Toyos Neuorganisation in Europa soll fokussierterer Marktbearbeitung dienen

Die Toyo Tire Deutschland (TTD) ist zum 1. Mai vom japanischen Reifenhersteller aus der Europa-Organisation heraus„geschält“ worden. Unter anderem war das eine Aufgabe des Anfang des Jahres an den Standort Willich berufenen und inzwischen übrigens vom Mutterkonzern wieder nach Japan zurückbeorderten Präsidenten der Toyo Tire Europe (TTE) Naoki Gonsui (49). Grund genug, mit dem japanischen Manager und dem zum Vice President Technik aufgerückten Wilhelm Höppner (60) das Gespräch zu suchen. Beiden gehen die Kürzel TTD und TTE bereits so leicht über die Lippen, als sei es nie anders gewesen.

In Willich befinden sich TTE und TTD unter dem gleichen Dach, aber die klare Trennung ist vollzogen. Bei der Toyo Tire Europe GmbH arbeiten aktuell etwa dreißig Personen, bei der Vertriebsgesellschaft Toyo Tire Deutschland GmbH sind es derzeit exakt 17. Gonsui, seit mehr als einem Vierteljahrhundert im japanischen Konzern Toyo Tire & Rubber Co., Ltd. (Osaka), begründet die organisatorische Neuordnung mit dem Ziel, fokussierter arbeiten zu wollen. Und das gelte sowohl für das Europa- wie für das Deutschland-Team.

Die Europa-Zentrale von Toyo Tires in Willich

Die Europa-Zentrale von Toyo Tires in Willich

Gonsui fungiert als Präsident für die TTE wie für die TTD. Für die Verkaufsaktivitäten der Toyo Tire Deutschland GmbH ist als Verkaufsdirektor Michael Zirnzak (53) zuständig, Verkaufsleiter Deutschland ist Marco Stezelow. Was auf den ersten Blick banal klingt, ergibt bei genauerem Hinsehen Sinn: „Die TTD soll sich völlig auf den Verkauf von Reifen konzentrieren“, sagt der zum Jahreswechsel nach Deutschland gewechselte Toyo-Manager, nachdem er bereits ein Jahr lang Erfahrung im britischen Reifengeschäft gesammelt und als Präsident die Toyo Tire (U.K.) Ltd. geführt hatte.

Gut jeder vierte Pkw-Reifen, den Toyo hierzulande vermarktet, sei dem UHP-Segment zuzurechnen, das beim Unternehmen ab 17 Zoll beginnt, so Höppner. Damit ist Toyo in diesem Segment überproportional gut vertreten und könne sich vom Selbstverständnis her als UHP-Marke verstehen. Mehr als jeder zweite im deutschen Ersatzmarkt verkaufte Toyo-Reifen ist ein echter Winterreifen. Dieser Anteil könnte sich noch erhöhen, wenn der UHP-Winterreifen, der noch in der Entwicklung ist, eingeführt wird. Ganzjahresreifen nehmen mit etwa fünf Prozent aller hierzulande verkauften Reifen bislang nur einen relativ geringen Anteil ein, aber Höppner beobachtet mit Interesse, dass sich auch Premiumautomobilhersteller mit dieser Reifengattung intensiv auseinandersetzen.

In der Vergangenheit war so mancher der Mitarbeiter in Willich, die ja alle bei der Toyo Tire Europe GmbH angestellt waren, auch ein wenig mit anderen Aufgaben beschäftigt, erklärt der seit Januar als „Vice President – Technical Research & Development“ für TTE fungierende Höppner, der ja selbst auch im deutschen Reifenmarkt für so manchen Händler „das Gesicht Toyos“ ist. Das war natürlich auch der vergangenen Organisationsstruktur geschuldet, bei der die Trennungslinien zwischen europäischen und deutschen Aufgaben nicht klar genug gezogen waren. Und obendrein kann die Organisation getrost als „lean“ bezeichnet werden. Je weniger Mitarbeiter, desto häufiger sind die Situationen, dass man auch Aufgaben eines Kollegen wahrnimmt. Wer kennt das nicht aus seinem Arbeitsalltag?

Während sich Zirnzak, Stezelow und Co. künftig auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, kommen auf die Europa-Mannschaft mit Gonsui und vier Vice Presidents – unter denen Höppner der erste und einzige Nicht-Japaner ist – typische Aufgaben einer Holding zu, die der 49-Jährige „Support-Funktionen“ nennt. In diesem Rahmen werden dann die Verkaufsmannschaften in Deutschland und in den anderen europäischen Schwestervertriebsgesellschaften vom Ballast etwaiger mit dem eigentlichen Verkauf nicht in Zusammenhang stehender Arbeiten befreit. Für die Gründung weiterer Vertriebsgesellschaften in bedeutenden nationalen Märkten wie beispielsweise Spanien, Frankreich oder Skandinavien sieht Naoki Gonsui übrigens keinen akuten Handlungsbedarf, weil man in den anderen europäischen Reifenmärkten langjährig bewährte Distributeure bzw. Strukturen habe.

Noch einschneidender als für die TTD-Mitarbeiter werden die Veränderungen für die TTE-Kollegen sein. Auf die warten Aufgaben für die europäischen Vertriebsgesellschaften in Bereichen wie Administration, Marketing, IT, Distribution oder Pricing, von „Aufbauarbeit“ spricht Gonsui, der mehr als zwei Jahrzehnte für seinen Konzern in reifenfernen Sparten gearbeitet hat. Es gelte, noch leistungsfähiger zu werden, zum Beispiel sei im Bereich IT noch Optimierungspotenzial. Da klingt schon recht deutlich durch, dass der neue Europachef einerseits fordernd ist, bei Bedarf aber auch nicht ausschließt, in weiteres Personal investieren zu wollen. Eine verantwortliche ordnende Hand sei schließlich beispielsweise beim Pricing erforderlich, es müsse gewährleistet sein, dass für die Kollegen die Reifenverkaufspreise im Norden Europas und jene im Süden aufeinander abgestimmt seien, sprich im Normalfalle nicht voneinander abweichen, ergänzt Höppner, der sich gleichwohl darüber freut, sich künftig völlig auf sein Aufgabengebiet konzentrieren zu können, wozu vor allem auch das Erstausrüstungsgeschäft gehört.

Da war Toyo in Europa im Verlaufe der letzten Jahre vor allem bei sehr anspruchsvollen Projekten für die Automobilmarke Audi (beispielhaft seien S6 und S6 genannt) sehr erfolgreich, übrigens nicht nur hinsichtlich der Bereifung am Band, sondern auch mit Winterreifenfreigaben, so in 17 Zoll für den A3. Wenn die Nachfolgegeneration beispielsweise vom Q7 ansteht, wird Toyo wieder, besser weiter mitmischen als Hecht im Karpfenteich der Premiumreifenmarken. Das hat Begehrlichkeiten auch aufseiten anderer Automobilmarken geweckt, speziell im Volkswagen-Konzern. „Es spricht sich in solch einer Organisation wie Volkswagen natürlich herum, wenn die Kollegen in der japanischen Reifenentwicklung einen guten Job gemacht haben.“ Einerseits schmeichelt es natürlich, von Premiumautomarken um Reifenentwicklung ersucht zu werden, andererseits hat Toyo da so etwas wie ein „Luxusproblem“. An den Fertigungskapazitäten weltweit – aktuell zwischen 40 und 45 Millionen Pkw-Reifen jährlich – mangelt es weniger, aber an der Manpower in der Toyo-Entwicklungsabteilung.

Der Konzern hat seine eigene Strategie

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Die Abteilung F&E ist nämlich wahrlich gut ausgelastet, im Heimatland Japan ist Toyo Erstausrüstungslieferant für Toyota, Nissan, Mazda, Suzuki oder Honda, aber auch bei deren „Transplants“ in Nordamerika, wo Toyo ja gerade seine Produktionskapazitäten hochfährt. Da ergeben sich dann auch schon mal Gespräche mit den „Big Three“ in Nordamerika (General Motors, Ford, Chrysler), verrät Gonsui, spruchreif ist aber noch nichts.

Der Konzern Toyo Tire & Rubber generiert knapp 80 Prozent seines Umsatzes mit Reifen, die weitere Diversifikation in die Bereiche Automotive, Chemicals und Industrial werde man aber sicherlich weiter pflegen, glaubt Gonsui, der im Konzern selbst seine meisten Berufsjahre außerhalb der Reifensparte zugebracht hat. „Beispielsweise finden sich im berühmten japanischen Schnellzug Shinkansen Komponenten, die von Toyo geliefert worden sind und die zu meinem damaligen Tätigkeitsbereich gehörten.“ Aber „Tire“ sei das Herz des Unternehmens, das etwa die Hälfte seines Umsatzes in Japan bestreitet, ein Drittel in den Vereinigten Staaten, der Europa-Anteil lag im vergangenen Jahr bei 6,4 Prozent. Was Profitabilität anbelangt, könne man zwar nicht an das USA-Geschäft heranreichen, aber die Europa-Gewinne seien durchaus auf dem gleichen Niveau wie in Japan.

Toyo entwickle sich weiter, gehe seinen eigenen Weg, so Naoki Gonsui konfrontiert mit dem globalen Ranking der Reifenhersteller vor einem Vierteljahrhundert und heute. Ja, Toyo habe in den vergangenen Jahren so manchen Mitbewerber beispielsweise aus China oder Indien bezogen auf Umsatzvolumen an sich vorbeiziehen lassen müssen, sodass man eben in der Tabelle nicht mehr einstellig sei. Es sei aber auch ziemlich egal, ob Toyo nun aktuell unter den größten Reifenherstellern der Welt Platz 14 oder 16 einnehme, es sei wichtig, dass man profitabel arbeite, sich kontinuierlich weiterentwickle und vorankomme, ohne immer auf die anderen zu schielen. Die verkaufen ihre Kapazitäten, vom puren Umsatz jedenfalls lebe Toyo nicht und das würde auch nicht in die Unternehmensphilosophie passen. Die Aktionärsstruktur ist seit Jahren sehr stabil: Japanische Banken (so Japan Trustee Services), japanische Großkonzerne (so Mitsubishi Corporation), japanische Kunden (so Toyota), ja selbst ein direkter japanischer Mitbewerber (Bridgestone) sind Ankeraktionäre und Garanten dafür, dass der Konzern auf seinem Weg weiter schreiten kann. Manchmal entwickeln sich die Dinge zwar anders als geplant, so war 2008 beim Aktientausch mit Bridgestone angedacht, dass man nach Bedarf jeweils in Fabriken des anderen Reifen produzieren könne, wenn es regionale Gegebenheiten opportun erscheinen ließen. Daraus wurde nichts, bekanntlich kam die weltweite Finanz- und wenig später Wirtschaftskrise dazwischen. „Beispielsweise im Bereich Logistik aber funktioniert die Allianz mit Bridgestone für uns als kleineren Anbieter aus der Gruppe der „Tier 2“ aber sehr gut“, sagt der TTE-Präsident. Wenn sich künftig weitere Felder der Zusammenarbeit ergeben sollten, die bislang zwar noch nicht erschlossen wurden, die aber für beide Seiten Nutzen verheißen, dann wird man gewiss davon ausgehen können, dass das angepackt wird.

Geografische Defizite bei der Produktion werden unumwunden eingeräumt. So werden in Südamerika keine Toyo-Reifen gefertigt, aber vor allem für Europa beklagt Gonsui diesen „Nachteil“ gegenüber einigen Reifenkonkurrenten, die in der gleichen Liga wie Toyo spielen. Dann würde man sich in der Erstausrüstung wohl auch etwas weniger auf imagefördernde Nischenmodelle fokussieren und statt dessen auch intensiver um Volumenmodelle kümmern, für die ein Reifenwerk in relativer Nähe schon opportun wäre. Aber das sind lauter Konjunktive, TTE und TTD müssen mit dem auskommen, was ihnen der Mutterkonzern bietet.

Im Zusammenhang mit dem bei der Toyo Tire & Rubber erfolgenden sukzessiven Ausbau der Produktionskapazitäten – Projekte laufen in dieser Hinsicht derzeit in den USA, in China und Malaysia – verweist Wilhelm Höppner darauf, dass sich für die Europäer in den letzten Monaten der Anteil von Japan- hin zu Malaysia-Fertigung verschoben hat. In dem neuen Malaysia-Werk, dessen Hochlauf noch einige Monate in Anspruch nehmen wird, stellt Toyo Pkw- und SUV-/LLkw-Reifen her, die in jeder Hinsicht denen aus den beiden Werken im Heimatland (Sendai und Kuwana) entsprechen. Während dieses Malaysia-Werk brandneu ist, gehört dem Konzern auch die direkt daneben gelegene und im Jahre 2010 übernommene Silverstone-Fabrik, aus der aber eben keine Toyo-Reifen gen Europa exportiert werden.

Die naheliegende Frage, ob er sich vorstellen könne, eine zweite Konzernmarke – etwa Silverstone unterhalb von Toyo positioniert – in Europa einzuführen, beantwortet Gonsui mit einem glasklaren „nein“. „Und auch unsere in den USA so erfolgreiche Nischenmarke Nitto ist für Europa nicht vorgesehen“, ergänzt Höppner. „Das US-Modell lässt sich nicht auf Europa übertragen.“

Die Marke Toyo ist hierzulande noch im Markt bekannt im Bereich Lkw-/Busreifen, allerdings engagieren sich nur noch relativ wenige Händler in diesem Segment. „Auch bei dieser Produktgruppe stehen die limitierten Entwicklungsmöglichkeiten einer Weiterentwicklung unserer Produkte für europäische Verhältnisse entgegen“, so Höppner mit Bedauern, denn gerade die Karkassqualitäten haben bei Lkw-Reifenvermarktern und den Runderneuerern beste Reputation genossen.

Aber es gehört wohl zum Toyo-Weg dazu, dass sich das Unternehmen auf das Segment fokussiert – vielleicht aufgrund der limitierten personellen Ressourcen auch fokussieren muss –, in dem es bereits stark ist: Pkw-/SUV-/LLkw-Reifen, und da insbesondere im Ultra-High-Performance-Bereich. Davon zeugt nicht nur der von Premiumautomobilherstellern genannte Zuspruch, sondern auch der hiesige Markterfolg: Der Proxes T1 Sport ist nach wie vor das erfolgreichste Produkt innerhalb der Pkw-Reifenpalette. Obwohl bereits seit einigen Jahren im Markt, sei das Leistungsvermögen dieses Reifens immer noch auf Topniveau, so Technikchef Höppner.

Mit Reifen wie diesen bzw. deren Weiterentwicklungen will sich Toyo technologisch weiterhin in der Spitze des Pkw-UHP-Reifenmarktes halten bzw. diese Position sogar stärken. Dass das nicht durch pure Produktgüte geht, weiß auch der Europachef und verweist in diesem Zusammenhang auf ein kürzlich bekannt gemachtes Engagement bei AC Milan als Sponsor, allerdings lässt er mit einem Augenzwinkern nicht unerwähnt, dass die getroffene Sponsoringvereinbarung nicht auf das TTE-Budget falle, sondern eine Konzernmaßnahme sei, von der eben auch die Europa-Organisation profitieren werde. Die Sponsoringpartnerschaft werde der Marke Toyo Tires mittelfristig einen großen Vorteil verschaffen, nicht nur in Italien, in dem der AC Milan beheimatet ist, sondern auch in den Märkten Russlands und des Nahen und Mittleren Ostens, in denen der Konzern eine weitere Markterschließung anstrebt, hatte der Konzern vor einigen Wochen die Maßnahme kommentiert. Des Weiteren seien auch die wichtigen Märkte Chinas und Südostasiens zu nennen und natürlich auch der Heimmarkt Japan sowie alle weiteren Märkte, in denen eine Fußballbegeisterung auszumachen ist.

Für TTE-Präsident Gonsui gehört das Premiumsponsoring bei dem italienischen Traditionsklub zum konzerneigenen Weg, auch die Mailänder seien einzigartig und erfolgreich. Der hauseigene Slogan „driven to perform“ passe ideal zur globalen Marke AC Milan. Eine Entsprechung findet sich im Besprechungsraum Toyos in Willich: ein Plakat mit dem Autogramm der Offroad-Ikone Robby Gordon. Der ist zwar überwiegend in Nordamerika bestens bekannt und ein Toyo-Markenbotschafter, repräsentiert aber wie kaum ein Zweiter, wo Toyo Tires überproportional wachsen und ein führender Marktteilnehmer sein will, so Höppner: bei Offroad- bzw. SUV-Reifen. detlef.vogt@reifenpresse.de

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