VDA: Deutsche Zulieferer sind Innovationstreiber

„Der VDA will die Interessen der Zulieferindustrie noch nachhaltiger vertreten und seine Verbandsarbeit gerade in diesem Bereich verstärken“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), anlässlich der 1. Jahrespressekonferenz Zulieferindustrie des VDA in Frankfurt. Deutsche Zulieferer seien Innovationstreiber und ein „unverzichtbarer Faktor“ für den Erfolg der Automobilhersteller. Kein anderes Land der Welt habe eine so innovative und leistungsstarke Zulieferindustrie wie Deutschland. Die Kfz-Teileindustrie ist seit 1995 dreimal so stark gewachsen wie die gesamte deutsche Industrie. In den letzten Jahren habe sich die Zahl der Zulieferer im VDA um 40 Prozent erhöht; von den 601 VDA-Mitgliedsfirmen sind 502 Zulieferunternehmen. Wissmann: „Sie sind damit die stärkste Mitgliedergruppe im VDA mit dem größten Wachstum.“

Der VDA-Präsident nannte die deutsch-französische Einigung bei der CO2-Regulierung einen „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Auch mit der aktuellen Grundsatzentscheidung des Koalitionsausschusses bezüglich der CO2-bezogenen Kfz-Steuer sei ein wichtiges Signal gesetzt worden, um die immer noch bestehende breite Verunsicherung der Käufer aufzulösen. Der VDA habe sich zu diesen wesentlichen politischen Themen, auch zur GVO, stets konstruktiv und klar positioniert. Wissmann forderte die Politik auf, insbesondere in der Steuerpolitik stärker die Interessen der mittelständischen Unternehmen zu berücksichtigen. Er wertete zwar die Senkung der Körperschaftssteuer und die Entlastungen für Personenunternehmen positiv als „notwendige Faktoren für den Mittelstand“, kritisierte aber die geplanten Maßnahmen zur Gegenfinanzierung: „Wir haben vor allem Einwände gegen die Besteuerung von Funktionsverlagerungen.“ Bei der Erbschaftssteuer erwarte der VDA einen akzeptablen Kompromiss in der Koalition: „Die Lösung muss dem Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen dienen. Wir brauchen eine Bindungsfrist von zehn oder besser noch weniger Jahren, verbunden mit realistischen Bewertungsregeln und einem Abschmelzen der Besteuerung im Verlauf.“ Die bislang vorgesehene Bindungsfrist von 15 Jahren sei zu lang und wirke kontraproduktiv.

Dr.-Ing. Jürgen Geißinger, VDA-Vizepräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schaeffler Gruppe (INA, LuK, FAG), wies darauf hin, dass die Zulieferindustrie allein in den letzten fünf Jahren ihren Umsatz um 33 Prozent auf 75,4 Mrd. Euro (2007) gesteigert hat. Dabei stieg der Export um 44 Prozent auf 33,4 Mrd. Euro deutlich schneller als der Inlandsumsatz mit plus 26 Prozent auf 42 Mrd. Euro. 44 Prozent des Zuliefer-Umsatzes wird über den Export erzielt.

„Auf die Zulieferer entfallen 75 Prozent der Wertschöpfung beim Automobil. In Europa ist die deutsche Automobilzulieferindustrie mit Abstand die stärkste. Ihr Umsatz liegt höher als der der Industrien in Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien zusammen“, so Dr. Geißinger. Seit 1995 hat die Zulieferindustrie 77.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, ein Plus von 30 Prozent. Im März 2008 lag die Beschäftigung mit 328.000 Mitarbeitern um 8.400 Mitarbeiter oder nahezu drei Prozent über dem Vorjahresniveau. „Bezieht man die Anteile der in den vorgelagerten Bereichen erfassten Arbeitnehmer für die Zulieferindustrie mit ein – wie etwa die Chemieindustrie –, dann reden wir von einer Gesamtbeschäftigung von einer Million Mitarbeitern”, betonte Geißinger.

Die deutsche Automobilindustrie habe die Zahl der Hochschulabsolventen in ihren Unternehmen seit dem Jahr 2000 um mehr als 50 Prozent gesteigert. Noch dynamischer verlaufe die Entwicklung bei der Zulieferindustrie, die in diesem Zeitraum die Zahl der Hochschulabsolventen in ihren Häusern auf knapp 30.000 Mitarbeiter sogar verdoppelt habe. Allein im vergangenen Jahr legte diese Beschäftigtengruppe um fast 2.300 Mitarbeiter oder 8,3 Prozent zu. Dr. Geißinger: „Dies ist ein sichtbarer Beleg für den steigenden Anteil, den die Zulieferer an der Wertschöpfung eines Autos haben sowie für die zunehmenden Entwicklungsinvestitionen dieser Unternehmen.“ Der Bedarf an hoch qualifizierten Mitarbeitern nehme weiter zu, der Mangel an Fachkräften sei in vielen Unternehmen zu einer „großen Herausforderung“ geworden.

Die Wertschöpfung je Beschäftigten habe sich in der Zulieferindustrie in den letzten fünf Jahren um 20 Prozent auf über 70.000 Euro/Beschäftigten erhöht. Über 80 Prozent der Zulieferer im VDA gehören zum industriellen Mittelstand; jedes zweite Unternehmen beschäftigt bis zu 250 Mitarbeiter; 80 Prozent liegen in der Klasse bis tausend Mitarbeiter.
Jürgen Geißinger: „Wir sehen als VDA einen besonderen Schwerpunkt unserer Arbeit darin, gerade den kleinen und mittleren Unternehmen beratend und unterstützend zur Seite zu stehen.“ Dies gelte vor allem für den internationalen Auftritt, der für viele dieser Unternehmen deutlich schwieriger sei als für große Konzerne, die bereits über ein weltweites Vertriebs- und Produktionsnetz verfügten. Daher sei der VDA auf zahlreichen Auslandsmessen – u. a. Auto China in Peking, Tokyo Motor Show, Moskauer Automobilmesse – mit Gemeinschaftsständen vertreten und stelle auf dortigen Veranstaltungen den Kontakt zwischen den Zulieferern und deutschen sowie ausländischen Herstellern her. Der VDA unterstütze zudem kleine und mittlere Zulieferer, die im Rahmen von regionalen „Clustern“ kooperieren und immer mehr an Bedeutung gewinnen. In Deutschland und Europa gebe es mittlerweile über 50 derartige Zuliefer-Cluster.

Der VDA-Vizepräsident äußerte sich auch zur Margenentwicklung bei den Zulieferern. Die Umsatzrendite der kleineren Unternehmen – mit einem Umsatz bis zu 40 Mio. Euro – sei im Jahr 2006 (aktuellste Zahlen) nach einer jährlichen Erhebung der IKB Deutsche Industriebank trotz eines Umsatzanstiegs von 13 Prozent nur von 2,8 Prozent auf 3,9 Prozent gestiegen. Die Eigenkapitalquote habe sich von 34,9 Prozent auf 40,5 Prozent erhöht. Das Betriebsergebnis der größeren Unternehmen – mit einem Umsatz von mehr als 500 Mio. Euro – betrage 4,4 Prozent der Gesamtleistung bei einem Umsatzwachstum von durchschnittlich acht Prozent. Dr. Geißinger betonte: „Die Ertragslage ist also verbesserungswürdig.“

Alle VDA-Mitgliedsunternehmen spürten darüber hinaus die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise, die insbesondere die Zulieferer vor große Herausforderungen stellten: Seit Januar 2005 hat sich der Rohölpreis (Dollar/Barrel) mehr als verdreifacht (von knapp 40 auf 131 US-Dollar), die Strompreise sind im gleichen Zeitraum um rund 60 Prozent gestiegen. Ein ähnliches Bild zeigten die Rohstoffpreise: Seit Anfang 2005 haben sich die Preise für Warmbreitbandstahl um 41 Prozent erhöht, Aluminium ist um 55 Prozent teurer geworden, der Kupferpreis sogar um 174 Prozent gestiegen. Die Schrottpreise erhöhten sich um 176 Prozent. „Diese „Preisrallye“ hat für unsere Unternehmen ein nicht unerhebliches Belastungspotenzial geschaffen“, so Geißinger.

Aufgabe des VDA sei es, die Moderatorenrolle für die Themen und die Aussprache zwischen Herstellern und Zulieferern zu übernehmen. Es habe sich durchaus bewährt, derartige Gespräche in den Ausschüssen des VDA zu führen. Dr. Geißinger: „Das gemeinsame Dach führt Hersteller und Zulieferer zusammen. Dieses partnerschaftliche Verhältnis werden wir als VDA auch künftig praktizieren.“

Er wies ferner darauf hin, dass die deutschen Zulieferer nicht nur im Premiumbereich erfolgreich sind, sondern sich gerade auch an der Entwicklung von „Low Cost Cars“ – sehr preisgünstigen Neuwagen in Schwellenländern – maßgeblich beteiligen. So liefert Bosch für den Tata Nano – ein in Indien entwickeltes Auto mit einem Neupreis von 1.700 Euro – die Einspritztechnik, Bremssysteme sowie Starter und Generatoren, Continental liefert aus seinem indischen Werk die Benzinpumpe und den Füllstandssensor; das Gemeinschaftsunternehmen Sigma Freudenberg NOK ist Alleinlieferant für Dichtungen im Motor und Antriebsstrang. Die Schaeffler Gruppe fertigt für den Tata Nano Radlager und Arretierungen. Weitere Zulieferer für das indische Auto sind u. a. Behr, Mahle und ZF.

Dr. Geißinger unterstrich: „Nicht nur die Pkw-Exporte deutscher Marken nach Indien haben sich im Jahr 2007 verdoppelt, auch unsere Zulieferer „mischen“ bei diesem Geschäft kräftig mit und haben mit 208 Mio. Euro Exportvolumen um rund 50 Prozent zugelegt – zusätzlich zur Produktion vor Ort.“ Allein zehn große deutsche Zulieferer beschäftigen in Indien über 25.000 Mitarbeiter, der Umsatz liegt bei 1,2 Mrd. Euro. Bislang haben diese Unternehmen in Indien bereits 380 Mio. Euro investiert; in den nächsten Jahren sind weitere 250 Mio. Euro eingeplant. „Das Beispiel Indien zeigt: Insbesondere die deutschen Zulieferer sind ganz vorne mit dabei, wenn es um die Erschließung neuer Märkte geht“, betonte der VDA-Vizepräsident.
Ein weiteres Beispiel für den erfolgreichen Weg der Internationalisierung der deutschen Zulieferer sei China, wo heute jedes fünfte neu zugelassene Auto eine deutsche Marke ist: „Die deutschen Zulieferer haben ihre Präsenz in China verstärkt und die Anzahl ihrer Standorte seit 1990 sogar versechsfacht.“ Dabei betonte Jürgen Geißinger, dass solche internationalen Engagements eben nicht zu Lasten der Beschäftigung in Deutschland gingen; vielmehr komme der Aufbau zusätzlicher Arbeitsplätze im Ausland der Erhaltung der Arbeitsplätze in Deutschland zugute.

Wenn es um die Innovationsgeschwindigkeit gehe, seien die deutschen Zulieferer „ganz vorn anzutreffen“. So entfallen von den im Jahre 2007 getätigten Forschungs- und Entwicklungsgesamtaufwendungen der deutschen Industrie in Höhe von rund 54 Mrd. Euro allein auf die Automobilindustrie über 18 Mrd. Euro oder 35 Prozent. Der Hauptteil der Innovationen, gemessen an den Forschungs- und Entwicklungsausgaben, komme aus der Zulieferindustrie. Unter den Top Ten der Patentanmelder 2007 beim Deutschen Patentamt finden sich drei deutsche Zulieferer: Bosch auf Platz 1 sowie ZF und die Unternehmen der Schaeffler Gruppe. Weitere Zulieferer – Behr und Continental Teves – finden sich in der Top-20-Liste.

Geißinger weiter: „Die Reduzierung von Abgasemissionen und Kraftstoffverbrauch bieten innovativen Zulieferunternehmen zusätzliches Wachstumspotential.“ So könne z. B. durch ein modernes 6-Gang-Automatikgetriebe der Benzinverbrauch gegenüber einem herkömmlichen 5-Gang-Getriebe um 14 Prozent gesenkt werden. Auch mit variablem Ventilhub und variabler Nockenwellenverstellung aus dem Hause INA könne die Effizienz gesteigert und Verbrauch sowie Emissionen gesenkt werden – ohne Einbußen bei Dynamik und Fahrspaß. Mit konsequentem Leichtbau ließen sich im Automobilbau Gewichtseinsparungen gegenüber herkömmlichen Bauweisen im deutlich zweistelligen Prozentbereich erreichen, etwa durch den Einsatz von faserverstärkten Hochleistungskunststoffen oder durch Downsizing im Motorenbau. Dr. Geißinger: „Grundsätzlich gilt: Eine Reduzierung des Fahrzeuggewichts um 100 Kilogramm senkt den Kraftstoffverbrauch um 0,3 l/100 km.“ In der Forschungsvereinigung Automobiltechnik (FAT) haben sich daher im VDA über 50 deutsche Hersteller und Zulieferer organisiert und zum Ziel gesetzt, ihren Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen von Neufahrzeugen zu leisten und ihre FuE-Aktivitäten im Innovationsfeld „Leichtbau“ zu verstärken.

Klaus Bräunig, VDA-Geschäftsführer, betonte: „Unsere Mitgliedsunternehmen zeichnen sich durch einen hohen Globalisierungsgrad – mit über 2.000 Produktionsstätten und Joint Ventures in rund 80 Ländern weltweit –, eine hohe Innovationskraft und hoch qualifizierte Mitarbeiter aus.“ Die Zulieferindustrie sei vor allem geprägt durch starke Familienunternehmen im industriellen Mittelstand. Bräunig unterstrich: „Auto ist Zulieferung, Zulieferung ist Mittelstand, Mittelstand ist Beschäftigung und Verantwortung.“

Er wies auf die ausgeprägte und gute Gesprächskultur in den gemeinsamen Gremien hin. Gemeinsames Ziel von Herstellern und Zulieferern sei die Optimierung der Wertschöpfung für das Gesamtprodukt. Natürlich gebe es Interessensunterschiede, ein Ausgleich sei nicht einfach. Der VDA sehe seine Aufgabe darin, zwischen den beiden Herstellergruppen zu moderieren und Konsenslösungen aufzuzeigen. Der VDA werde auch verbandsintern die Kommunikation zwischen Herstellern und Zulieferern verstärken. Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt sei die Stärkung der internationalen Wettbewerbsposition der deutschen Automobilindustrie. Bräunig: „Gemeinsam sind wir stark.“ Die Innovationsfähigkeit müsse gewährleistet bleiben. Technologische Entwicklungen, insbesondere beim Klimaschutz, seien nur gemeinsam zu meistern. Am Beispiel der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien – hier arbeiten Daimler und Continental zusammen, auch Bosch hat diese Technologie zu einem Forschungsschwerpunkt erklärt – zeigte Bräunig die Innovationskraft der Zulieferbranche auf.

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