Rigdon-Restrukturierung nimmt an Fahrt auf

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Nach dem Neuanfang als Rigdon GmbH Ende 2014 hat sich in Günzburg an der Donau einiges verändert und entwickelt. Der Runderneuerer – weiterhin wohl der größte unabhängige Hersteller runderneuerter Reifen in Deutschland – ist dennoch mit seiner Restrukturierung längst noch nicht fertig. Man ist zwar bereits ein gutes Stück auf dem Weg der „Wachstumsstrategie und Unternehmenstransformation ‚Rigdon 2020’“, die die neuen Eigentümer dem Unternehmen auf die Agenda geschrieben haben, vorangekommen. Aus diesem Fünfjahresprogramm stehen aber weiterhin nicht unerhebliche Veränderungen an, Veränderungen, die das Unternehmen und dessen Mitarbeiter – trotz aller Probleme im Markt – zuversichtlich in die Zukunft blicken lassen sollen, wie die NEUE REIFENZEITUNG im Gespräch mit Ralf Schnelle, Geschäftsführer der Rigdon GmbH, erfuhr.

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„Rigdon 2020“ wurde der NEUE REIFENZEITUNG bereits kurz nach der Neugründung aus der insolventen Reifen Ihle GmbH heraus als „Wachstumsstrategie und Unternehmenstransformationsprogramm“ präsentiert. Ziel des Projekts ist die Schaffung eines nachhaltig erfolgreichen mittelständischen Reifenrunderneuerers. Dass sich dies freilich nicht über Nacht einstellt, und schon mal gar nicht dann, wenn der Markt wie 2015 bestenfalls als desaströs zu bezeichnen ist, müssen nahe und entfernte Beobachter anerkennen, die die Entwicklung der neuen Gesellschaft beurteilen. Der Markt war 2015 extrem schwach; bei Rigdon rechnet man für das vergangene Jahr mit einem Marktrückgang von 15 bis 20 Prozent, was das eigene Kernsegment betrifft.

Dennoch, so betont Ralf Schnelle im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, seien die eigenen Absätze 2015 aufgrund der ab Mitte des Jahres erweiterten vertrieblichen Schlagkraft immerhin um fünf Prozent gewachsen. Nun sind solche Zahlen sicher nur begrenzt aussagefähig. Allerdings hatte die später in die Insolvenz gegangene Gesellschaft gerade Ende 2014 einen Großteil der Lagerbestände abverkauft bzw. abverkaufen müssen, und das zu überaus wettbewerbsfähigen Preisen; die Menge stimmte weitestgehend. Gerade vor diesem Hintergrund – schwacher Markt, vormals preisaggressives Vermarkten und die Restrukturierung des Unternehmens nach dem Neuanfang – würde aber selbst ein Nullwachstum 2015 einem großen Erfolg gleichen. Und selbst die Tatsache, dass Rigdon die derzeitige Marktsituation zu durchschiffen scheint, zeigt, dass Totengesänge der ansonsten für gewöhnlich gut unterrichteten „Kreise“ alles andere als im Ton sind.

Bei Rigdon setzt man seit einigen Jahren gezielt gerade auf die Heißrunderneuerung, die einen Anteil an der Gesamtproduktion von Lkw-Reifen von rund 60 Prozent hat und steigend ist

Bei Rigdon setzt man seit einigen Jahren gezielt gerade auf die Heißrunderneuerung, die einen Anteil an der Gesamtproduktion von Lkw-Reifen von rund 60 Prozent hat und steigend ist

Dieser Ansicht ist natürlich auch Ralf Schnelle, der indes im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG keinen Hehl daraus macht, dass die „Rigdon-2020-Reise das Unternehmen natürlich noch für einige Jahre auf Trab halten wird. Gleichzeitig macht er aber auch deutlich, dass Rigdon die Ausnahmesituation der direkten Vor- und Nachinsolvenzphase (von Reifen Ihle) jetzt schrittweise hinter sich lässt. Der Geschäftsführer geht sogar soweit, Rigdon „im Grunde“ als „Start-up-Unternehmen“ zu bezeichnen, das von der Pike auf neu aufgebaut wird. Was ist bisher geschehen?

Eine Restrukturierung setzt zunächst immer an den überkommenen Strukturen und Prozessen an, so will es die Definition, und so macht es wohl auch nur Sinn. Abläufe, Ziele und Geschäftsmodelle der Vergangenheit sollten allesamt hinterfragt werden, erläuterte bereits vor anderthalb Jahren Christoph Fluhr, der mit seinem Partner Dr. Peter Mauritz und der gemeinsam betriebenen Gesellschaft Prolimity Capital Partners (Frankfurt am Main), einem „Turnaround-Spezialisten für Beratung und Übernahmen in Unternehmenssondersituationen“, Ende 2014 den insolventen Runderneuerer Reifen Ihle gekauft und als Rigdon GmbH den Neuanfang gestartet hatte. Zentraler Ansatz dabei: Umsätze rauf und Kosten runter.

Wie Ralf Schnelle jetzt betont, habe man die Teams bzw. Abteilungen soweit irgend möglich auf den Vertrieb und die Produktion ausgerichtet; Aufgaben, die nicht diesem unmittelbaren Ziel – dem Verkauf und die Produktion runderneuerter Reifen – dienten, fanden unter dem Dach der Rigdon GmbH keinen Platz. So „leistete“ man sich früher etwa eine eigene Schlosserei und fertigte auch die Formen für die Heißrunderneuerung selber. Diese Abteilungen sind heute geschlossen und die Arbeiten werden nun von Dienstleistern erbracht. Auch produziert Rigdon heute durch die Verbrennung von Altreifen und Gummiabfällen keine eigene Energie mehr; die Verbrennungsanlage steht still, ist doch Öl heute wesentlich günstiger zu haben und vor allem nach Bedarf einzusetzen, was für den Ofen eben nur bedingt galt. Auch die Abteilungen in der Verwaltung wurden entsprechend dem Ziel der Neustrukturierung, alles auf Vertrieb und Produktion auszurichten, mit neuen Aufgaben betraut.

Eines der Ziele, das Rigdon seit der Neugründung umtreibt, ist die Ausdehnung des Vertriebs auf ganz Deutschland. Auch wenn man immer noch nicht so weit ist, wie man gerne sein möchte, hat das Unternehmen seinen Außendienst seit anderthalb Jahren doch deutlich ausgeweitet. Vor zwei Jahren hatte Reifen Ihle anderthalb Außendienstler plus Verkaufsleiter. Heute kümmern sich vier Außendienstler in Vollzeit um die Kunden in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Ebenfalls immer beim Kunden: Verkaufsleiter Adolf Mayer vier Vertriebsinnendienstler in Vollzeit. Außerdem kümmert sich Ralf Schnelle in der Geschäftsführung um das Ressort Vertrieb und Marketing, während Günter Ihle seit vergangenem Jahr in der Geschäftsführung für die Bereiche Technik und Produktion zuständig ist. Wenn nun noch die zwei vakanten Vertriebsstellen besetzt werden könnten, was bald geschehen soll, dann kümmern sich bei Rigdon immerhin acht Verkäufer um den Kontakt zum Kunden im Reifenhandel und in den Flotten.

Diese Investition in die Außendienstmannschaft wirke sich einerseits überaus positiv auf die Anzahl der Kundenkontakte aus. Schnelle: „Wir vermarkten ein erklärungsbedürftiges Produkt bei mehr als 3.800 kaufenden Rigdon-Kunden.“ Entsprechende Überzeugungs- und Erklärungsarbeit könne und müsse der neue Außendienst leisten; er sei dabei durchaus erfolgreich. So habe man nicht nur die Absätze innerhalb Deutschlands steigern können, wie oben beschrieben. Auch seien vor allem die Absätze in der Schweiz, wo es keinen Heißrunderneuerer gibt, zuletzt deutlich angestiegen. Auch könne man sich nun wieder intensiver um Exportmärkte, selbst in Osteuropa, kümmern, wo Schnelle bereits „neue Anknüpfungspunkte“ wahrnimmt. Derzeit stammen rund 30 Prozent der Rigdon-Umsätze aus dem Exportgeschäft.

Aber auch beim Karkassenmanagement hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren einiges entwickelt. Dieser „Rohstoff unserer Runderneuerung“ wird nunmehr von zwei gut ausgebildeten Kollegen verantwortet. Während der eine den Einkauf bei Reifenhändlern und Karkassenhändlern organisiert, ist der andere – ein Vulkaniseurmeister – in der Produktion für die Eingangskontrolle zuständig. Durch das professionellere Betreuen des Karkassenmanagements habe man die Qualität der Produktion weiter steigern können.

Karkasseneinkäufer benötigen externe Spediteure oder Lkws. Rigdon hat erst kürzlich kräftig in seinen Fuhrpark investiert, der jetzt aus zwei modernen Euro-6-Sechstonnern und drei 7-5-Tonnern besteht. Der Fuhrpark diene dabei aber natürlich auch der Auslieferung der Ware, und zwar in einem Umkreis von 300 bis 400 Kilometern. Gerade der Wegfall der elf ehemaligen Reifen-Ihle-Filialen (sie wurden an Reifen Müller/Hammelburg verkauft) hat hier noch mehr die Ausrichtung auf den klassischen industriellen Vertrieb von runderneuerten Reifen gelegt, wozu eben auch der Fuhrpark samt eines auch in Sachen Produkt geschulten Fahrerteams beiträgt. Schnelle nennt die Fahrer in diesem Zusammenhang „Verkaufsfahrer“, sind sie doch auch aktiv am Vertrieb beteiligt und vertreten sie das Unternehmen nach außen. Den Wegfall der elf ehemaligen Filialen sieht Schnelle indes als durchaus vorteilhaft, stehe man nun doch – anders als andere Runderneuerer – nirgends mehr als Händler (und Runderneuerer) im direkten Wettbewerb zu den jetzigen Rigdon-Kunden im Reifenhandel. Im Übrigen lief über die Filialen auch lediglich ein Absatz von rund zehn Prozent des Gesamtgeschäftes, den man gut habe „kompensieren können“, so Schnelle.

Bis Mitte 2017 soll am Standort in Günzburg an der Donau das Produktionslayout effizienter gestaltet werden, sodass rund die Hälfte der derzeitigen Hallenfläche nicht mehr genutzt wird

Bis Mitte 2017 soll am Standort in Günzburg an der Donau das Produktionslayout effizienter gestaltet werden, sodass rund die Hälfte der derzeitigen Hallenfläche nicht mehr genutzt wird

Ebenfalls hat sich das Angebot an Runderneuerten seit der Neugründung verändert: C-Decken werden beispielsweise derzeit nicht gefertigt. Auch fertigt Rigdon deutlich weniger runderneuerte Lkw-/LLkw- sowie Pkw-Reifen, als das Unternehmen mit seinen nominellen Kapazitäten von 150.000 Lkw-/LLkw- und 300.000 Pkw-Reifen fertigen könnte. Ralf Schnelle möchte zwar die Produktionszahlen nicht in der Zeitung lesen, es lässt sich aber festhalten, dass der genannte Output vermutlich immer noch für den Status als größter unabhängiger Runderneuerer Deutschlands reicht. Rigdon kann außerdem jährlich rund 1.000 EM-Reifen runderneuern.

Auch setzt Rigdon verstärkt auf ertragsträchtige Nischenprodukte. So habe das Unternehmen etwa seine Lagertechniksparte unter dem Namen Rigo Tec revitalisiert und vermarktet dort jetzt wieder Reifenregale etc. mit größerem Nachdruck. Ralf Schnelle zufolge seien Rigo-Tec-Produkte jetzt auch in einigen Katalogen führender Werkstattausrüster aufgeführt; für eine Trendaussage sei es aber noch zu früh, man wolle aber in diesem „Bereich mit viel Potenzial“ ebenfalls den Vertrieb aufstocken. Darüber hinaus kümmert sich Ridgon jetzt auch vermehrt um Produkte wie etwa Baggerzwischenringe oder Bodenplatten aus Gummi. Diese seien indes allesamt Nischenprodukte, und zwar in Bezug auf die Umsätze wie auch auf die Erträge. Dennoch, so Schnelle, erweitere man erfolgreich und sukzessive das eigene Produktprogramm.

Dazu gehört primär auch weiterhin die Runderneuerung von Pkw-Reifen. Während dieses Produkt von vielen im Markt bereits seit Jahren völlig abgeschrieben wird, insbesondere vom klassischen (Neu-)Reifenhandel, haben sich runderneuerte Pkw-Reifen dennoch zuletzt am Markt ihren Anteil, wenn auch auf vergleichsweise geringem Niveau, bewahrt. Folglich wolle auch Rigdon dieses Produkt „nicht aufgeben“. Dazu habe man eine Initiative zusammen mit dem BRV und Reifen Hinghaus – dem zweiten in Deutschland noch aktiven Runderneuerer von Pkw-Reifen – auf den Weg gebracht. Die Reifen seien „sicher, ökologisch und günstig“ und stammten aus deutscher Produktion, so Schnelle. Und gerade mit Blick auf den zunehmenden Onlinereifenhandel böten sich der Pkw-Reifenrunderneuerung neue Potenziale.

Ebenfalls setzt Rigdon in der Kaltrunderneuerung von Lkw-Reifen – diese steht für rund 40 Prozent des Outputs der Produktion in Günzburg an der Donau – innovative Akzente. Der Runderneuerer könne jetzt zusätzlich zur herkömmlichen Kaltrunderneuerung das patentierte Seitenwandfinish „RigSide“ anbieten. Dabei wird die Seitenwand im Schulterbereich mit einer dünnen Schicht unvulkanisiertem Gummi belegt. Über eine Matrize, die mit eingehüllt wird, kann dann dieser Gummi nach den Wünschen des Kunden gestaltet werden. Neben der Sicherheit und Leistung wie bei einem Neureifen biete die Kaltrunderneuerung mit dem neuen Seitenwandfinish nun auch das Aussehen eines Neureifens. Außerdem können die Seitenwände nun gegebenenfalls auch als Private Label nach Kundenwunsch angepasst werden.

Bei all diesen Entwicklungen nimmt man Wachstum und Restrukturierung zur Kenntnis. Dennoch muss man anerkennen, dass nach der Übernahme der insolventen Vorgängergesellschaft nicht für jeden der damals 110 Mitarbeiter ein Platz in der neuen Rigdon GmbH gefunden werden konnte. Derzeit beschäftigt die Gesellschaft noch gut 70 Mitarbeiter; es fiel demnach rund ein Drittel der bisherigen Stellen weg.

Verschlankung und Effizienzsteigerung stehen auch Pate für die kürzlich begonnenen und bis Mitte 2017 noch umzusetzenden Veränderungen in der Produktion, genauer gesagt: dem Produktionslayout. Die Rigdon GmbH hat Ende 2014 das komplette Grundstück mit seinen 88.000 m² in Günzburg übernommen; die ehemalige Zentrale nahe der Innenstadt gehörte nicht dazu. Auf dem Grundstück befinden sich insgesamt rund 40.000 m² Hallenfläche. Durch die Neuordnung und Verdichtung der Produktion und vor allem der Produktionsabläufe mit all ihren vor- und nachgelagerten Schritten soll das Werk insgesamt verschlankt, Wege verkürzt und somit die Produktion effizienter gestaltet werden. In Zukunft wolle Rigdon dann nur noch zwei der Hallen mit insgesamt rund 20.000 m² nutzen, eine für die Produktion, die andere als Lager für Karkassen und fertig Runderneuerte.

Diese Konzentration auf die Produktion sei alles andere als ein Zeichen der Schwäche, findet Geschäftsführer Schnelle. Sie seien hingegen das Symbol einer sich ändernden Unternehmensführung, der es eben nicht „ums Versilbern“ von nicht betriebsnotwendigen Immobilien gehe – die freiwerdenden Hallen sollen vermietet werden –, sondern darum, sich dem starken Wettbewerb entsprechend unternehmerisch-verantwortungsbewusst zu verhalten. Wie viele Unternehmen in der Runderneuerungsbranche auch, so lastet der Markt eben auch auf Rigdon. Nimmt man dann noch die spezielle Situation durch die überstandene Insolvenz hinzu, wundert es nicht, dass die Zahlen im vergangenen Jahr die Gewinnschwelle noch nicht erreichen konnten. Der Geschäftsführer rechnet indes damit, dieses Jahr Break-even zu erreichen und damit den Plan zu erfüllen.

Die Vorgängergesellschaft Rigdons hatte früher mehrere Jahre einen einzigen Großkunden: Continental. Der Konzern bezog in Spitzenzeiten bis zu 40.000 Heißrunderneuerte aus Günzburg. Ähnlich gelagerte Kooperationen könne man sich in Günzburg auch für die Zukunft vorstellen. Es gebe im Markt schließlich nicht wenige Reifenhersteller, die ihre Lkw-Reifen mit Life-Cycle-Konzepten vertreiben wollen, denen aber die dazu passende Runderneuerung fehle. „Rigdon ist dabei Spezialist; wir haben darin große Erfahrung“, so Ralf Schnelle weiter. Man habe auch bereits entsprechend positive erste Gespräche zu möglichen Partnern geführt, so der Geschäftsführer weiter. Des Weiteren will Rigdon die Marktkonsolidierung im Bereich der Lkw-Runderneuerung aktiv begleiten und in diesem Zusammenhang dem Reifenhandel, der selber runderneuert, als möglicher Kooperationspartner für die Produktion von Runderneuerten zur Seite stehen. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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