“Bandag-Modell funktioniert” – dank Bandag

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Nachdem Bridgestone den US-Runderneuerungskonzern Bandag im Sommer 2007 – wie überliefert, vorwiegend wegen der Interessen am US-Markt – übernommen hatte, mussten die Verantwortlichen in Europa ihrerseits eine Strategie zur Integration entwickeln. Auch wenn die Verantwortlichen in der Brüsseler Bridgestone-Europazentrale bereits Ende 2010 „die volle organisatorische Integration“ verkünden konnten, sind wichtige Entscheidungen zur zukünftigen Ausrichtung in Europa erst später gefallen. Dies zeigt einerseits die Komplexität des Vorgangs, war Bridgestone doch vor der Übernahme in Sachen Runderneuerung nur wenig aktiv. Andererseits zeigt dies aber auch, dass man sich wie damals bereits angekündigte die Zeit genommen hat, um befürchtete „fundamentale Fehler“ bei der Integration zu verhindern. Bei Bridgestone Bandag jedenfalls will man die Zeit des Umbaus jetzt hinter sich lassen und den Auf- und Ausbau des Geschäftes vorantreiben.

Einen dieser großen Fehler hat man bei Bridgestone glücklicherweise nicht begangen. Als die NEUE REIFENZEITUNG im Sommer 2010 in Lanklaar – dem Bandag-Produktionsstandort in Belgien – war und sich dort über den Stand der Integration informierte, wurde das Ende der „Qualitread“-Laufstreifen angekündigt. Diese hatte Bridgestone vor der Bandag-Übernahme in dem Bestreben eingeführt, sich schrittweise ein eigenes Standbein in der Runderneuerung aufzubauen; Qualitread war ein ausschließlich europäisches Produkt. Gleichzeitig hatten die Bridgestone-Bandag-Verantwortlichen aber damals auch betont, man wolle anstelle von Qualitread dann ein Produkt namens „Bridgestone Retreads“ einführen, mit dem die Profile der Top-Produkte des japanischen Reifenherstellers als Laufstreifen für das zweite Leben auf die Karkasse gebracht werden sollten. Bandag hingegen sei dann „das Produkt für den allgemeinen Gebrauch“, zitierte die NEUE REIFENZEITUNG damals wörtlich.

Wie Yves Kerstens (Managing Director Commercial Business Unit) und Steven Janssens (Executive Manager Retread) nun im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG betonen, habe man sich zwischenzeitig von dieser Idee verabschiedet. Die erste Idee, Bridgestone als Top-Marke auch in der Runderneuerung zu etablieren, sei zwar verständlich gewesen. Doch sei sie den Bandag-Partnern im Markt nur schwer zu vermitteln gewesen, erklärt Kerstens. Bandag sei bereits seit langen Jahren eine fest etablierte Marke in der Runderneuerung, die sich ihr Image und ihre Position als Marktführer zurecht verdient habe. Diese künstlich zu degradieren oder, mehr noch, darüber eine zweite – in Europa bisher unbekannte – Marke zu etablieren, schien nicht möglich. Folglich habe man die Strategie auch nach intensiven Gesprächen mit den Bandag-Partnern gewechselt und wolle sich jetzt voll und ganz auf die Marke Bandag und deren weiteren Ausbau in Europa konzentrieren; weitere Markenexperimente soll es nicht geben.

Dass Bandag bzw. nun Bridgestone Bandag unter der Strategiefindung in den vergangenen Jahren nicht gelitten haben, davon ist man in Brüssel überzeugt. So wächst etwa die Anzahl der Partner wieder kontinuierlich an. Aktuell stehen europaweit 142 Frachisenehmer bei Bridgestone Bandag unter Vertrag; anlässlich der Reifen-Messe im vergangenen Sommer waren dies noch 135 Partner. Seit einiger Zeit sind etwa Reifen Lorenz (Meineweh, Sachsen-Anhalt) mit einer der beiden Runderneuerungsstätten oder Edler Reifen (Kapfenberg, Steiermark/Österreich) oder ein zweites Unternehmen in Polen Bandag-Partner. Auch zeige der unverändert hohe Marktanteil in Europa, dass „das Modell funktioniert“, ergänzt Steven Janssens. Den Aussagen des Unternehmens zufolge könne man aktuell über rund 35 Prozent des Kaltlaufstreifenmarktes in Europa bzw. 20 Prozent des gesamt Runderneuerungsmarktes verfügen. Gleichzeitig fertigt man in der Fabrik in Lanklaar immer noch rund 18.200 Tonnen Runderneuerungsmaterial (2012) bei einer Kapazität von 25.500 Tonnen.

Dennoch plane Bridgestone im Zuge der Erweiterung der Neureifenfabrik im polnischen Stargard die Errichtung einer zweiten Produktionsstätte für Laufstreifen. Es liegen zwar noch keine weiteren Details vor, dennoch sei schon sicher, dass im Laufe des kommenden Jahres auch dort Bandag-Laufstreifen gefertigt werden.

Nicht ganz unerheblich an der positiven Entwicklung bei Bridgestone Bandag dürfte auch die Diversifizierung des Produktsortimentes sein. Die Verantwortlichen beim Weltmarktführer in Brüssel wollen natürlich nicht allzu sehr darauf abheben. Aber die Einführung der „Value Line“ war nicht nur den Bedürfnissen der vertraglich an Bandag gebundenen Partner europaweit nach einer größeren Bandbreite im Produktsortiment geschuldet. Auch gehört das Preissegment mittlerweile fest zum Runderneuerungsmarkt dazu wie es auch zum Neureifenmarkt dazu gehört. Kerstens und Janssens schätzen diesen Markt auf immerhin ein Drittel des Gesamtmarktes. Gleichzeitig betonen die Bridgestone-Bandag-Verantwortlichen aber auch, dass das Unternehmen mit „Value Line“ im Preissegment lediglich eine „Ergänzung“ zum Standard-Premiumsortiment macht, das auch in Zukunft im Mittelpunkt aller Strategien und Konzepte stehen soll. Immerhin: 80 Prozent des eigenen Geschäftes findet den Managern zufolge in diesem Topsegment des Runderneuerungsmarktes statt.

Trotz dieser klaren Ausrichtung auf das Premiumsegment des Marktes ist es für die Manager bei Bridgestone Bandag keine Überlegung wert, genau wie viele andere Neureifenhersteller auch in eine eigene zentrale Heißrunderneuerung zu investieren. Es gibt zwar derzeit in Europa bereits zwei Bridgestone-Tochtergesellschaften, die in der Heißrunderneuerung aktiv sind: Bulldog Remoulds (Großbritannien) und SLBR (Frankreich). Eine Einrichtung für ganz Europa soll es aber nicht geben, betont Yves Kerstens. „Das dezentrale Modell mit unseren Franchisenehmern ist unsere große Stärke“, befindet der Managing Director Commercial Business Unit. Daran wolle man in jedem Fall festhalten und dazu nicht etwa mit einem (weiteren) eigenen Angebot in Wettbewerb treten. Nicht nur hilft die Dezentralität der Bandag-Partner – die oftmals ebenfalls einen klassischen Reifenhandel betreiben – dabei, einfacher mit gewissen Problemen umzugehen, etwa der chronischen Karkassenknappheit in Europa. Außerdem sei es das „freie Unternehmertum“ der Bandag-Partner, das den großen Vorteil gegenüber anders organisierten Runderneuerern ausmache, findet Kerstens. Weiter: „Es ist ein riesiger Vorzug, ein starkes Netzwerk an überaus erfahrenen Partnern in Europa zu haben.“ Das Bandag-Netzwerk als Franchisenetzwerk zu betreiben sei im Übrigen „globale Strategie“, weswegen Bridgestone Bandag auch niemals seine Laufstreifen an Nicht-Bandag-Partner vermarkten würde.

Natürlich, die Einflussmöglichkeiten auf die Geschäfte der Runderneuerungspartner vor Ort ist trotz aller vertraglichen Bindungen eingeschränkt und kann nur richtig gut funktionieren, wenn der „Kunde Bandag-Partner“ das bekommt, was er von seinem Lieferanten Bridgestone möchte. Kerstens und Janssens sind beide zuversichtlich, mittlerweile das richtige Angebot machen zu können, ob bei Laufstreifen oder bei Neureifen. Man müsse es letztendlich auch akzeptieren, dass Bandag-Partner auch Wettbewerbsfabrikate als Neureifen vermarkten, auch wenn der Bridgestone-Außendienst beim Handel genau wie bei den direkt oder indirekt bedienten Flotten versucht, zusammen mit dem Konzept „Total Tyre Life“ eben Neureifen wie auch Runderneuerte zu vermarkten; es geht eben nicht immer alles, was man sich wünscht.

Zum „Total-Tyre-Life“-Konzept, das Bridgestone im vergangenen Jahr auf der Reifen-Messe in Essen vorgestellt hat, gehört ein Neureifenangebot für Flottenkunden genauso wie das Angebot einer Bandag-Runderneuerung inklusiver zahlreicher Serviceleistungen. Das bedeutet auch, dass spätestens ein Jahr nach Markteinführung ein neues Lkw-Reifenprofil auch als Bandag-Laufstreifen verfügbar ist. Genauso wenig, wie Bridgestone seinen Bandag-Partnern nicht vorschreiben kann, ausschließlich Bridgestone-Karkassen in der Runderneuerung zu verwenden, kann es seinen Partner vorschreiben, ausschließlich Brigestone-Profile anzubieten. Folglich ist das Sortiment diversifiziert: Neben den vielen Bridgestone-Profilen gibt es die bekannten Bandag-Profile, die auch in Zukunft angeboten werden sollen; die Entwicklung von neuen Laufstreifen, die Wettbewerbsprofilen nachempfunden sind, hat das Unternehmen indes längst eingestellt. arno.borchers@reifenpresse.de

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