Diskussionsbeitrag zum Procedere rund um das Genehmigungsverfahren für Pkw-Räder

Ein verlockender Preis – was ist er wert?

Ein verlockender Preis – was ist er wert?

Der Rückruf von Pkw-Stahlrädern vor einigen Monaten, vor allem aber die „Nebengeräusche“ werfen Fragen auf. Ist denn eigentlich in der Prüflandschaft von Fahrzeugrädern alles im Lot? Ätzend wird die Frage aufgeworfen, ob bei den Bildern von schweren Verkehrsunfällen nicht allzu vorschnell geurteilt wird, dass zu schnelles Fahren, Glätte oder Alkohol am Steuer ursächlich für den Crash war. Schauen Polizei und Gutachter eigentlich auch sorgfältig auf die Räder, ob nicht dort die Unfallursache zu suchen ist? Ob die Räder den Belastungen vielleicht nicht standgehalten haben? Die Frage mag für die Räderbranche unangenehm sein, aber sie ist statthaft!

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA, Flensburg) hat eine Dienststelle in Dresden: Diese KBA-Benennungsstelle akkreditiert Institutionen wie die TÜVs, Dekra, KÜS, GTÜ oder sonstige Technische Dienste und Prüflaboratorien. Wer solch eine Akkreditierung erlangt hat, der darf Stahl-, Aluminium- und Sonderräder prüfen und liefert damit die technische Basis, ob ein Fahrzeugrad in den Straßenverkehr rollen darf. Die Prüfstellen sind wirtschaftende Privatunternehmen. Ihre Kunden sind die Räderhersteller bzw. -importeure von Rädern. Einerseits müssen sie aufgrund der Wettbewerbssituation ihre Kunden/Auftraggeber umgarnen, damit sie nicht zu einem Konkurrenten abwandern. Andererseits sind sie natürlich der Sicherheit auf deutschen Straßen verpflichtet. Sollten sie also bei ihren Räderprüfungen die nötige Strenge und Sorgfalt vermissen lassen und würde dieser Umstand der Dresdner Benennungsstelle zu Gehör gelangen, so müssten sie eine Aberkennung der Akkreditierung fürchten und ihnen bzw. dieser Abteilung im Unternehmen wäre die Grundlage entzogen. Man kann sich denken, dass das für die Herren Ingenieure und Techniker in den Prüflaboren eine stete Gratwanderung ist. Sie sind Diener zweier Herren: einerseits des Kunden, der dank Auftragserteilung für seinen Broterwerb sorgt, andererseits einer übergeordneten moralischen Instanz, die verkörpert wird durch verbeamtete Staatsdiener.

Der Wettbewerb zwischen den Firmen, die zur Räderprüfung berechtigt werden, ist aufgrund des Oligopols nicht zu unterschätzen – und hat dazu geführt, dass es immer mal wieder heißt, der eine oder andere aus diesem erlauchten Kreise sei weniger gestreng bzw. lege die zugrundeliegenden Prüfbedingungen, Vorschriften und Paragrafen großzügiger aus als andere. Wer solch einen Ruf erworben hat, der wird ihn so schnell nicht wieder los. Aber es wäre zu einfach für solch ein Unternehmen, sich jetzt über stärkeren Zulauf zu freuen, denn der Imageschaden hat sich in der Räderbranche niedergeschlagen; und da dauert es nicht lange, bis der ramponierte Ruf in Form diffuser Gerüchte in Dresden landet bzw. ein Beteiligter „angeschwärzt“ wird.

Hier war ein Fachmann am Werk und hat den eklatanten Mangel kenntlich gemacht

Hier war ein Fachmann am Werk und hat den eklatanten Mangel kenntlich gemacht

Es gibt Prüfingenieure, die haben in der Räderzunft geradezu einen legendären Ruf, weil sie jahrelang dabei sind. Tausende Räder haben sie zur Begutachtung auf dem Tisch gehabt: Impacttest, Trommelprüfstand, Abrollprüfung, Umlaufbiegeprüfung usw. – für sie ist das das tägliche Brot. Und sie haben Dutzende Produktionsstätten von innen gesehen. Sie haben bei manchem Rad, das sie zu prüfen haben, schon „in der Nase“, ob es tauglich für den allgemeinen Straßenverkehr ist oder etwas „nicht ganz koscher“. Sie sehen es Produktionslinien förmlich an, ob sie für die Fertigung von „Guträdern“ geeignet sind oder ob von ihnen ein zur Vorsicht gemahnendes Verhalten ausgehen sollte. Junge und noch unerfahrene Prüfingenieure blicken oftmals mit Respekt zu diesen „Koryphäen der Räderzunft“ auf. Doch auch hier hört man als langjähriger Räderinsider mahnende Wort: Wer allzu lange in der Räderbranche ist, der hat vielleicht zu Kunden Freundschaften aufgebaut, kocht aufgrund seiner Expertise beratend sein eigenes Süppchen, ist mit anderen Worten also manches Mal vielleicht nicht mehr so ganz objektiv. Glasklare Regeln sind bei der Räderprüfung vonnöten, Grauzonen wohnt schon die Gefahr inne, sie auszunutzen.

Fahrzeugräder sind ein Sicherheitsbauteil, darum ist höchste Sorgfalt geboten. Die Strukturen sind klar: Über allem thront das Kraftfahrt-Bundesamt. Das führt keine eigenen Prüfungen von Rädern durch, sondern hat die Benennungsstelle, die entscheidet, wer darf und wer eben nicht. Das KBA beschränkt sich auf die Prüfung, ob alles nach Recht und Ordnung zugeht, das sind formale Verwaltungsakte, das KBA prüft Papier. Aber sind die schriftlichen Paragraphen, ist das Papier auf dem neuesten Stand? Warum muss das KBA nach einem „normalen Ablauf laut Produktsicherheitsgesetz“ (Zitat einer KBA-Sprecherin) handeln, wenn wie bei den bruchgefährdeten Pkw-Stahlrädern Gefahr im Verzug ist? Warum klingeln bei ersten Hinweisen auf unsichere Räder nicht alle Glocken, versucht man dieser habhaft zu werden und wird umgehend einer der genannten Prüfdienste beauftragt, der Güte der betreffenden Probanden auf den Grund zu gehen? Dann ginge alles auf Kosten des KBA, aber es bestünde nicht die Gefahr, dass es wegen eines oder mehrerer Räder auf Kosten der Unversehrtheit von Verkehrsteilnehmern geht. Und ganz abgesehen vom Sicherheitsaspekt: Je eher das passiert, desto weniger Räder kommen möglicherweise in den Verkehr, desto weniger besteht die Gefahr, dass noch mehr Einzelhändler und Verbraucher auf Kosten und schrottreifen Rädern hängenbleiben.

Und abschließend noch ein Diskussionsansatz: Wie verhält es sich eigentlich bei einer ganz normalen Hauptuntersuchung? Ist überhaupt gewährleistet, dass der Prüfingenieur eine KBA-Nummer auf den Rädern sieht, wo sie doch oftmals arg verschmutzt oder von üppiger Bremsanlage verdeckt ist? Dass es auch für Stahlräder eines Gutachtens bedarf, kontrolliert er das? Ist es nicht erstaunlich, dass – unabhängig ob aus Stahl oder Aluminium – bei den HUs so wenige Räder beanstandet werden, obwohl immer wieder Klage erhoben wird, dass angeblich so viele gefälschte Designs/Replica in den deutschen Markt strömen? Hat irgendjemand überhaupt eine Ahnung, wie viele technisch einst geprüfte, aber aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprechende Räder auf unseren Straßen rollen und wie viele, die als Kopien unrechtmäßig in den Markt geschleust worden sind?

Fragen über Fragen, die allesamt die Sicherheit auf deutschen Straßen betreffen. Vielleicht ist dieser Beitrag ein kleiner Impuls, dass sich Verantwortliche – Kraftfahrt-Bundesamt/Verkehrsministerium, Räderindustrie, Rädervermarkter, Ingenieure auf Seiten der Prüflabore und solche aus der täglichen Praxis, die Hauptuntersuchungen abnehmen, usw. – austauschen, um einige der Fragen zu diskutieren, ggf. Missstände zu entlarven und dann zu beheben. detlef.vogt@reifenpresse.de

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