugs zur Straße und kann an dieser Schnittstelle Informationen bereitstellen, die entscheidend zur Fahrsicherheit beitragen. Hierzu gehören Details zur Fahrbahnbeschaffenheit und den Witterungsbedingungen.“

Der Goodyear-Konzern hat in diesem Kontext einen Konzeptreifen entworfen, der mithilfe fortschrittlicher Sensortechnologie die Straße ‚fühlt‘. „Die Technologie des ‚IntelliGrip Urban‘ unterstützt die Kontrollsysteme in autonomen Fahrzeugen. Auf Grundlage der Informationen, die der Reifen an der Schnittstelle zur Straße verfügbar machen kann, ist das Fahrzeug in der Lage, automatisch Geschwindigkeit, Bremsverhalten, Handling und Stabilität zu optimieren“, erklärt Anckaert. Das Konzept – erstmals auf dem Genfer Automobilsalon im März gezeigt – sieht vor, dass alle Pkws einer Flotte von den Daten profitieren, die im Internet der Dinge geteilt werden sollen.

Auch die Rolle des Handels und der Servicewerkstätten wird durch die Umbrüche im Mobilitätsmarkt neu definiert. Obwohl die Zahl der privat gefahrenen Kilometer sinkt, wird der Bedarf an Mobilität stetig zunehmen. Experten des Think Tanks „RethinkX“ prognostizieren für das Jahr 2040 weltweit 750.000 Millionen gefahrene Kilometer. Zum Vergleich: 2015 waren es laut Studie lediglich 600.000 Millionen. „Die Aufgabe des Handels und der Servicewerkstätten wird es sein, mit speziellem Know-how und einem passgenauen Dienstleistungsangebot dafür zu sorgen, dass die Mobilitätsdienstleistungen in unseren Städten von morgen tatsächlich zur Verfügung stehen“, meint Dr. Guido Hüffer, Geschäftsführer der Goodyear Dunlop Handelssysteme (GDHS). Dabei müsse sich der Handel auf neue Kundengruppen einstellen: „Es werden immer mehr Flottenbetreiber zum Kundenstamm gehören, die eine andere Art von Service anfragen als Privatpersonen mit eigenem Pkw. Die Gruppe der Privatkunden wird in Zukunft kleiner werden“, prognostiziert Hüffer. Die Entwicklung hin zu autonom fahrenden Pkw-Flotten werde sich darüber hinaus in urbanen Zentren wesentlich schneller vollziehen als auf dem Land.

Für die Servicewerkstatt birgt der Umbruch im Mobilitätsmarkt aber auch Chancen. „Die Möglichkeiten einer proaktiven oder prädikativen Wartung geben den Werkstätten den sogenannten ‚First-Mover-Advantage‘: Sie kennen als erster den tatsächlichen Servicebedarf und können Kunden mit einer passgenauen Lösung zufriedenstellen“, so der Experte für den Pkw-Aftermarket. Beispielsweise ergäben sich für Handel und Werkstätten dank Dongle-Technik neue Möglichkeiten, den Kunden von morgen an einen Servicepartner zu binden.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Partner im Handel und Service kontinuierlich ihr Know-how erweitern. Der Megatrend Elektromobilität etwa fordert neue Sachkundenachweise. Werkstatttechniker müssen in Sachen Diagnosetechnik und Hochvolt ausgebildet werden. Und die digitale Serviceannahme wird bald zu einem Branchenstandard. „Ohne ein professionelles Warenwirtschaftssystem wird es dann nicht mehr gehen“, so Hüffer. Darüber hinaus müssten sich Werkstätten auch in Sachen Geschäftspartnerschaften neu ausrichten. Neue Kooperationspartner kommen hierbei vor allem aus fremden Branchen, etwa der IT oder der Versicherungswirtschaft. „Die Werkstatt von morgen ist auch ein Partner für Tech-Firmen, welche die Kommunikationsinstrumente für zukünftige Autos entwickeln“, bringt es Hüffer auf den Punkt. Analog hierzu verändert sich die Werkstattausrüstung: Tablet-PC und Co. werden dann zusammen mit einem voll integrierten Warenwirtschaftssystem zur Schaltzentrale des Handels und mitunter wichtiger als der Schraubenschlüssel. ab

 

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