Auf der IAA bei Michelin: Mit Jürgen John und Anish K. Taneja im Gespräch

Die NEUE REIFENZEITUNG hatte im Rahmen der Pkw-IAA die Möglichkeit, ein kurzes Interview mit Jürgen John, der als Direktor die Gesamtverantwortung für die Märkte der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) hat und zu den hiesigen Werken Auskunft gab, und mit Anish K. Taneja als DACH-Vertriebsdirektor im Reifenersatzmarkt zu führen.

NEUE REIFENZEITUNG: Herr Taneja, muss ein Reifenhersteller wie Michelin auf der so teuren IAA mit einem Messestand vertreten sein? Verkauft man dadurch auch nur einen Reifen mehr?

ANISH K. TANEJA: Es geht uns hier nicht primär um den Reifenverkauf. Auf der einen Seite kennen wir die Fahrzeuge, die auf dieser Messe ausgestellt werden, sehr gut, viele davon stehen ja auch auf unseren Reifen. Aber wir wollen hier nicht nur unsere engen Beziehungen zu den OEMs zum Ausdruck bringen, sondern suchen auf der anderen Seite das Gespräch mit den Endverbrauchern. Wir wollen beiden – Erstausrüstungskunden und Endverbrauchern – gut zuhören, um zu verstehen, welche Ansprüche sie an unsere Produkte stellen.

NEUE REIFENZEITUNG: Eines dieser Produkte steht im Zentrum des IAA-Auftritts von Michelin: der CrossClimate. Wie lange hält es Michelin durch, den Reifen nicht Ganzjahresreifen zu nennen?

ANISH K. TANEJA (lacht): Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir offensichtlich den Verbrauchern gut zugehört haben. Schließlich haben wir bereits wenige Wochen nach dem Launch des CrossClimate mehr als eine Million Stück davon verkauft. Um aber die Frage konkret zu beantworten: Wir haben uns natürlich die Produkte des Ganzjahresreifensegmentes sehr genau angesehen und deren Leistungsspektrum analysiert. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Was diese Reifen können, das ist nicht das, was wir wollen. Der CrossClimate ist anders positioniert, er hat andere Eigenschaften und bringt dem Verbraucher einen höheren Nutzen, wobei ich den deutlich kürzeren Bremsweg auf trockener Fahrbahn herausheben möchte.

NEUE REIFENZEITUNG: Wenn diese Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen ist, dann wird die Entscheidung gefallen sein, ob Michelin ab 2017 Alleinausrüster der Formel 1 sein wird. Fiebern Sie dieser Entscheidung auch ein wenig entgegen?

ANISH K. TANEJA: Die Formel 1 ist nach wie vor ein Publikumsmagnet und übt eine Faszination aus. Sich um den Zuschlag für diese drei Jahre zu bewerben, ist natürlich eine Konzernentscheidung. Ich kann aber sagen, dass für Michelin Motorsport schon immer eine große Rolle gespielt hat und wir es nach wie vor bedauern, dass wir uns nicht im Wettbewerb mit anderen Herstellern messen können, sollte Michelin ab 2017 die Formel 1 beliefern. Es ist aber nicht nur die Liebe zum Sport, die uns antreibt: Wir wissen, dass der Transfer von der Rennstrecke zur Straße möglich ist; und wir können das!

NEUE REIFENZEITUNG: Reifenhersteller vernachlässigen m. E. gelegentlich ihre Zweit- und Drittmarken. Auch solche Marken aus Ihrem Hause haben sich in den letzten Jahren nicht besonders hervorgetan?

ANISH K. TANEJA: Auch hier geht es darum, den Kunden gut zuzuhören. Wollen Sie eine Marke in einem Preis- oder Produktsegment, die nicht Michelin heißt, so müssen wir darauf eine Antwort geben. Hier auf der IAA haben wir beispielsweise unserer Marke BFGoodrich einen extra Platz eingeräumt: Der neue Offroad-Reifen All-Terrain T/AKO2 schreibt gerade eine großartige Erfolgsstory – ein echter Verkaufsschlager.

NEUE REIFENZEITUNG: Ihre Verkaufsmannschaft ist in den verschiedensten Segmenten mit mehreren Marken unterwegs. „Verkauf aus einer Tasche“ wird das in der Reifenbranche gerne genannt. Klappt das in Ihrem Verkaufsgebiet DACH?

ANISH K. TANEJA: Wir haben beispielsweise im Lkw-Segment mit verschiedenen Marken – angefangen bei unserem Premiumprodukt Michelin über Riken, Kormoran und Taurus bis hin zu Remix und Laurent – im letzten Jahr beste Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht, es ist ein echter Mehrwert entstanden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir diesem Vorbild in anderen Segmenten folgen werden, dann ganz gewiss mit hervorragend ausgebildeten Menschen.

NEUE REIFENZEITUNG: Herr John, in den letzten Wochen hat Michelin in Deutschland mit Investitionen in die hiesigen Werke für sehr erfreuliche Nachrichten gesorgt. Im Wettbewerbsvergleich erscheinen mir die deutschen Reifenwerke aber etwas klein. Kann man da die sogenannten Skaleneffekte erreichen, um profitabel zu sein?

JÜRGEN JOHN: Es gibt sicher eine Untergrenze für die Wirtschaftlichkeit eines Reifenwerkes. Kapazitätsanpassungen sind hier und da auch bereits nötig gewesen. Was unsere deutschen Fabriken anbelangt, so hätten wir diese Millioneninvestitionen gewiss nicht getätigt, wenn wir nicht von deren Wettbewerbsfähigkeit überzeugt wären. Wir sind in Deutschland mit unseren Standorten gut aufgestellt.

NEUE REIFENZEITUNG: In Ländern wie Brasilien oder Indien zieht Michelin allerdings für das Unternehmen ungewöhnlich große Fabriken hoch. Das lässt doch einen gewissen Philosophiewechsel bei deren Größe vermuten.

JÜRGEN JOHN: Nein. Es ist richtig, dass die beiden genannten Fabriken sehr groß dimensioniert sein werden. Aber die Philosophie, die dahinter steht, ist eine andere: Die beiden Reifenwerke werden in sehr großen Märkten errichtet. Und unser Bestreben ist es immer gewesen, dort Reifen zu bauen, wo sie später auch abgesetzt werden sollen. detlef.vogt@reifenpresse.de

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