Kommentar: Wenn das Licht am Tunnelausgang Gegenverkehr ist

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Was die Nachfrage nach neuen Pkw in Deutschland betrifft, ist die im April zwar rückläufig gewesen gegenüber demselben Monat. Doch insgesamt liegen die Zulassungszahlen im bisherigen Jahresverlauf immer noch im Plus. Dass ein einzelner Monat aber durchaus auch einen deutlich größeren Unterschied machen kann, zeigt parallel dazu ein Blick auf die Absatzentwicklung im Reifengeschäft Handel an Verbraucher (Sell-out). Bis einschließlich März lag die Zahl der an die Frau oder den Mann gebrachten Pkw-Reifen laut dem sogenannten Sell-out-Panel des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie (WdK) Monat für Monat jeweils über Vorjahr, sodass mit Stand zum Ende des ersten Quartals ein ansehnliches Plus von ziemlich genau zwischen zwölf und 13 Prozent unterm Strich stand.

Zudem legte zu Jahresbeginn der Reifenabsatz der Industrie in Richtung an Handel (Sell-in) hierzulande zumindest ganz leicht auf gut 14,0 Millionen Pkw-Reifen zu. Dabei ist aber eigentlich nur das Segment der Ganzjahresreifen – freilich von einem vergleichsweise niedrigen Ausgangsniveau kommend – von einem wirklichen Zuwachs geprägt gewesen um mehr als 40 Prozent auf etwas mehr als 1,9 Millionen Einheiten. Umgekehrt konnten die Reifenhersteller mit beinahe 11,1 Millionen Einheiten bzw. ziemlich genau zwischen einer Million und 1,1 Millionen Stück zwar gut vier respektive fast zweieinhalb Prozent weniger Pkw-Reifen für den Sommer- bzw. Wintereinsatz an ihre Handelspartner liefern, aber in Summe bleibt bei Pkw-Reifen eben dennoch ein Plus übrig dank der Ganzjahresreifen. Sell-in-Zuwächse wurden im deutschen Reifenersatzgeschäft darüber hinaus ebenso bei den Offroad-/4×4-/SUV-, Llkw und Lkw-Reifen registriert, die bei fast fünf, gut vier sowie sieben Prozent liegen sollen für die ersten vier Monate 2017.

Das besagen zumindest die entsprechenden Statistiken der European Tyre and Rubber Manufacturers’ Association (ETRMA). Apropos Europa: Auch für den gesamteuropäischen Markt wird seitens des Verbandes von einem „positiven [Jahres-]Start für die europäische Reifenindustrie“ berichtet. Lediglich für Landwirtschaftsreifen weist die Bilanz des ersten Quartals mehr eine Art Stabilität als irgendein Wachstum aus angesichts eines nur um ein halbes Prozent gestiegenen Absatzes auf nicht ganz 410.000 Stück im europäischen Markt. Deutlicher sind da die Wachstumsraten bei den Pkw-Reifen mit vier Prozent auf knapp 55,5 Millionen Stück, den Motorrad-/Rollerreifen mit annähernd acht Prozent auf fast 3,7 Millionen Einheiten sowie sogar fast 15 Prozent auf leicht mehr als 2,6 Millionen Lkw-Neureifen. Insgesamt legte die Reifennachfrage in Europa insofern in Summe um beinahe fünf Prozent auf 62,2 Millionen Einheiten zu.

Mancherorts hat sich angesichts dessen schon die Hoffnung breit gemacht, 2017 könnte seit Langem vielleicht ja mal wieder ein Jahr mit einer eher positiven Stückzahlentwicklung nicht zuletzt im für die Branche so wichtigen Pkw-Reifengeschäft werden – selbst wenn auch ausgeprägte Optimisten freilich wissen, dass drei Monate allein noch keinen umfassenden Rückschluss auf das Gesamtjahr zulassen. Und Pessimisten rechnen ja bekanntlich ohnehin immer eher mit dem Schlimmsten und werden sich angesichts der gerade vom WdK vorgelegten April-Zahlen für den deutschen Markt bestätigt sehen. Denn das, was nach längerer Fahrt im Dunklen bislang durchaus als so etwas wie Licht am Ende des Tunnels wahrgenommen werden könnte, scheint wohl doch eher blendender Gegenverkehr gewesen zu sein.

Zumal mit Blick auf den April für alle Produktsegmente mehr oder weniger deutliche Absatzrückgänge gegenüber demselben Monat 2016 berichtet werden. Schlimmer noch: Selbst kumuliert herrscht nur einen Monat nach dem März mit Ausnahme der Offroad-/4×4-/SUV-Reifen, von denen die Reifenvermarkter hierzulande dem WdK zufolge zwischen Januar und April dieses Jahres rund sieben Prozent mehr verkaufen konnten als im entsprechenden Vorjahreszeitraum, inzwischen schon wieder überall die Farbe rot vor. Bei Pkw-Reifen liegt das Minus demnach bei knapp fünf Prozent im Vergleich mit den ersten vier Monaten 2016, während der Absatzrückgang bei den Llkw- und Lkw-Neureifen jeweils irgendwo zwischen zwei und drei Prozent liegt.

Das Ganze hat also etwas von einem Deja-vu-Erlebnis. Zu oft in der jüngeren Vergangenheit hat sich eine Saison recht hoffnungvoll angelassen, nur um dann letztlich doch wieder zu enttäuschen. Es scheint also tatsächlich etwa dran zu sein an einem in hiesiger Region weitgehend gesättigten Markt, in dem Wachstum nur noch durch Verdrängung oder in einzelnen Segmenten durch Verschiebungen etwa von Pkw- hin zu SUV-Reifen oder vom saisonalen Einsatz von Sommer- und Winterreifen hin zu Ganzjahresreifen möglich ist. Damit es bei besagtem „Gegenverkehr“ nicht zum Crash kommt, gilt es demnach also weiterhin, sich auf die ungeachtet des kurzen (Stückzahl-)Strohfeuers zu Jahresbeginn natürlich nach wie vor bestehenden Herausforderungen des Marktes einzustellen etwa mit einer verstärkten Hinwendung zu für den Reifenfachhandel vergleichsweise „neuen“ Geschäftsfeldern wie beispielsweise dem Autoservice.

Denn ein solcher Ansatz scheint ja aufzugehen, wie die Daten des jüngsten Daten Betriebsvergleiches 2016 vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) zeigen. Denn die Lage der Branche ist demnach zwar immer noch weit entfernt davon, gut zu sein. Doch hat sie sich gegenüber den Jahren zuvor dennoch ein wenig gebessert, selbst wenn die eine oder andere Insolvenzmeldung selbst bekannterer Händler während der letzten Wochen und Monate einen anderen Eindruck erweckt haben mag. Eines ist allerdings völlig klar: Ein Nachlassen in seinen Bemühungen, sich fit für die Zukunft zu machen, kann sich der Reifenfachhandel nicht leisten. christian.marx@reifenpresse.de

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