ECR-Solutions: Weitreichende digitale Prozesse und Herstellerunabhängigkeit

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Im Flottenmanagement hat sich in den vergangenen Jahren ein überaus vielfältiges Dienstleistungsangebot entwickelt. Industrienahe bzw. -eigene Netzwerke stehen dabei im Wettbewerb mit den Netzwerken unabhängiger Dienstleister. Vor 15 Jahren gründete Fred Schäfer – bis dahin vielen im Reifenmarkt als Team-Geschäftsführer bekannt – das Unternehmen ECR-Solutions mit Sitz in Edewecht bei Oldenburg. Im Interview mit der NEUE REIFENZEITUNG spricht Schäfer über die Alleinstellungsmerkmale seines Unternehmens, über die Entwicklung während der vergangenen anderthalb Jahrzehnte und die Diversifizierung des Angebots.

NRZ:

Ihr Unternehmen ECR-Solutions hat sich in der Zeit seit seiner Gründung vor 15 Jahren fest als Dienstleister für Flottenbetreiber etabliert. Was war und ist dabei ihr Alleinstellungsmerkmal im Markt?

Fred Schäfer:

Als ich das Unternehmen ECR-Solutions 2002 gegründet habe, boten einige wenige Reifenhersteller spezielle Konzepte an, die sich mit der Direktvermarktung an Flottenkunden beschäftigten. Flottenbetreiber konnten aber bei der Wahl eines solchen Produkts gleichzeitig nur die Servicepartner dieses Anbieters bzw. Herstellernetzwerks nutzen. Dies wollte ich ändern. Flottenmanager sollten die Reifenprodukte ihrer Wahl im Fuhrpark einsetzen und gleichzeitig die Reifenhändler, die den besten Service für die Flotte anbieten, bestimmen können. Diesen Vorteil konnten wir Lkw-Großflotten vermitteln. Die Zusammenarbeit speziell mit Lkw-Vermietern war ein Glücksfall und zugleich Innovationstreiber für ECR. Denn nachdem die digitalen Prozesse im Reifenbereich erfolgreich funktioniert hatten, entwickelten wir neue Bereiche des Flottenmanagements. So haben wir die Bereiche Fahrzeugreparatur, -wartung und Terminmanagement erschlossen und schon vor zehn Jahren die Informationen aus der Fahrzeugtelematik in unsere Systemwelt integriert. Unser Alleinstellungsmerkmal ist der Umfang der digitalen Prozesse, die wir geschaffen haben und die Herstellerunabhängigkeit unseres Unternehmens.

NRZ:

Inwiefern ist die unternehmerische Unabhängigkeit, wie Sie sie leben, dabei ein Vorteil?

Fred Schäfer:

Die freie Bestimmung der Produkte und des Service durch den Kunden kann nur mit unserer Philosophie sichergestellt werden. Unser Ziel war auch von Anfang an, dass die Händler als Träger des Service nicht von den Großkunden abgehängt werden. Dies musste ich in meiner Zeit auf Handelsseite oft genug erleben und leider hat sich dies durch die Veränderung der Handelslandschaft nicht gebessert.

NRZinterview_Icon_WEB_tbNRZ:

Können Sie Ihr Dienstleistungsangebot für uns skizzieren, gerade was den Unterschied zwischen Fleet-Solutions, SWAP-Solutions und Telematik-Solutions betrifft?

Fred Schäfer:

Unser Kerngeschäft ist die Schaffung von digitalen Prozessen. Mit Fleet-Solutions sind wir gestartet. Mit einem funktionierenden Pannenservice, Karkassenmanagement und einem Gebrauchtreifenmanagement finden wir breite Anerkennung im Markt. Unser Reparatur-, Gewährleistungs- und Terminmanagement stellt ebenfalls Benchmark-Status dar. Denn wir leben im Fleet-Management eine effiziente Abwicklung, ein ausgereiftes Controlling und bieten damit weit mehr als nur eine zentrale Abrechnungsplattform. Letztlich unterstützen wir Flottenmanager selbst bei Ausschreibungen.

Die Stärken bei Reparatur und Wartung haben wir auch in einem Fahrzeugbereich eingesetzt, der zwar nichts mit Rad und Reifen zu tun hat, aber auch äußerst interessant ist. Stichwort: SWAP-Solutions oder Reparaturservice für Wechselbrücken. Mobiler Service ist in diesem Bereich die Regel und hat uns auf das Geschäftsmodell gebracht, Reparaturen mit mobiler Datenerfassung und Telematikunterstützung zu entwickeln. Für diese Innovation hat uns sogar das Land Niedersachsen mit EU-Mitteln gefördert. Herausgekommen ist ein System, dass dem Dienstleister zeigt, wo sich die zu reparierende Wechselbrücke gerade befindet und eine komplette Onlinereparaturabwicklung vor Ort gestattet. Es informiert Kunden und Lieferanten in Echtzeit über den Stand der Reparatur. So kann das System heute Abwicklungsservice und Wartungspakete bieten.

Die Beschäftigung mit Telematik und systematischer Informationserhebung ist, plakativ ausgedrückt, wie eine Droge. Eine Telematik-Solutions jagt die andere. Schon früh haben wir unterschiedlichste Telematik-Provider auf einer gemeinsamen Plattform zusammengeführt. Heute haben wir eine ‚Consultation Platform‘, die weit über hundert Telematikanbieter in einem System anbindet.

NRZ:

Inwiefern hat sich Ihr Dienstleistungsangebot im Laufe der vergangenen anderthalb Jahrzehnte entwickelt, gerade wenn Sie ans klassische Reifenmanagement und dessen heutige Integration in ein viel umfassenderes Flottenmanagement denken?

Fred Schäfer:

Gerade am Beispiel unseres Reifenmanagements kann man diese Entwicklung sehr schön sehen. Wir haben unsere Systemwelt immer wieder an den Anforderungen der Flotten, aber auch unserer Handelspartner angepasst und diese weiterentwickelt. Konkret: Als vor 15 Jahren viele versucht haben, ihre Prozesse immer mit weiteren und neuen Formularen zu optimieren, haben wir schon in digitalen Prozessen gedacht. Das ECR-Flottenmanagement ist ein komplexes System und setzt auf Schnittstellen zu allen Beteiligten. Das bedeutet heute, dass wir nicht nur zu unseren Flotten, sondern auch zu Handelsorganisationen einen interaktiven Datenaustausch betreiben. Wir sind schon ein wenig stolz, wenn wir sehen, wie der eine oder andere unsere Wettbewerber inzwischen unserer Systemwelt nacheifert.

NRZ:

Das Geschäft mit Nutzfahrzeugflotten ist heute ein europaweites Geschäft. Inwiefern ist ECR-Solutions heute auch außerhalb Deutschlands aktiv?

Fred Schäfer:

ECR-Solutions agiert natürlich nicht nur national, unsere Kunden brauchen internationale Abwicklungsstrukturen. In Skandinavien haben wir in den letzten Jahren große Schritte gemacht. Aber auch Benelux und Frankreich zählen zu den Ländern, in denen wir aktiv sind. ECR-Solutions folgt seinen Kunden und den Märkten seiner Kunden. Nur so hat man die Chance erfolgreich zu agieren. Ein zweiter Punkt ist aber auch die gute Zusammenarbeit mit Herstellern aus dem Reifenbereich, hier sei einmal exemplarisch unserer langjähriger Kooperationspartner Michelin genannt.

NRZ:

Heute sprechen wir oft von einem One-Stop-Maintenance. Aber gibt es nicht immer noch viele Nutzfahrzeugflotten, die eben noch nicht entsprechend weit entwickelt sind?

Fred Schäfer:

One-Stop-Maintenance ist ein guter Begriff und ich bin dankbar für die Frage, denn das ist, was wir von Vermietern lernen konnten. Eine Vermietgesellschaft als Halter von Fahrzeugen steht vor einer riesigen Herausforderung. Denn auf der einen Seite muss sie die Pflichten des Fahrzeughalters managen und auf der anderen Seite muss sie ihren Kunden höchstmögliche Mobilität mit stark reduzierten Standzeiten bieten und für möglichst wenige Unterbrechungen sorgen. Unsere Systeme sind darauf ausgerichtet, dass möglichst viele Maßnahmen zusammengeführt werden. Und in der Tat können wir damit vielen Flotten zeigen, dass wir bestimmte Managementbereiche als neutraler Provider effizienter erledigen können, als diese selber.

Das ECR-Flottenmanagement ist Fred Schäfer zufolge „ein komplexes System und setzt auf Schnittstellen zu allen Beteiligten“; das bedeute heute, „dass wir nicht nur zu unseren Flotten, sondern auch zu Handelsorganisationen einen interaktiven Datenaustausch betreiben“

Das ECR-Flottenmanagement ist Fred Schäfer zufolge „ein komplexes System und setzt auf Schnittstellen zu allen Beteiligten“; das bedeute heute, „dass wir nicht nur zu unseren Flotten, sondern auch zu Handelsorganisationen einen interaktiven Datenaustausch betreiben“

NRZ:

Einer der Megatrends der vergangenen Jahre – die Digitalisierung nahezu aller Bereiche des geschäftlichen (und privaten) Miteinanders – hat sicherlich auch Ihr Geschäftsmodell beeinflusst. Wie?

Fred Schäfer:

Digitalisierung ist heute in aller Munde. Doch wer heute über 4.0 spricht und in der Vergangenheit sträflich versäumt hat, in IT zu investieren, der wird jetzt viel Geld in die Hand nehmen müssen, um mit den neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Ein Beispiel sind sicher die Internetportale mit Reifenangeboten. Wer heute unter dem Druck des Marktes erst mit dem B2B- oder gar dem B2C-Handel beginnt, der wird es schwer haben, im Onlinehandel wahrgenommen zu werden oder bestehen zu können. Dies hat nicht nur etwas mit dem Internetauftritt zu tun, sondern vielmehr mit den dahinter stehenden digitalen und logistischen Prozessen. An der Digitalisierung wird man nur in Zusammenarbeit mit digitalen Partnern sowie der Öffnung von eigenen Schnittstellen und modernen Kommunikationsmitteln erfolgreich teilhaben. Das gilt auch für uns. Hätten wir nicht konsequent und kontinuierlich in unsere IT investiert, wäre ECR-Solutions nicht dort wo es heute steht.

NRZ:

Welche Rolle spielt bei der Erbringung Ihrer Dienstleistungen der Reifenhandel?

Fred Schäfer:

Der Reifenhandel, speziell der freie Reifenhändler, hat nach meiner Einschätzung leider in den letzten Jahren in einer Reihe von Geschäftsbereichen Federn lassen müssen. Aber im Bereich Flottenservice gibt es immer noch einen Bereich, auf dem der klassische Reifenhändler sich ganz toll behauptet hat. Kunden arbeiten gerne mit den Reifenhändlern zusammen. Hier ist es vor allem denjenigen gelungen ihre Marktstellung zu halten, die zum Beispiel in den Mobil- und Pannenservice investiert haben. Der Händler muss sich bewusst sein, dass er die Basis für viele Dienstleistungen ist. Und so ist es auch in unserem Geschäft.

NRZ:

Würden Sie den Händler dabei als „reinen Dienstleister“ klassifizieren? Oder inwiefern hat Ihr Partner im Reifenfachhandel Möglichkeiten, sein an ECR-Solutions angehängtes Geschäft individuell zu beeinflussen? Gibt es hier Mehrwerte für den Händler, die nicht unmittelbar mit der Partnerschaft mit ECR-Solutions zusammenhängen?

Fred Schäfer:

Ich wiederhole: Der Händler stellt die Basis für Dienstleistungen dar. Und ein reiner Dienstleister zu sein, ist ja per se keine Reduzierung oder Abklassifizierung. Wir selbst sehen uns auch als reiner Dienstleister. Wer den Kunden in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt sowie in Servicestrukturen denkt, der wird nicht nur partizipieren, sondern auch auf neue Möglichkeiten stoßen. Die Möglichkeiten, die ECR heute bereits im SWAP-Bereich und bei Telematik-Solutions geschaffen hat, helfen nicht nur neue digitale Prozesse zu entwickeln. Schauen Sie nur die Reifendruckkontrollsysteme an und bewerten selbst, welcher Anteil an dieser eng mit dem Reifenservice verbundenen Technik von dem Reifenhandel gehalten wird.

NRZ:

Es scheint, dass insbesondere die großen Organisationen des Reifenhandels natürliche Partner von ECR-Solutions sind. Sehen Sie auch für kleinere Filialisten oder nur an einem Standort tätige Reifenfachhändler Potenzial im Flottengeschäft in Zusammenarbeit mit Ihnen? Wie?

Fred Schäfer:

In der ECR-Systemwelt kann jemand auch Partner werden, ohne dass er Filialist ist. Jeder Händler, der mit uns arbeitet, kann damit integriert werden. Für uns im Flottengeschäft spielt der Organisationsgrad nur eine untergeordnete Rolle. Wenn jemand die geforderten Qualitäts- und Servicestandards bietet, dann ist er bei uns richtig aufgehoben. Für unser System bedeutet es keinen Mehraufwand, ob wir mit einem Betrieb, einem kleineren Filialisten oder einer nationalen/internationalen Organisation zusammenarbeiten. Wir arbeiten zum Beispiel im Gutschriftverfahren, das heißt ein Händler erhält nicht nur eine verbindliche Beauftragung, sondern auch die Bezahlung läuft schnell und präzise.

NRZ:

Ist es denkbar, dass Reifenhändler über eine Partnerschaft mit ECR-Solutions den Einstieg in das Flottengeschäft schafft?

Fred Schäfer:

Inwieweit ein Händler den Einstieg in das Flottengeschäft schafft, hängt von seiner Bereitschaft zum Service und zur Anpassung und zum Ausbau seiner Strukturen ab. Ob dies über eine Partnerschaft über ECR-Solutions gelingt, ist ebenfalls eine Frage seiner Bereitschaft zum Service sowie zur Anpassung und zum Ausbau seiner Strukturen. Wir sind als neutraler Serviceprovider unterwegs und für Serviceideen offen.

NRZ:

ECR-Solutions ist heute ein anerkannter Dienstleister für Nutzfahrzeugflotten, obwohl Sie vor 15 Jahren über Pkw-Leasingflotten den Einstieg in die Selbstständigkeit schafften. Warum spielen für Sie Pkw-Flotten keine Rolle mehr?

Fred Schäfer:

Es stimmt, in meiner Zeit vor ECR-Solutions als Geschäftsführer von Top Service Team haben wir immer die Forderungen von Pkw-Leasingflotten auf dem Tisch gehabt, dass sie nach einem System suchen, das das Reifenmanagement und Controlling zentral für sie übernimmt. Pkw- und Lkw-Flotten haben sich seitdem unterschiedlich entwickelt. Und wir haben uns auf die Zielkunden konzentriert, die damals schon Bedarf an solchen Systemen angemeldet hatten. Dies war aus heutiger Sicht eine gute Entscheidung. Mein Motto war und ist: Wer nicht an die Erweiterung seiner Angebote denkt, läutet den Stillstand ein. Wer in der Spur anderer fährt, kann nicht überholen. ab

 

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