Worauf legt Maxion Wheels den Fokus?

Als der brasilianische Konzern Iochpe-Maxion im vorletzten Jahr Hayes Lemmerz für ca. 725 Millionen US-Dollar übernommen hatte – nachdem der weltgrößte Räderhersteller in den Nullerjahren des neuen Jahrtausends zwei Konkurse hingelegt, sich dadurch weitgehend entschuldet hatte, aber seinen Investoren endgültig der Geduldsfaden gerissen war –, war die Frage naheliegend, was denn aus der Pkw-Aluminiumrädersparte werden würde. Denn die von der Familie Ioschpe geführte Firma mit bis zum Jahr 1918 zurückreichenden Wurzeln kommt ganz eindeutig aus der „Stahlecke“, bezogen auf sonstige industrielle Aktivitäten, aber eben auch bezogen auf Räder. Konzernpräsident Dan Ioschpe aber hat gegenüber dieser Zeitschrift unmissverständlich klar gemacht, dass man angesichts der „Substitution weg vom Stahl- und hin zum Aluminiumrad“ gewiss am Material Aluminium festhalten und dort sogar weiter investieren werde. Das ist nachvollziehbar!

Die Familie Ioschpe hält selbst mehr als 26 Prozent der Anteile an der an der Börse São Paulo gelisteten Aktiengesellschaft Iochpe-Maxion S.A., weitere knapp sieben Prozent liegen bei der BNDES Participações S/A (eine Investmentgesellschaft der Banco Nacional de Desenvolvimento Economico e Social-BNDES), mit der sich die Ioschpes im Rahmen einer Gesellschaftervereinbarung bereits im Jahre 2007 zusammengetan hatten. Zwei Drittel der Aktien von Iochpe-Maxion S.A. sind im freien Handel bzw. Streubesitz, davon wiederum die Hälfte bei Brasilianern. Was entscheidend ist: Die Ioschpes besetzen alle Schlüsselpositionen im Konzern, die Familie hat das Sagen im Unternehmen (anders als bei der früheren Hayes Lemmerz mit ihren gesichtslosen Investoren). Dass Hayes Lemmerz von Iochpe-Maxion übernommen worden ist, hat nicht nur den brasilianischen Konzern in eine neue Dimension befördert und ihn mit einem Schlag zu einem internationalen Unternehmen gemacht (Auslandsumsatz jetzt ca. 60 Prozent), sondern ist auch ein Glücksfall für alle langjährig leiderprobten Mitarbeiter von Hayes Lemmerz gewesen.

Die Ioschpes haben ihr eigenes (Stahl-)Rädergeschäft (für Pkw, Lkw/Busse und landwirtschaftliche Fahrzeuge) mit dem Stahl- (für Pkw, Lkw/Busse) und Aluminiumrädergeschäft (für Pkw) von Hayes Lemmerz zusammengeschmissen und das Resultat Maxion Wheels genannt. Maxion Wheels ist mit einer (theoretischen) Kapazität von an die 90 Millionen Einheiten jährlich der mit Abstand größte Räderhersteller der Welt. Die mit einem Anteil von etwa drei Vierteln deutlich größere Sparte als „Maxion Structural Components“ bei Iochpe Maxion (das 50:50-Railway-Equipment-Joint-Venture „AmstedMaxion“ sei trotz des Bauteiles Eisenbahnräder ausgespart, es trägt ohnehin zu weniger als zehn Prozent zum Konzernergebnis bei) operiert nicht von Brasilien aus, sondern von der vormaligen Hayes-Lemmerz-Zentrale Northville (Michigan/USA). Als CEO wurde der langjährige Chief Operating Officer von Hayes Lemmerz Fred Bentley ernannt, der dem neuen Konzern wohl schon manche Umstrukturierung abgenommen hatte, noch bevor die Akquisition durch die Brasilianer überhaupt in Sicht war.

Hayes Lemmerz hatte viele Jahre unter einer zu hohen Abhängigkeit vom nordamerikanischen Markt gelitten und die nur mit viel Mühe verringern können. Bei Maxion Wheels fügt sich das – gewiss bei weiterem Optimierungspotenzial – zu einer viel günstigeren geografischen Verteilung, sodass das Unternehmen sich mit einigem Recht als einziger wirklicher „Global Player“ in der Räderbranche darstellen kann: Mit 40 Prozent nimmt der (gesättigte) europäische Markt den größten Anteil bei der Produktionskapazität ein, gefolgt von Brasilien mit 28 und Nordamerika inklusive Mexiko (jeweils aus historischen Gründen) mit 24 Prozent. Mit acht Prozent – zwei Fabriken in Indien für Pkw- und Lkw-Stahlräder, eine in China für Lkw-Stahlräder und eine in Thailand für Pkw-Aluminiumgussräder – hat Maxion Wheels einen „Footprint“ in Asien, dürfte sich aber dort ebenso unterrepräsentiert fühlen wie in Russland.

Sind das die Wachstumsregionen für Maxion, sind das im Gegensatz zu den gesättigten Regionen Europa und Nordamerika die „hungrigen“ Teile der Welt, in denen das Maxion-Management die Verdoppelung des Umsatzes erreichen will, das sie für die nächsten fünf Jahre angekündigt hat? Einerseits will Maxion Wheels diesen Größensprung durch organisches Wachstum erreichen und verdoppelt beispielsweise aktuell die Pkw-Aluminiumräderkapazitäten in Brasilien von 1,5 Millionen jährlich auf drei Millionen Einheiten. (Für Pkw-Aluminiumräder bietet Südamerika noch Potenzial, das auszufüllen den lokalen Anbietern Italdesign, Mangels und Alujet jedenfalls allein nicht zugetraut wird, sodass vor allem über Aktivitäten von Ronal und Borbet in Brasilien spekuliert wird.) Andererseits wird auch nicht geleugnet, dass Akquisitionen ebenfalls zum Wachstum beitragen sollen und ist in Gesprächen sogar herauszuhören, dass da an ganz bestimmte Ziele gedacht wird. Namen allerdings werden nicht genannt.

Das Thema Zukunft beschränkt sich bei Maxion Wheels aber keineswegs auf pure Unternehmensgröße, vielmehr will man auch bei vielversprechenden Technologien an vorderster Front mitmischen. Wobei der so große Räderhersteller in der Vergangenheit auch mal Irrwege eingeschlagen hatte wie beispielsweise den Versuch, mit gegossenen Lkw-Aluminiumrädern zu reüssieren; sollte dieses Themenfeld jemals wieder in den Fokus rücken, dann sicherlich in Form der Schmiedetechnologie. Auffällig und intensiv ist die Nähe, die Maxion zu Universitäten und dem Fraunhofer Institut sucht, die intensive Beschäftigung mit „Light Weight Wheels“ und in diesem Zusammenhang abseits von Stahl und Aluminium alternativen Materialien, wobei simultan da natürlich auch gleich neue Produktionstechniken in den Fokus rücken.

Die Segmentierung in Pkw (etwas mehr als 50 Prozent) und Nutzfahrzeuge (ergo etwas weniger) ist ausgewogen, das gilt auch für die Verteilung von Pkw-Stahlrädern (aktuell noch knapp am größten), Nutzfahrzeugstahl- und Pkw-Aluminiumrädern. Den Weltmarktanteil im Rädersektor taxiert Maxion bezogen auf Umsatz auf mehr als acht, bezogen auf Stückzahlen auf gut zehn Prozent. Bei Stahlrädern sowohl für Pkw wie für Lkw ist Maxion Wheels der Weltmarktführer, bei Pkw-Aluminiumgussfelgen einer der zweiten „Top Five“ und damit eines von zwei Handvoll Unternehmen mit einer Jahreskapazität von mehr als zehn Millionen Einheiten.

Global gesehen werden Maxion-Räder in der Erstausrüstung auf einem von sechs Fahrzeugen montiert, bei normaler Auslastung werden mehr als 60 bzw. bis zu 70 Millionen Räder jährlich gefertigt. Maxion Wheels hat mehr als 10.000 Beschäftigte, 23 Räderfabriken in zwölf Ländern auf fünf Kontinenten. Zur Dachmarke wird sich Maxion entwickeln, für etwaige Traditionalisten werden auch noch die Marken Fumagalli und Hayes Lemmerz hochgehalten. Beim Kundenportfolio in der Erstausrüstung fehlt kein renommierter Fahrzeughersteller, größte Kunden sind die Volkswagen-Gruppe und Daimler (jeweils dank deren Nutzfahrzeugaktivitäten). Das Ersatzgeschäft Lkw-Stahlräder spiegelt in etwa das OE-Geschäft von Maxion wider, bei Pkw-Stahlrädern bedient sich das Unternehmen weitgehend kompetenter Vermarktungspartner (in Europa ist dies zum Beispiel die Alcar-Gruppe), bei Pkw-Aluminiumrädern muss abgesehen von wenigen gelegentlichen Offtakes Fehlanzeige vermeldet werden. (Allerdings verhält sich das bei anderen Marktteilnehmern wie Superior exakt genauso oder wie bei der Ronal Group mit sehr geringen Anteilen sehr ähnlich.) detlef.vogt@reifenpresse.de

Neben der Hauptmarke Maxion werden auch die Traditionsnamen Hayes Lemmerz und Fumagalli weitergepflegt

Neben der Hauptmarke Maxion werden auch die Traditionsnamen Hayes Lemmerz und Fumagalli weitergepflegt

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