Harvey Brodsky setzt sich weiterhin für Runderneuerung ein

Drei Jahrzehnte lang war Harvey Brodsky beim renommierten US-amerikanischen Tire Retread & Repair Information Bureau (TRIB) beschäftigt und leitete dieses auch als dessen Geschäftsführer. Am 5. Oktober 2010 – einen Monat vor seinem 30-jährigen Dienstjubiläum – erhielt Brodsky einen Anruf vom TRIB-Präsidenten und weiteren Vorstandsmitgliedern, die ihn darüber informierten, dass seine Dienste nicht mehr länger gebraucht würden. Während viele in einer solchen Situation vielleicht hingeworfen hätten, war Brodskys Motivation, sich für die Runderneuerung weiter stark zu machen, nicht allzu lange lädiert. Knapp drei Jahre, nachdem sich der TRIB von Harvey Brodsky getrennt hat, spricht die NEUE REIFENZEITUNG mit dem ‚Anwalt der Runderneuerung’ über seinen neuen Interessenverband, der Retread Tire Association (RTA).

 Dieser Text ist im September 2013 in unserer zweisprachigen Redaktionsbeilage “Retreading Special” erschienen.

„Ich war wie geschockt“, erinnert sich Harvey Brodsky heute an den Anruf vom damaligen TRIB-Präsidenten Mike Berra Jr. und zwei weiteren Vorstandsmitgliedern. „Ich liebe diese Branche. Damals dachte ich zuerst, dies wäre das Ende meiner Beziehung zur Runderneuerung. Aber schon schnell habe ich verstanden, dass dies eben nicht so ist. Einen Tag nach dem Anruf sollte ich nach Italien fliegen und bei der Hauptversammlung des italienischen Runderneuerungsverbands im Namen des TRIB eine Rede halten. Als ich dann mit AIRP-Präsident Stefano Carloni telefonierte und ihm sagte, ich sei gefeuert worden, meinte er ‚Wir wollen immer noch, dass du zu uns kommst’. Schon kurze Zeit später habe ich Anrufe von Leuten aus der Branche erhalten. ‚Wir sind geschockt’, haben die zu mir gesagt. ‚Wir werden dich unterstützen’.“

Die Entscheidung, mit einem neuen Verband komplett von vorne anzufangen, wurde eigentlich von ihren Gründungsmitgliedern getroffen. Brodsky war noch immer unentschlossen, was seine Zukunft betraf, als er einen Anruf von Bob Hendry erhielt, Vizepräsident für Sales & Marketing beim Anbieter von Reparaturmaterialien 31 Inc. aus Ohio. Hendry bestärkte Brodsky, er solle doch einen neuen Verband gründen. „’Und zwar gleich jetzt. Ich gebe dir meine Kreditkartendetails.’“ Fünf Minuten später hatte der Verband, der noch keinen Namen besaß, bereits sein zweites neues Mitglied. „Heute haben wir über 300 Mitglieder in wenigstens 36 Ländern“, so Brodsky, der nunmehr Geschäftsführer der Retread Tire Association (RTA) ist. „Unser Wachstum war schon spektakulär. Als wir die 200 erreicht haben, war ich etwas geschockt. Meine Frau sagte mir aber damals, die RTA würde bestimmt bald schon 300 Mitglieder haben – sie sollte Recht behalten.“ Salvadori Srl. aus Italien wurde unser 300. Mitglied Anfang dieses Jahres.

Harvey Brodsky beschreibt seine Arbeit als Rund-um-die-Uhr-Job und betont dabei, wie sehr er sich auf die Hilfe des exzellenten RTA-Personals im Büro des Verbands im kalifornischen Pacific Grove verlassen könne. Ihm zufolge liege der Erfolg der RTA unter anderem am „proaktiven Ansatz“ des Verbands, obwohl gleichzeitig der etabliertere Verband TRIB fortbesteht. „Als Geschäftsführer der RTA geht es mir vor allem um zwei Dinge“, erläutert Brodsky. „Ich will unserer Mitglieder unterstützen und ihnen dienen, so dass sie mehr aus ihrer Mitgliedschaft in unserem Verband herausbekommen als sie einzahlen. Und ich will ihnen helfen, Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Jeden Tage rufe ich wenigstens drei Mitglieder an und frage: ‚Was kann ich für euch tun?’ Erst vor Kurzem hat ein großer Hersteller mir gegenüber erwähnt, wie selten solche Anrufe heutzutage geworden sind. Unsere Mitglieder wissen auch, dass sie mich rund um die Uhr erreichen können.“

Einen unbezahlbaren Service, den die RTA ihren Mitgliedern bietet, seien die Karkassen- und Lieferantenmemos, so Brodsky. „Wir gehören wohl zu den größten Umschlagplätzen für Karkassen- und Exportmemos. Dieser Austausch von Informationen arbeitet äußerst effektiv und ist einer der wichtigsten Gründe, Mitglieder zu werben und zu halten. Ein Großteil unseres Erfolgs liegt sicher darin begründet. Karkassen sind der Rohstoff unserer Branche und die meiste Zeit gibt es bei der einen oder andere Größe eine Knappheit. Unser Memoservice ist hier wichtig für unsere Mitglieder, da er ihnen mitunter einen ganzen Tag Arbeit ersparen kann, Karkassen in der richtigen Größe zu finden. Und unsere Lieferantenmemos bringen immer wieder Unternehmen – Käufer und Verkäufer – zusammen.“

Diese Memos sind ausschließlich für RTA-Mitglieder. Allerdings verschickt der Verband immer wieder E-Mails mit wichtigen Informationen die Runderneuerung betreffend an seinen großen Verteiler. Damit sei die RTA der einzige Runderneuerungsverband, der einen dermaßen intensiven Kontakt mit seinen Mitglieder pflege, so Brodsky. Er habe kein Problem mit dem TRIB, werde aber immer wieder gefragt, ob „der andere Verband“ auch noch existiere. Ein Beispiel: „Ein Runderneuerer in Kentucky, Mitglied im TRIB, hat mich angerufen und sich nach dem Thema Export erkundigt. Ich habe ihm dann die Informationen gegeben, die er brauchte, obwohl er kein RTA-Mitglied war. Er sagte, er würde den anderen Verband nicht anrufen, weil er nie von ihnen höre.“

Über das Medium Radio erreicht Brodsky viele Lkw-Fahrer direkt

Über das Medium Radio erreicht Brodsky viele Lkw-Fahrer direkt

Einerseits sei es überaus einfach, die Vorteile von Karkassenmemos und anderen Dienstleistungen zu sehen. Bei anderen Services ist der finanzielle Gegenwert hingegen nur schwer zu bestimmen, gerade weil sie ‚nur’ das Image der Runderneuerung in der Öffentlichkeit verbessern helfen. Dazu gehören etwa auch Radiosendungen, in denen Harvey Brodsky immer wieder präsent ist. „Ich bin Stammgast bei zwei Programmen, die per Satellit an Lkw-Fahrer gesendet werden“, erläutert der RTA-Geschäftsführer. „Jeder Programmpunkt geht dabei über 15 bis 20 Minuten und wird innerhalb von sechs Wochen immer wieder gesendet. Ich erhalte jede Menge Anrufe von Truckern, denen wir dann Materialien unserer Mitglieder zukommen lassen.“ Lkw-Fahren gehöre zu den Leidenschaften Brodskys und in seinen Radiobeiträgen geht es immer wieder auch um Themen, die nicht direkt etwas mit dem Thema Runderneuerung zu tun haben. Eines der Themen, um das es jüngst beispielsweise ging, war: Welche Vorteile bringt es, ein Haustier in der Kabine zu haben. Beinahe 70 Prozent aller Fahrer haben ein Tier in ihrem Truck. Dies – so wird auch von anderen anerkannt – baue etwaige Aggressionen beim Lkw-Fahrer ab und sorge für mehr Sicherheit, da der Fahrer öfter und regelmäßiger anhalten muss. „Trucker interessieren sich für so etwas und ich habe dazu viel Gutes Feedback bekommen. Auf unserer neuen Internetseite wird es eine Rubrik zu Haustieren geben. Auf diese Weise erhalten Lkw-Fahrer ein positives Bild von der Runderneuerungsbranche.“

Für beinahe zehn Jahre ist Harvey Brodsky jetzt schon regelmäßiger Gesprächspartner fürs Radio. Drei von vier Anrufen dazu haben in der Regel nichts mit Runderneuerung zu tun. „Die meisten Fahrer, die anrufen, haben Fragen zu neuen Reifen, die sie fahren. Denen versuche ich dann soweit wie möglich zu helfen und vermittle sie auch mitunter an Ansprechpartner aus der Neureifenindustrie weiter.“

Kaum Probleme

Beim Thema Runderneuerte und Neureifen fällt Harvey Brodsky eine interessante Statistik ein. Bei der Einstellung der Produktionsanlage habe ein hochwertiger Runderneuerer einen geringeren Ausschuss als ein Neureifenhersteller. „Vor etwa einem Jahr habe ich einen großen Runderneuerungsbetrieb besucht, der von einem unserer Mitglieder betrieben wird, einem ‚Michelin Authorized Retreader’. Die Fabrik umfasst 9.000 m² und erneuert täglich 500 Reifen an sieben Tagen die Woche. Ein Besucher, der nicht aus der Branche war und mit uns den Betrieb besucht hatte, sagte: Ich wette, euer Ausschuss ist geringer als der in einer Neureifenfabrik. Der Fabrikmanager antwortete: ‘Ja, das stimmt. Er liegt bei unter 0,5 Prozent.’ Der Grund, warum professionelle Runderneuerer mit einem dermaßen geringen Ausschuss arbeiten können, liegt auf der Hand. Wenn ein Neureifen auf den Markt kommt, weiß man zunächst noch nicht, ob er hält. Wenn dann aber das zweite Leben ansteht und der Reifen runderneuert werden soll, weiß man es. Wenn dann ein solcher Reifen von einem spitzen Runderneuerer erneuert wird, hat man kaum Probleme.“

Auch wenn sich die öffentliche Meinung zum Thema Runderneuerung in den Jahren verbessert hat, halten sich doch einige Mythen hartnäckig, so etwa, dass Laufstreifen auf der Straße automatisch mit Runderneuerten in Verbindung gebracht werden. „Es ist unsere Politik: Jedes Mal, wenn wir etwas Negatives über runderneuerte Reifen hören oder lesen, antworten wir sofort und verteidigen die Branche und ihre Produkte. In der Regel ist es fehlendes Wissen, dass für eine schlechte Presse sorgt. Um Leuten aus der Presse etwas beizubringen, organisieren wir Fabrikbesichtigungen. Dabei lassen sich viele überzeugen.“

Das Wirken von Harvey Brodsky in der Welt der Runderneuerung geht dabei deutlich über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus. Einige Neumitglieder kommen etwa aus Europa, Asien, Afrika oder Südamerika. Der RTA-Geschäftsführer verbrachte Anfang dieses Jahres viel Zeit mit Mitglieder in Indien und wird später dieses Jahres noch auf einer großen Nutzfahrzeugkonferenz in Kolumbien oder vor den Mitgliedern des chilenischen Runderneuerungsverbands sprechen; auch auf der Recaufair in Brasilien im kommenden Jahr werde Brodsky sehr wahrscheinlich wieder sprechen.

Zukunftspläne

Mit aktuell über 300 Mitgliedern gibt es für die Retread Tire Association genug zu tun. Harvey Brodsky, der aktuell noch nicht den Wunsch nach einem verdienten Ruhestand verspürt, will die dennoch Zukunft des Verbands sicherstellen, weswegen er sehr daran interessiert ist, neues Führungspersonal für die RTA zu akquirieren. „Ich hoffe, dass es uns noch lange geben wird, auch wenn ich einmal nicht mehr dabei bin“, so Brodsky weiter. „Ich liebe, was ich mache. Aber ich bin jetzt über 70 und mache mir natürlich Gedanken über einen möglichen Nachfolger. Ich kann jetzt noch keinen Namen nennen. Aber ich habe mich erst kürzlich mit jemandem unterhalten, der sich bei einer großen Flotte mit 80.000 Radpositionen um das Reifengeschäft kümmert. Sollte er sich als der Richtige herausstellen, könnte er mich einmal ersetzen. In jedem Fall ist es höchste Zeit, dass wir eine weitere Position an diesen Job heranführen. Unsere Arbeit nimmt immer weiter zu und der Verband wächst stetig. Auch in ferner Zukunft soll es uns noch geben.“ stephen.goodchild@tyrepress.com/ab

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