MLX-Partnertreffen 2015: „Gemeinsam in einem Boot“

So besonders kreativ sei der Slogan „Gemeinsam in einem Boot“ vielleicht nicht, räumt der Geschäftsführer der MLX Marketing- und Systementwicklungs GmbH & Co. KG (Andernach) Heinz-Werner Knörnschild zur Begrüßung des diesjährigen MLX-Partnertreffens in Mainz am Rhein ein – und blickt auf die Überschriften, unter die andere Handelsgruppen ihre Treffen in diesem Frühjahr gestellt haben. Deren Mottos freilich wirken auch irgendwie diffus nichtssagend. Immerhin: MLX hat das Eventformat geändert (Knörnschild: „Wir wollten einfach mal was anderes machen.“), die Tagung fand auf einem Rheinschiff statt. So war denn der diesjährige MLX-Slogan nicht nur ganz allgemein irgendwie passend, sondern die Partner aus den Reifenhandels- und Kfz-Betrieben, Vertreter von MLX-Kernmarken, Repräsentanten des Systemproviders Meyer Lissendorf, Gäste wie die BRV-Spitze und nicht zuletzt die Mitarbeiter der Andernacher Systemzentrale fanden sich ja auch ganz konkret auf einem Boot zusammen.

„Good news“ in dieser Branche seien rar geworden, spricht „HWK“ gewiss auch den beiden Verbandsvertretern Peter Hülzer und Hans-Jürgen Drechsler aus der Seele, die im direkten Gespräch mit dieser Fachzeitschrift auch nicht von einer irgendwie positiv gearteten Stimmung im Reifenfachhandel berichten können. Dabei: Der Wettergott hatte es Mitte März mit frühlingshaften Temperaturen und strahlendem Sonnenschein gut gemeint mit der MLX-Veranstaltung und weckte unwillkürlich den Gedanken an das bevorstehende Umrüstgeschäft Winter- auf Sommerreifen.

MLX-Geschäftsführer Heinz-Werner Knörnschild eröffnete die diesjährige MLX-Tagung

MLX-Geschäftsführer Heinz-Werner Knörnschild eröffnete die diesjährige MLX-Tagung

Heinz-Werner Knörnschild (64) ist ein langjährig erfahrener Reifenmanager, der darauf hinweist, in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten schon so manches Tief im Reifenhandel erlebt, aber dabei immer die Gewissheit gehabt zu haben, dass darauf auch stets Hochs folgen. Diese Überzeugung ist geschwunden. Dabei feierten die Produzenten eine Ergebnisparty nach der anderen, nur im Handel: „Da ist Schmalhans Küchenmeister.“ Wenn er sich etwas wünschen dürfte, so wäre dies eine Preiserhöhung über alle Märkte hinweg von zehn Prozent bei Pkw-Winterreifen.

Aber die Wirtschaft ist kein Wunschkonzert. Die Autohäuser gerade der deutschen Hersteller VW, BMW und Daimler sind zu großen – und oftmals den Reifenspezialisten sogar überlegenen – Spielern im Reifenhandel geworden. Dagegen gibt es nur ein Rezept: ein Höchstmaß an Professionalität. Die aber erreicht man nur mit Investitionen. Der Branche aber fehlen, so der MLX-Geschäftsführer, die nötigen Selbstheilungskräfte, um zum Beispiel hinsichtlich Marketing zu investieren. (Wo waren eigentlich die Werbekampagnen des Reifenfachhandels im Herbst 2014 und wo sind sie im Frühjahr 2015?, d. Red.)

Eine Trendumkehr in Richtung Offlinevermarktung wird es nicht geben, weiß auch Heinz-Werner Knörnschild. Die intelligente Verknüpfung von on- und offline, von digitaler Reifenvermarktung und stationärer Reifenwerkstatt ist das Gebot der Stunde. „Handel ist Wandel“ ist so ein kluger Spruch, der seit Jahrzehnten durch die Märkte und auch die mit Reifen wabert. Den Händlern brechen Warenumsätze weg, sie werden immer mehr zu dem, was sie ja eigentlich auch immer waren: Dienstleister.

In eigener Sache gab es denn auch Erfreuliches. 1998 als Kooperation aus der Taufe gehoben, wurden dieses Mal immerhin zwanzig „15-jährige Partner“ geehrt. Gewiss: Manches bekannte (und auch Umsatz gewährleistende) Gesicht fehlte auf dem Boot, weil es in den letzten zwölf Monaten zum Beispiel Unterschlupf unter dem Dach einer industrienahen Organisation gefunden hat. Dafür konnte der Manager Business Development in der MLX-Systemzentrale Rainer Baßler aber für 2014 von 31 und für 2015 von bereits fünf neuen Partnern berichten.

Konnte neue MLX-Mitglieder begrüßen und Jubilare auszeichnen: Rainer Baßler, Manager Business Development in der MLX-Systemzentrale

Konnte neue MLX-Mitglieder begrüßen und Jubilare auszeichnen: Rainer Baßler, Manager Business Development in der MLX-Systemzentrale

Im Sinne der Verknüpfung von on- und offline hat MLX die Zusammenarbeit mit „ypsystems“ (your professional solution) gesucht, um die Buchung des Werkstatttermins bzw. die Bühnenplanung zu professionalisieren und in der digitalen Welt zu verankern. Weil es hinsichtlich Schulung bei MLX in den letzten Jahren ein wenig an Nachdruck gefehlt hat – bekennt Baßler freimütig –, soll es ein gemeinsam mit Michelin entwickeltes Schulungskonzept künftig richten. Die Frühjahrskampagne steht an, nicht zuletzt soll die „MLX Garantie“ den Partnern in Fleisch und Blut übergehen: „Kompakte Beratung, Überzeugende Qualität, Ehrlicher Service“.

Bei Meyer Lissendorf freut man sich besonders über die 59 Partner, die das Programm „MLX aktiv“ verkörpern, haben sie doch die Mengen mit den Reifenkernmarken des Grossisten um 39 Prozent gesteigert, berichtet Helmut Mayer, Vertriebsleiter bei Meyer Lissendorf. Und Mayer ermuntert die anwesenden Partner, es den 37 Händlern gleichzutun, die den „B2C-Online-Endverbraucherwebshop“ bereits nutzen, der ja für die regionalen Kunden des MLX-Partners eigens entwickelt worden ist.

Helmut Mayer, Vertriebsleiter beim Systemprovider Meyer Lissendorf

Helmut Mayer, Vertriebsleiter beim Systemprovider Meyer Lissendorf

Während von den „Lagermarken Continental, Bridgestone und Dunlop“ nicht die gesamten Sortimente permanent abgedeckt werden, bietet das große Lager in der Eifel die Programme der Kern-/MLX-Aktivmarken im Premiumsegment Michelin und Hankook, im Economy-Bereich Nokian und Kleber sowie die Hausmarke Rotex als Budget- und Taurus im Low-Budget-Segment vollumfänglich. Wer die Marke Infinity vermisst: Diese Partnerschaft ist laut Mayer beendet worden. Ausgeweitet wird nicht nur das Rotex-Sortiment, hinzuweisen ist auch darauf, dass die zu Michelin gehörende Marke Taurus jetzt auch bei SUV-Sommerreifen für nahezu alle Modelle zu einer Alternative geworden ist. Und bei den etwa zwei Dutzend Rädermarken, die Meyer Lissendorf im Portfolio hat, achtet man einerseits darauf, dass Designkannibalisierungen unterbleiben und dem Volumentrend hin zum Wintergeschäft Rechnung getragen wird.

Die Kernmarken kommen zu Worte

Die Angebote des Systemproviders Meyer Lissendorf und der MLX-Systemzentrale leben von den Kernmarken beider. Diese leisteten in den letzten Jahren immer ihren Beitrag zum Gelingen des Partnertreffens in Form eines Auftrittes auf einer jeweiligen MLX-Industriemesse. Das ist freilich auf einem Rheinschiff nicht möglich. Also hatten sie die Möglichkeit, sich bzw. ihre Unternehmen respektive deren neueste Produkte in prägnanten Kurzvorträgen zu präsentieren.

Und so erfuhren die MLX-Partner Neues aus dem Hause ihres langjährigen Reifenpartners Hankook, lernten die neuen Räder aus der Alcar-Markenpalette kennen, freuten sich, dass die Premiumrädermarke BBS wieder Fuß gefasst hat, lernten, dass die Marken Brock und RC des Rad Centers Derkum allesamt „made in Europe“ sind, hörten der Jahreszeit entsprechend, dass Nokian jetzt auch bei Sommerreifen immer stärker wird (Anm. d. Red.: Der finnische Winterreifenspezialist hat mehr Testsiege in den letzten Jahren bei Sommerreifen einheimsen können als bei Winterreifen!), erfuhren, dass OZ Rennsportpartner ist und über Rennsporttechnologien verfügt, und sie erlebten („fast“) eine Weltpremiere. Denn Michelin hatte den Sommerreifen CrossClimate, den man auch im Winter fahren kann, im Gepäck. Diesen ungewöhnlichen Reifen hatte Michelins Konzernchef Jean-Dominique Senard erst wenige Tage zuvor erstmalig der Weltöffentlichkeit präsentiert (siehe NEUE REIFENZEITUNG 3/2015). Und Michelin nutzte als Kernlieferant das Treffen mit den Reifenhändlern, ein Pricing-Konzept zur Einführung des CrossClimate vorzustellen, das als innovativ angekündigt wird und in dieser Form jedenfalls einmalig und ein Versuch, den es genau zu beachten allemal wert ist. Den drei Vermarktungskanälen Popgom, Euromaster und Reifen Ihle (Baden-Baden) könne, weil sie hundertprozentige Tochtergesellschaften seien, totale Preisdisziplin in Form eines Festpreises verordnet werden. Wird dieses Festpreissystem durchgehalten, sieht Michelin dies und wäre auch gewiss ein Beitrag zur Preisstabilität im Markt – und damit auch zur Profitabilität im Handel, wie Wolfgang Weyand, Verkaufsleiter Reifenhandel bei Michelin, nicht versäumt zu erwähnen.

Wie sagt man es Betroffenen?

Solcherlei Tagungen und natürlich auch – trotz des Anspruches, diese einmal etwas anders gestalten zu wollen – das diesjährige MLX-Partnertreffen haben auch immer einen zumeist launig vortragenden Gastreferenten. Der hieß in diesem Jahr Dr. Kai Hudetz und hatte seinen Beitrag unter den Titel „Der Reifenhandel im digitalen Zeitalter – Chancen und Herausforderungen“ gestellt. Ein Thema, mit dem er sich auskennt, nicht nur weil er frühzeitig und im Auftrage des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk mit der Branche vertraut geworden ist, sondern weil sein Vortragsthema als Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung GmbH mit Sitz in Köln Inhalt seines täglichen Forschens ist.

Die Problematik seines Vortrages: Hudetz musste seinen Zuhörern die Erkenntnis zumuten, dass etwa 70 Prozent von ihnen bereits in fünf Jahren so jedenfalls nicht mehr am Markt teilnehmen werden wie sie dies heute tun. Und wer hört das schon gerne? Um es vorwegzunehmen: Kai Hudetz wurde dennoch nicht ausgebuht, vielleicht weil er Inhalte durchaus humorig zu verpacken weiß, vielleicht auch, weil er Auswege aufzeigt, eventuell zu den 30 Prozent zu gehören, die „überleben“.

Allerdings: Wer jetzt nicht auf den Zug der Digitalisierung aufspringt und wer dies nicht mit der gebotenen Hingabe macht, für den wird die Alternative, sich entweder neu zu erfinden oder aus dem Markt herauskatapultiert zu werden („Re-Invent or Die“), ein böses Ende haben. Da ist es wenig tröstlich zu hören, dass auch 90 Prozent der reinen Online-Händler nicht überleben werden.

Wenn von starken Marken die Rede ist, die den Markt beherrschen, dann denken wir als Branchenteilnehmer reflexartig sofort an die bekannten großen Reifenhersteller. Aber in seinem lokalen Markt kann auch ein Händler sehr wohl eine starke Marke sein. Ja, der traditionelle Handelskäufer stirbt aus. Aber das stationäre Geschäft wird nicht aussterben, was der Handelsexperte mit dem in den USA bereits geläufigen Kürzel ROPO beschreibt: Research Online, Purchase Offline. Der Kunde will sich online informieren, aber er wird weiterhin offline kaufen wollen. Der Endverbraucher will durchaus den Kontakt zum Vermarkter. Vielleicht, Heinz-Werner Knörnschild, folgt auch dem aktuellen Tief wieder ein Hoch. detlef.vogt@reifenpresse.de

Besucher der diesjährigen MLX-Partnertagung auf einem Rheinschiff

Besucher der diesjährigen MLX-Partnertagung auf einem Rheinschiff

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