Autobranche weiterhin besonders investitionsfreudig

Von einem regelrechten „Investitionsfieber“ spricht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH mit Blick auf die Ergebnisse entsprechender Analysen zur Investitionstätigkeit von 16 weltweit führenden Automobilherstellern im Rahmen der VDA-Studie „Automobilstandort Deutschland 2015“. Demnach steigt die Zahl entsprechender Projekte rund neue Fabriken, Design- oder Entwicklungszentren im Zeitraum von 2010 bis 2014 um 56 Prozent von 114 auf 178, während sich der Gesamtwert der Aufwendungen sogar mehr als verdoppelt haben soll von 12,9 Milliarden Euro auf 26,3 Milliarden Euro. „Insgesamt führten die Autohersteller seit 2010 weltweit Investitionsprojekte im Gesamtumfang von 111 Milliarden Euro durch“, so Ernst & Young. Wie es weiter heißt, sei im betreffenden Zeitraum bis 2014 dabei mit 13,6 Milliarden Euro das meiste Geld nach China geflossen, während Deutschland gemessen an der Zahl der Projekte die Liste anführt, bezüglich der in Summe dafür aufgewendeten Mittel mit 8,3 Milliarden Euro hinter eben dem Reich der Mitte, Brasilien (11,2 Milliarden Euro), den USA (zehn Milliarden Euro), Russland (9,9 Milliarden Euro) und Mexiko (neun Milliarden Euro) auf Platz sechs geführt wird.

„Die Schwellenländer sind zwar die wichtigsten Treiber des Wachstums der weltweiten Autobranche – allerdings sind dort die politischen und wirtschaftlichen Risiken auch besonders groß“, kommentiert Peter Fuß, Partner bei Ernst & Young, diese Ergebnisse. Von den sogenannten BRIC-Ländern – Brasilien, Russland, Indien, China – habe sich nur das letztgenannte in den vergangenen Jahren uneingeschränkt positiv entwickelt. Brasilien, Indien und vor allem Russland hätten die hohen in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können. „Vor allem die Krise in Russland hat die Autobranche auf dem falschen Fuß erwischt – gerade dort wurde in den vergangenen Jahren erheblich investiert, und die Hoffnung auf ein starkes Wachstum des russischen Marktes war groß“, so Fuß weiter. Seinen Worten zufolge gehe es für die Unternehmen in Russland mittlerweile eher um Schadensbegrenzung – bis hin zum kompletten Abzug aus dem russischen Markt, wie ihn beispielsweise Opel vor Kurzem angekündigt habe. Angesichts all dessen rückten aktuell die etablierten Industrieländer – allen voran die USA – wieder verstärkt in den Fokus der Autokonzerne, beobachtet Fuß.

 

„Der US-Automarkt hat sich in den vergangenen Jahren zum (nach China) wichtigsten Wachstumsmotor der weltweiten Autobranche entwickelt. Entsprechend massiv investieren die Autokonzerne dort“, sagt er. Knapp 17.000 neue Arbeitsplätze wurden dadurch im betrachteten Zeitraum von 2010 bis 2014 im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geschaffen. Mehr waren es laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nur in China (29.400), Brasilien (fast 17.800) und nicht zuletzt Deutschland (20.900). „Angesichts des Absatz- und Investitionsbooms in China und der guten Entwicklung des nordamerikanischen Markts wird vielfach übersehen, dass Deutschland nach wie vor zu den Topinvestitionszielen der Autobranche zählt“, meint Fuß. Demnach handelte es sich bei den in Deutschland durchgeführten Investitionsprojekten in 46 Prozent der Fälle um Investitionen in die Schaffung oder Modernisierung von Produktionskapazitäten, 14 Prozent waren Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung – jeweils sieben Prozent wurden in den Bereichen Logistik und Verwaltung getätigt.

Dabei ist Fuß optimistisch, dass auch in den kommenden Jahren erhebliche Summen in Deutschland investiert werden. Dabei werde es allerdings – anders als etwa in den asiatischen Wachstumsmärkten – nicht um Neuinvestitionen gehen, sondern um die Modernisierung und Erweiterung bestehender Fertigungsstätten, so die Erwartung. „Neue Autofabriken werden in den kommenden Jahren in Westeuropa und Deutschland wohl nicht gebaut – hierzulande geht es eher darum, die bestehenden Fertigungsstätten wettbewerbsfähig zu halten, beispielsweise durch Investitionen in eine stärkere Automatisierung und Digitalisierung der Produktion“, erklärt Fuß. Trotz einer mehrjährigen Absatzschwäche in Europa und obwohl das Hauptgeschäft längst woanders erzielt werde, habe sich der Automobilstandort Deutschland in den vergangenen Jahren dennoch sehr positiv entwickelt, heißt es weiter. Festgemacht wird diese Sicht der Dinge an der in den letzten zehn Jahren um fünf Prozent gestiegenen Pkw-Produktion hierzulande, während sie gleichzeitig etwa in Italien um 45 Prozent und in Frankreich sogar um 51 Prozent einbrach. Positiv gewertet werden darüber hinaus die seit 2006 um sechs Prozent gestiegene Beschäftigung in der deutschen Autobranche oder das parallel dazu registrierte 26-prozentige Umsatzplus.

 

„Die vielfach prognostizierte Abwanderungswelle aus Deutschland fand nicht statt. Der Automobilstandort Deutschland hat keineswegs an Bedeutung verloren – er ist aktuell so stark wie selten zuvor, was vor allem an der guten Entwicklung der deutschen Autohersteller liegt, die ihren weltweiten Marktanteil in den vergangenen zehn Jahren von 17,4 auf 19,3 Prozent erhöhen konnten“, sagt Fuß. Im Ranking der größten Produktionsstandorte der Welt belegte Deutschland mit 5,6 Millionen produzierten Pkw im Jahr 2014 demzufolge den vierten Platz – hinter China, den USA und Japan. Im Zehnjahresvergleich habe Deutschland damit bzw. durch den Aufstieg Chinas als Produktionsstandort zwar einen Platz verloren, seine Position als einer der führenden Produktionsstandorte der Welt vor dem Hintergrund insbesondere einer steigenden Auslandsnachfrage in Asien und den USA aber dennoch weitestgehend verteidigen können in den vergangenen Jahren. Zumal trotz zunehmender Lokalisierung ausländische Märkte immer noch zu einem erheblichen Teil aus Deutschland heraus beliefert werden.

Der Wert der Exporte deutscher Automobile und Autoteile nach China soll im Zeitraum 2008 bis 2014 zum Beispiel um fast 300 Prozent zugelegt haben, die Exporte nach Südkorea um 280 Prozent, die nach Japan um 80 Prozent und die in Richtung USA immerhin noch um 46 Prozent. Laut der Untersuchung von Ernst & Young ist China heute der drittgrößte Exportmarkt der deutschen Autoindustrie – nach den USA und Großbritannien. „Eine wichtige Basis des Erfolgs der deutschen Automobilindustrie ist die starke Positionierung deutscher Automobilhersteller im margen- und wachstumsstarken Premiumsegment. Die deutschen Hersteller profitieren dabei erheblich vom nach wie vor weltweit hoch angesehenen Markenzeichen ‚Made in Germany‘“, betont Fuß unter Verweis darauf, dass ausländische Automobilmanager selbst in Sachen Produktionskosten Deutschland bessere Noten geben als den übrigen großen Automobilstandorten. Und das, obwohl doch die Arbeitskosten hierzulande als sehr hoch im internationalen Vergleich beschrieben werden. „Das positive Urteil des Auslands dürfte also vor allem als Anerkennung für die massiven Effizienzbemühungen der deutschen Automobilhersteller zu werten sein, die es schaffen, überaus profitabel zu wirtschaften, obwohl sie immer noch fast 40 Prozent ihrer Fahrzeuge am Hochlohnstandort Deutschland produzieren“, glaubt Fuß. cm

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