Nokian Tyres will Vertrieb in Deutschland neu ausrichten

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Nachdem Nokian Tyres 2014 bei der Reifen-Messe gefehlt hatte, nutzte der finnische Hersteller die diesjährige Messe ganz bewusst, um sich als das zu präsentieren, was er ist: führender Experte in Sachen Winterreifen. Dabei seien die Reifen als solche nicht in den Vordergrund der Präsentation gerückt worden, wie der neue Geschäftsführer der deutschen Nokian Reifen GmbH im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG anlässlich der Messe in Essen erläuterte. Laut Thorsten Herzog habe man die Messe nutzen wollen, um den Besuchern zu zeigen, „woher wir kommen und wer wir sind“. Der Erfinder des Winterreifens habe dabei seine anerkannt hochwertigen Produkte in der Messepräsenz bewusst dem Thema „Marke und Image“ untergeordnet. Dennoch ging es am Nokian-Tyres-Stand in Essen durchaus um ganz konkrete Fragen, etwa um die zukünftige Ausrichtung des Vertriebs auf dem deutschen Markt, um den sich nun Thorsten Herzog kümmert.

Dass Nokian Tyres, der „profitabelste Reifenhersteller der Welt“ mit Umsatzrenditen von regelmäßig deutlich über 20 Prozent, mit den jüngsten Entwicklungen in seinen Kernmärkten nicht zufrieden sein kann, versteht sich. Finnland leidet unter einer Rezession und der russische Reifenmarkt – die ‚Wahlheimat‘ der Finnen mit einem Umsatzanteil dort von bis zu 40 Prozent – gibt dem finnischen Konzern sogar noch weniger Wachstumsimpulse; im Gegenteil: die starke Ausrichtung auf den Reifenmarkt im großen Nachbarland Finnlands entwickelt sich für Nokian Tyres mittlerweile zu einer Bürde. Aufgrund der anhaltenden Schwäche in diesen Märkten und der bestenfalls als stabil zu bezeichnenden Entwicklungen in der Region Central Europe, zu der auch der deutsche Reifenmarkt gehört, nimmt die Wachstumsstrategie eine zentrale Rolle für die Zukunft des Unternehmens ein.

Gerade in Deutschland hat sich Nokian Tyres traditionell immer stark um den Kanal Großhandel gekümmert. Folglich sieht auch Thorsten Herzog in diesem Kanal nur noch bedingt Wachstumschancen, zumal der Großhandel europaweit unter einem immensen Wettbewerbsdruck steht, der zumindest nicht förderlich für die Profitabilität der Grossisten und ihrer Lieferanten ist. Folglich wollen Herzog als neuer Geschäftsführer der deutschen Nokian-Tyres-Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Nürnberg sowie Hannu Liitsola, Managing Director für die Region Central Europe, der bis vor Kurzem die Geschäfte in Deutschland kommissarisch geführt hatte, über den Großhandel hinaus einen ganz klaren Fokus ihrer Absatzbemühungen auf weitere Kanäle legen; Stichwort: Multi Channel. Zu allererst haben beide dabei die Ausweitung des eigenen Vertriebsnetzwerkes im Blick. Nokian Tyres betreibt dabei eine eigene Kette samt dazugehörenden Franchisenehmern: Vianor. In Deutschland betreiben aktuell 30 Betriebe Reifenhandel unter dem orangefarbenen Vianor-Logo. Darüber hinaus soll ebenfalls das Partnerschaftsmodell des „Nokian Authorised Dealer“ (NAD) auch in Deutschland weiter ausgebaut werden, nachdem man hierzulande damit 2015 an den Start ging. Auch haben die Nokian-Tyres-Manager die Kanäle B2C, also Retailer, sowie Flotten im Fokus, wenn sie ihre Wachstumsstrategie verfolgen.

Dass eine entsprechende Neuorientierung im sogenannten Channeling, also im Falle Nokian Tyres‘, die Hinwendung zu einer stärker auf Retail-Organisationen hin ausgelegten Wachstumsstrategie, auch eine interne organisatorische Neuausrichtung nach sich ziehen muss, weiß natürlich auch Thorsten Herzog. Der 46-jährige Manager hat einen Großteil seiner bisherigen beruflichen Laufbahn bei PSA Peugeot Citroen in verschiedenen Vertriebspositionen zugebracht und war dort zuletzt für den Aftersales verantwortlich. Ab Juni 2013 übernahm der Diplom-Ökonom dann bei Pirelli in Deutschland Verantwortung als Vertriebsleiter Reifenhandel Pkw. In dieser Funktion oblag ihm die Reorganisation des Vertriebsaußendienstes in Deutschland, im Rahmen derer die Vertriebsmannschaft um über 30 Prozent ausgebaut (!) wurde. Herzog kündigt im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG anlässlich der Reifen-Messe in Essen an, die deutsche Vertriebsgesellschaft des finnischen Reifenherstellers werde der Strategie entsprechend zukünftig „viel mehr Personen am Boden“ haben, und zwar im Vertrieb wie auch im Aftersales und im Back Office.

Ziel dieser Wachstumsstrategie sei es natürlich, so Thorsten Herzog, mehr Reifen zu verkaufen. Damit dies gelinge, wolle man aber ganz bewusst den Partner im Reifenhandel stärker in den Fokus rücken. Dieser soll – wie Nokian Tyres auch – „hohe Erträge mit den Reifen machen können“, so der neue Geschäftsführer der deutschen Vertriebsorganisation, die übrigens nicht für den gesamten DACH-Markt, sondern nur für Deutschland zuständig ist. Händler sollen sogar „höhere Margen als bei anderen Hersteller erzielen“ können, verspricht Herzog und wirbt damit ganz gezielt um die Kundschaft im Reifenhandel, die, was das Produkt Reifen betrifft, seit Längerem unter Minimalmargen leidet.

Dieses Versprechen wolle man mit entsprechenden Marketingaktivitäten in Bezug auf Marke und Image unterstützen, wozu letzten Endes auch die Präsenz auf der Essener „Reifen“ in diesem Jahr zählt. Aber damit nicht genug. Auch soll das wachsende Vertriebsnetzwerk näher an den Hersteller gebunden werden, wozu eben nicht nur der Ausbau von Vianor und NAD zählen, sondern auch der Ausbau der Präsenz im deutschen Reifenhandel ganz allgemein. Hüben wie drüben wolle man auch mit Schulungen und Trainings dafür sorgen, dass Reifenhändler ihren traditionell großen Einfluss auf den Endverbraucher im Sinne des finnischen Reifenherstellers nutzen.

Dass entsprechende Bemühungen um den Partner im Reifenhandel und um den Endverbraucher natürlich durch dazu passende Produkte flankiert sein müssen, versteht sich. Diese, so ist auch Thorsten Herzog überzeugt, könne Nokian Tyres nicht nur im Winterreifen- und Ganzjahresreifensegment mit den neuen WR A4 resp. Weatherproof bieten, sondern zunehmend auch bei Sommerreifen, die in der Nokian-Tyres-Strategie ganz besonders im Fokus stehen. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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