Zweite „französische Revolution“: Michelin verkauft Reifen jetzt direkt in Europa

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Nachdem Michelin im vergangenen September erstmals einen Blick auf den neuen Pilot Sport 4 gewährte und seine Einführung für diesen Monat ankündigte, meldet der Hersteller nun im Rahmen einer Pressemitteilung Vollzug: die 17 Dimensionen des neuen UHP-Reifens sind jetzt verfügbar. Soweit, so gut. Das besondere daran aber: Zusammen mit dem neuen Reifen startet Michelin – offenbar, ohne darüber öffentlich groß zu berichten – einen weiteren ‚Piloten’. Der Hersteller will den neuen Pilot Sport 4 in Frankreich auch über einen Webshop auf seiner Internetseite Michelin.fr direkt an Endverbraucher vermarkten. Bereits vor einem Jahr hatte Michelin mit dem CrossClimate erstmals einen Ganzjahresreifen eingeführt und damit eine „französische Revolution“ vollzogen. Nun folgt offenbar der zweite Teil der „französischen Revolution“ mit einem „digitalen Werkzeug, außergewöhnlich und einzigartig in Europa“. Was plant der Hersteller?

Michelin will zusammen mit der Einführung seines neuen UHP-Reifens erstmals in seiner Geschichte einen seiner Reifen direkt über einen eigenen Shop auf seiner eigenen Internetseite in Frankreich an Endverbraucher vertreiben. Der Hersteller spricht in diesem Zusammenhang von einem „Pop-up Store“, was den Charakter als europäisches Pilotprojekt für Michelin unterstreicht. Kunden könnten in diesem Store innerhalb von vier Klicks den neuen Pilot Sport 4 erwerben – ein „vereinfachter Verkaufsvorgang“, der den Kunden offenbar „aus Anlass der Markteinführung“ des neuen Reifens geboten werden soll. Der Endverbraucher kann dabei wählen, ob der Reifen zu einem von Michelins Handelspartnern geschickt und dort dann montiert werden soll oder ob der Reifen direkt zum Endverbraucher nach Hause geschickt werden soll.

Dies ist für Michelin und auch für den europäischen Markt in der Tat ein absolutes Novum, das sicher von vielen im ungebundenen Reifenfachhandel bereits seit Längerem befürchtet wurde. Im vergangenen Jahr hatte Goodyear in den USA einen ähnlichen Pilotversuch gestartet. Der Erfolg dort war offensichtlich groß genug, sodass der US-Wettbewerber und drittgrößter Reifenhersteller der Welt das Angebot Ende des Jahres auf die gesamten Vereinigten Staaten ausgeweitet hatte. Der Unterschied zu Michelin jetzt: Goodyear bietet sein gesamtes Sortiment an, Michelin nur den neuen Pilot Sport 4. In den USA experimentieren im Übrigen derzeit auch Michelin und Bridgestone mit ähnlichen Vermarktungskonzepten.

Im vergangenen Jahr hatte Michelin sich im europäischen Onlinereifenhandel mit der Übernahme zweier wichtiger Player hervorgetan: Allopneus in Frankreich und Blackcircles.com in Großbritannien. Und in Deutschland ist Michelin mit dem Onlinereifenhändler Popgom liiert. Neu nun ist indes, dass der französische Hersteller neben diesen Akquisitionen von und Beteiligungen an Mehr-Marken-Händlern jetzt auch Reifen seiner eigenen Marke über seine eigene Internetseite in Frankreich verkaufen will.

Auf Nachfrage der NEUE REIFENZEITUNG wurde vonseiten des Herstellers betont, dass es sich zunächst um ein auf Frankreich beschränktes Pilotprojekt handele. Eine Ausweitung auf andere Märkte sei dabei konkret und kurzfristig wohl nicht geplant. Aber es gehört nicht allzu viel Fantasie dazu, sich ein solches Roll-out europaweit vorzustellen, zumal gerade die führenden Reifenhersteller bereits seit Jahren intensiv darum bemüht sind, die Wege zum Endverbraucher enger zu kontrollieren und somit auch direkter in das B2C-Geschäft einzugreifen. Französische Medien ergänzen in diesem Zusammenhang übrigens, das Pilotprojekt in Frankreich solle Mitte Februar starten und dann drei Monate dauern. Außerdem rechne Michelin in dieser Zeit über den neuen B2C-Kanal mit Absätzen in Höhe von rund 2.000 Reifen, schreibt die Fachzeitschrift „Pneumatique“.

Michelin beschreibt in seiner aktuellen Pressemitteilung zur Einführung des neuen Pilot Sport 4 auch seine Beweggründe für das aktuelle Pilotprojekt. Endverbraucher stellten vor dem Reifenkauf einige zentrale Fragen. Neben den Fragen zum Produkt, zum Preis, zu dessen Verfügbarkeit auch zum Montagezeitpunkt. Wichtigste Frage dabei aber: Wo soll ich den Reifen kaufen und wo montieren lassen? Dabei ist auch Michelin klar, dass ein Großteil der Endverbraucher eine Kaufentscheidung mittlerweile nicht unvorbereitet treffen will. Während sich laut von Michelin vorgelegter Zahlen 80 Prozent der Endverbraucher vor dem Kauf informieren, tun dies 70 Prozent im Internet. Folglich sei es heute „unerlässlich, um den Kunden bis hin zur Montage zufrieden zu stellen“, dass der Verkaufsvorgang vereinfacht werde. Diesem Ziel biete der „Michelin-Pop-up-Store“. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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