Vergiftetes Lob: Runderneuerte Reifen „müssen nicht schlecht sein“

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Durch die Medien geistert derzeit ein Beitrag, der sich ganz intensiv dem Thema runderneuerter Reifen widmet. Dabei wird zunächst erklärt, was sogenannte „Recyclingreifen“ überhaupt sind bzw. wie sie hergestellt werden, um dann der Frage nachzugehen, wie die Qualitäten runderneuerter Reifen im Vergleich zu neuen einzuordnen sind. „Runderneuerte müssen nicht schlecht sein“ ist eine der Kernaussagen des beispielsweise bei T-Online erschienen Artikels, die grundsätzlich erst einmal positive Assoziationen weckt, zugleich bei so manchem Leser jedoch unmittelbar die Frage nach einem Aber aufkommen lassen dürfte.

In der Tat scheint der Grundtenor des Artikels eher dazu geeignet, bei Verbrauchern „keinen guten Ruf“ Runderneuerter zu manifestieren ungeachtet ihrer im Hinblick auf Umweltaspekte unbestreitbaren Vorteile. Zumal bei einer den Text begleitenden Onlineumfrage zum Stand 23. März lediglich knapp 30 Prozent der bis dahin gut 700 Teilnehmer runderneuerte Reifen für „eine runde Sache“ halten, sich aber gleichzeitig etwa 67 Prozent nicht von dem Konzept überzeugt zeigen – „Keine Ahnung, um Reifen kümmert sich meine Werkstatt“, antworteten die restlichen drei Prozent auf die Frage danach, was sie von „Recyclingreifen“ halten.

Zu diesem Meinungsbild könnten möglicherweise nicht zuletzt Aussagen von Thomas Caasmann von der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) beigetragen haben. Er verweist zwar darauf, dass runderneuerte Reifen gesetzlichen Vorgaben unterliegen und einen international gültigen Mindeststandard erfüllen müssen [ECE-R 108/109, d. Red.]. Aber wie er weiter erklärt, sei „zum Beispiel nicht ersichtlich, wie es um die Karkasse unter dem aufbereiteten Gummi bestellt ist“. Man könne nicht sagen, was man für eine Karkasse bekomme und wie viele Kilometer und Bordsteinkanten diese schon auf dem Buckel habe, führt er „das Problem mit der Karkasse“ weiter aus.

„Mit vier runderneuerten Reifen können theoretisch vier unterschiedliche Karkassen von vier Herstellern an einem Auto montiert werden“, wird der GTÜ-Mann in diesem Zusammenhang zitiert und auf ein sich änderndes Fahrverhalten des Wagens aufgrund der unterschiedlichen Steifigkeiten der Karkassen als mögliche Folge hingewiesen. Und selbst wenn laut GTÜ runderneuerte Reifen bei Kfz-Hauptuntersuchungen hinsichtlich Mängeln „nicht auffälliger als Neureifen“ sind, so müssten Verbraucher – heißt es weiter – bei aufbereiteten Gummis dennoch irgendwo Abstriche machen gegenüber aktuellen und fabrikneuen Premiumpneus, die schnell mal die Hälfte mehr kosten.

„Im Grenzbereich werden runderneuerte Reifen nie deren Qualitäten hinsichtlich Kurvengeschwindigkeit, Brems-, Anfahr- und Aquaplaningverhalten erreichen“, erläutert Caasmann den GTÜ-Standpunkt, während Alexander Ahrens, Berater beim Verkehrsclub Deutschland (VCD), es als Manko empfindet, dass Runderneuerte bislang noch kein EU-Reifenlabel tragen müssen. Dem Verbraucher würden daher Informationen zu den Nasshaftungseigenschaften, Abrollgeräuschen und Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch vorenthalten. „Die sind deshalb höchstens etwas für Leute, die sehr wenig fahren“, attestiert Ahrens Runderneuerten dem Bericht zufolge zugleich „Schwächen bei der Fahrsicherheit“, ohne dies freilich näher zu erläutern.

Demgegenüber bricht Caasmann eine Lanze für Runderneuerte, wenn Verbrauchern kein allzu großes Budget für den Reifenkauf zur Verfügung stehe. „Wenn es schon Autoreifen im untersten Preisbereich sein sollen oder müssen, greifen Sie lieber zu runderneuerten Modellen nach ECE-Vorgaben von Qualitätsbetrieben als zu billigen No-Name-Produkten aus Asien“, rät er. Einen weiteren Spartipp hat GTÜ-Sprecher Jürgen Götz auf Lager, indem er Autofahrern empfiehlt, im Falle eines Falles im Reifenfachhandel nach zwei oder drei Jahre alten Modellen aus Restbeständen zu fragen. „Auf die alte Ware, die ja nicht schlecht ist, geben die Händler oft hohe Rabatte“, so seine Erfahrung. In Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis fahre man so mit etwas Glück besser als mit runderneuerten Gummis.

Angesichts all dessen ist es also kein Wunder, warum zumindest runderneuerte Pkw-Reifen kaum noch eine Rolle im Markt spielen. Demgegenüber erfreuen sich Runderneuerte in Bereichen wie etwa dem Geschäft mit Lkw-Reifen weiterhin einer recht hohen Beliebtheit, weil hier wohl eher sachliche Argumente im Vordergrund stehen. Schließlich gibt der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk e.V. (BRV) die Runderneuerungsquote im Hinblick auf Lkw-Reifen für 2014 in Deutschland mit immerhin rund 35 Prozent an. christian.marx@reifenpresse.de

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