Kommentar: Murmeltierjahr für den Reifenhandel

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Viele kennen sicher den Streifen „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit dem US-Schauspieler Bill Murray in einer der Hauptrollen. Dabei erlebt er als Protagonist in Person des Fernsehwetteransagers Phil Connors ein und denselben Tag immer und immer wieder. Ob es derartige Zeitschleifen in unserem Universum wirklich gibt, hat die Physik bis heute zwar noch nicht abschließend klären können. Doch zumindest sollen sie Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie zufolge möglich sein. Als Reifenhändler in Deutschland bedarf es allerdings keines Physikstudiums oder einer eingehenden Beschäftigung mit der Quantentheorie, um an die Existenz von Zeitschleifen zu glauben. Dazu genügt ein Blick auf die Situation auf die Absatzentwicklung im Ersatzgeschäft (Sell-out: Handel an Verbraucher) hierzulande.

Zu Beginn des Jahres wurde allenthalben – mal wieder – von Zuwächsen im diesjährigen Pkw-Sommerreifengeschäft ausgegangen, wobei die Vorhersagen der Industrie diesbezüglich – mal wieder – etwas positiver ausfielen als die des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) mit seinen der letztendlichen Realität meist näher kommenden Erwartungen. Ohne den Reifenherstellern oder der Handelsvertretung damit einen Vorwurf machen zu wollen, weil neben anderen beispielsweise ja auch der dänische Physiker Niels Bohr schon gesagt haben soll, dass Prognosen schwierig seien, besonders wenn sie die Zukunft beträfen: Von einem Plus ist Stand Ende Juli – mal wieder – nichts zu sehen.

Mit Blick auf Pkw-Sommerreifen allein weist das sogenannte Sell-out-Panel des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie (WdK) kumuliert für die ersten sieben Monate des Jahres ein Minus von runden neun Prozent verglichen mit dem Volumen des Vorjahreszeitraumes aus. Selbst bei Miteinbeziehung der im bisherigen Jahresverlauf gegenüber 2015 noch einmal deutlich stärker nachgefragten Ganzjahresreifen wird daraus kein Plus. Schlägt man das bis dato offensichtlich um fast 24 Prozent gestiegene Absatzvolumen an Pkw-Ganzjahresreifen hierzulande so wie in der Branche mithin meist noch üblich dem Sommersegment hinzu, resultiert daraus in Summe immer noch ein Rückgang um ziemlich genau zwischen vier und fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahresbezugswert. Bleibt also – mal wieder – nur die Hoffnung auf früh einsetzendes und möglichst heftiges Winterwetter?

Basierend auf seinem zusammen mit BBE Automotive für den Zeitraum Januar bis Mai erhobenen Betriebsvergleich kann auch der BRV darüber hinaus schließlich – mal wieder – nur von einem in den klassischen Reifenunternehmen um 1,2 Prozent gesunkenen Stückabsatz bei Sommerreifen (inklusive Ganzjahresreifen) berichten und von einem 0,8-prozentigen Minus bei den Pkw-Winterreifen. Angesichts gleichzeitig gegenüber Vorjahr – mal wieder – gefallener Reifendurchschnittspreise tröstet es nur wenig, dass unter Berücksichtigung filialisierter Ketten sowie von Händlern mit einem starken Großkundengeschäft oder (einmaliger) Sondergeschäfte der Gesamtabsatz an Pkw-Reifen dem Betriebsvergleich zufolge in den ersten fünf Monaten um 1,8 Prozent zugelegt haben soll. Denn in allen anderen Reifenbetrieben ist er demnach leicht um 0,6 Prozent gesunken.

Zumal die Filialisten nach Worten des BRV bei alldem im Durchschnitt Verluste ausgewiesen haben und damit dem Gesamtmarkt in Form „roter“ 1,6 Prozent – mal wieder – eine negative Rendite beschert haben. Demgegenüber hätten eher Pkw-orientiere Betriebe mit geringem Anteil an Lkw-Reifen bzw. zu den Kategorien bis/über 1.000 Lkw-Reifen pro Jahr zählen einen Gewinn von 2,1 Prozent erwirtschaftet, heißt es weiter. Der aber vermutlich – mal wieder – über ein Mehr an Dienstleistungsumsätzen insbesondere im Autoservice realisiert wurde, wo man laut BRV ein Plus in Höhe von 7,2 Prozent registrierte, während in Sachen Reifenservice „nur“ ein Zuwachs um 2,7 Prozent konstatiert wird.

Also – mal wieder – alles wie immer? Und was lehrt uns dieser augenscheinliche „Beweis“ dafür, dass es so etwas wie Zeitschleifen zumindest bezogen auf das deutsche Reifenersatzgeschäft zu geben scheint? Damit auf eine Nominierung für den Nobelpreis in Physik zu hoffen, scheint zwar mehr als vermessen zu sein. Aber muss man daraus nicht eigentlich schließen, dass sich der Reifenverkauf nicht mehr lohnt und stattdessen das Heil beispielsweise im Autoservice oder ganz anderen, gegebenenfalls noch zu erschließenden Geschäftsfeldern liegt?

Für den BRV selbst spiegelt sich in der großen Bandbreite der Ergebnisse seines Betriebsvergleiches demnach zumindest eines wider, nämlich „wer sich in einem unter Druck stehenden Reifenmarkt behaupten kann und welche Geschäftsstrategien in den Unternehmen aufgehen und erfolgreich sind“. Es scheint also noch nicht aller Tage Abend zu sein. Jedoch geht es schlussendlich mehr als jemals zuvor darum, die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren, um den eigenen Betrieb dann entsprechend aufzustellen. Möglicherweise mag das früher aufgrund geringeren Gegenwindes aus dem Markt einfacher gewesen sein – aber prinzipiell war es doch eigentlich nie anders, oder? christian.marx@reifenpresse.de

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