BBS Motorsport: von Hightech inspiriert, vom Rennsport infiziert

Dass er vom Rennsport infiziert ist, räumt Erich Gissler, Geschäftsführer bei der BBS Motorsport GmbH in Haslach, unumwunden ein. Das kann vielleicht auch gar nicht anders sein, wenn man 38 Jahre lang intensiv mit Motorsportteams und deren Fahrern zu tun hat. Aber mittlerweile sind er und seine Kollegen – trotz aller Leidenschaft – nicht mehr so viele Wochenenden während der Saison beim Racing wie früher, als es noch den BBS-Servicetruck gab und ein eigenes Montageteam.

Mit Leidenschaft fürs Racing – Erich Gissler, Geschäftsführer BBS Motorsport

Mit Leidenschaft fürs Racing – Erich Gissler, Geschäftsführer BBS Motorsport

Der Name verrät es unzweifelhaft: Gisslers fast vier Jahrzehnte währende berufliche Historie und die seiner langjährigen Kollegen in Haslach ist mit dem Räderhersteller BBS und dessen Standorten Schiltach und Herbolzheim eng verflochten – immer noch, was man wohl auch daran erkennen mag, dass der Claim „Technik aus dem Motorsport“ in Schiltach bis zum heutigen Tage Verwendung findet, obwohl er doch eigentlich eher zum Haslacher Unternehmen passen würde.

Aus dem Wirrwarr wird eine klare Aufgabenverteilung

Die Konstellation hat sich im letzten Jahrzehnt in Folge der zwei Insolvenzen bei BBS grundlegend geändert. Als die damalige Aktiengesellschaft im Jahre 2007 in die Knie ging, sei man als hundertprozentige Tochtergesellschafter „kalt erwischt worden“, erinnern sich Erich Gissler und Reinhard Gebert, fürs Projektmanagement bzw. TÜV, Homologationen usw. zuständig. Die Motorsportabteilung hatte innerhalb der Organisation des Räderherstellers seit jeher den Status eines „Profit Centers“ und auch durchaus erfolgreich gewirtschaftet. Weil es aber einen Gewinnabführungsvertrag mit der Muttergesellschaft gab, blieb der „BBS Motorsport & Engineering GmbH“ nichts anderes übrig, als ebenfalls in die Insolvenz zu gehen. Als dann Ende 2010 die zweite BBS-Insolvenz folgte, haben Gissler und sein Kollege Roman Müller den Entschluss gefasst, die Selbstständigkeit anzustreben – und das dann auch bereits im Folgejahr in Angriff genommen, sodass am 1. Januar 2012 die BBS Motorsport GmbH schließlich ihren Betrieb aufnehmen konnte.

Mit Erleichterungs-/Hinterfräsungen schlägt BBS Motorsport beim Schmiederadtyp FI die Brücke von der Formel 1 zur Straße

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Auch nicht so ganz einfach gestaltete es sich mit einem weiteren Beteiligten: dem Partner aus Japan. Der frühere BBS-Minderheitsgesellschafter Kotaro Ono bzw. dessen Washi Beam hatte sich den Bereich Motorsport und Schmiederäder (als langjähriger Lieferant der Rohlinge für geschmiedete BBS-Räder) aus der Insolvenzmasse gesichert und war weiterer Inhaber der BBS-Namensrechte. Und um es noch ein wenig komplizierter zu machen: Auch in Japan änderte sich die Eigentümerstruktur, nachdem die ONO-Gruppe (zu der Washi Beam, Washi Kosan und weitere Firmen gehörten) ins Trudeln geraten war und im Oktober 2012 ebenfalls Insolvenz anmelden musste. Woraufhin sich schließlich der börsennotierte Konzern Maeda Kosen Co. Ltd. der Geschäfte mit Schmiederädern annahm und Ende 2013 erst die bestehenden Firmen Washi Kosan, Washi Beam und BBS Japan, die Muttergesellschaft der deutschen BBS Motorsport GmbH, zusammenführte und im Sommer 2014 drauf die deutschen Washi Holdings GmbH und BBS Washi Wheels GmbH in der BBS Motorsport GmbH aufgehen ließ.

Mittlerweile ist die Unternehmenskonstruktion eigentlich recht unkompliziert. Die Maeda-Gruppe, die ansonsten mit der automobilen Branche kaum etwas am Hute hat, ist die Muttergesellschaft von BBS Japan, die deutsche BBS Motorsport GmbH deren hundertprozentige Tochter. BBS Japan hat ihren Unternehmenssitz in Tokyo, fertigt Aluminiumräder in Takaoka und vertreibt diese unter dem Namen BBS im asiatischen Raum. Die 320 Mitarbeiter in Takaoka stellen heute an die 150.000 Schmiederäder jährlich her, liefern aber auch die Rohlinge für die Schmiederäder bzw. die Zweiteiler, die von der BBS Motorsport GmbH in Haslach bearbeitet und von der BBS GmbH in Schiltach vertrieben werden.

„Was die geschmiedeten und mehrteiligen Aftermarkträder anbelangt, die von unseren Kollegen in Schiltach vertrieben werden, so fällt uns eine Mittlerrolle zu. Wir leisten den Support“, so Gissler, der nicht versäumt darauf hinzuweisen, dass man selbst Inhaber der Gutachten dieser Räder ist. Derzeit mehr als 30 Mitarbeiter hat man in Haslach, wohin man 2012 nach der Abspaltung von den Schiltachern gezogen und mit dem Aufbau der Fertigung begonnen hat. Irgendwie in einem gemeinsamen Boot sitzen alle drei Unternehmen, die die Buchstaben BBS im Namen tragen: BBS Japan, BBS GmbH und BBS Motorsport GmbH.

Motorsport ist herausfordernd

LMP-Rad für Langstreckenrennen

LMP-Rad für Langstreckenrennen

Die BBS Motorsport GmbH ist nicht nur Mittler von Aftermarktgeschäften mit der Aluminiumrädermarke BBS, sondern sieht ihre zweite Aufgabe in der Entwicklung und dem Vertrieb von Rädern für den Motorsport. Das sind je nach Serie und Anforderung (in Schiltach) gegossene oder geschmiedete Räder, Ein- oder Mehrteiler, aus Aluminium oder Magnesium, manchmal auch Erstausrüstungskleinserien im absoluten Highend-Bereich wie für Bugatti oder den Porsche 918 Spyder, Prototypenräder für Fahrversuche, aber erstaunlicherweise (noch?) nicht für Kleinserien von Fahrzeugveredlern. „Das hat sich irgendwie noch nicht ergeben“, sagt Erich Gissler, „es gab immer irgendeinen Grund, warum es nicht gepasst hat.“

Gepasst hat es aber um so mehr im Motorsport. Angesprochen auf Rallye-Engagements sprudelt es nur so aus Gissler und Gebert heraus – ob Weltmeistertitel, „Dakar“, internationale Serien oder nationale, die Motorsporthistorie von BBS ist lang und üppig. Erfolg an Erfolg reiht sich auch bei Langstreckenrennen und hierbei vor allem Le Mans. Am ehesten in Erinnerung ist die Formel 1, aus der man sich aber völlig zurückgezogen hat. Die 13-Zoll-Räder, die derzeit in der Königsklasse des Motorsports montiert werden, seien auch keine wirkliche Herausforderung mehr, da das Reglement sowohl Material als auch Mindestwandstärke vorschreibt. Ja, wenn denn eine Umstellung auf beispielsweise 18 Zoll eines Tages kommen sollte, ja, dann könne man darüber noch einmal nachdenken. Aktuell stehen beispielsweise Deutsche Tourenwagen Masters, die Porsche-Markenpokale oder die LMP (Le Mans Prototypen) ganz oben auf der Agenda. Das Geschäftsmodell des Unternehmens sei stabil, so Gissler und Gebert, der Plan für das Geschäftsjahr 2015/2016, das noch bis zum 30.6. dauert, sieht eine hohe vierstellige Zahl Räder vor, die die Haslacher Bearbeitungshalle durchlaufen. Die BBS Motorsport GmbH füllt eine Nische aus, die wenigen direkten Wettbewerber kennt man, messen kann man sich mit denen allemal. Mit Großserienherstellern von Aluminiumrädern für die Straße ist man nicht vergleichbar. Und wenn man in der Nische schon alles erreicht hat und Titel um Titel gesammelt hat, wo liegt denn da noch eine Herausforderung? Wenige Sekunden später liegt ein Carbonrad auf dem Tisch, an dem getüftelt wird … detlef.vogt@reifenpresse.de

Equipment „state of the art“ in der Haslacher Räderbearbeitung

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