Neues Yokohama-Flaggschiff Advan Sport V105

In Europa versuchen die Reifenhersteller gemeinhin, ihren Markennamen in den Vordergrund zu stellen. Das ist in anderen Regionen dieser Welt manchmal anders und abzulesen am Beispiel des japanischen Konzerns The Yokohama Rubber Co., Ltd. (Tokio): Bei dessen Auftritt tritt der Firmenname bisweilen hinter dem Namen der bedeutendsten Produktfamilie im Konzernbereich Reifen – steht für mehr als 80 Prozent der Konzernumsätze – zurück: Advan wird als Marke verstanden, übrigens schon seit etwa drei Jahrzehnten. Die hat jetzt ein neues Flaggschiff auch in den Ersatzmärkten und heißt Advan Sport V105.

In der Erstausrüstung hat sich der V105 bereits durchgesetzt, wie der Blick auf die aktuelle Dimensionsliste verrät, denn da steht oftmals das Kürzel MO hinter der Reifengröße, das für Mercedes Original steht. Und während bei einigen anderen fernöstlichen Reifenherstellern Freigaben bei hiesigen Premiumautomarken oftmals eher Imagecharakter haben und von relativ kleinen Stückzahlen, die auch tatsächlich am Band verbaut werden, begleitet werden, ist Yokohama ein anerkannter OE-Lieferant vor allem von prestigeträchtigen Oberklassemodellen mit beachtlichen Anteilen.

Die OE-Historie des Advan Sport begann bereits im Jahre 2004 und wurde fortan gesäumt von herausragenden Automodellen, die auf diesen Reifen in den Markt rollten und das Potenzial der Hochleistungsautos auf die Straßen brachten bzw. bringen: Bentley Continental GT, Porsche 911 Carrera, Audi S8, Mercedes-Benz CL 63, CL 65 AMG, ML 65 AMG, C 63 AMG, VW Touareg, Audi Q7, Mercedes-Benz C-Klasse, Porsche Cayenne, Audi A7 sowie Mercedes-Benz CLS-Klasse, SLK-Klasse und SL-Klasse. Viel Mercedes also, aber eben nicht nur. Viele anspruchsvolle Modelle, aber eben nur.

Wobei das Vorgängermodell des jetzt auf dem Ascari Race Resort unweit der südspanischen Stadt Ronda vorgestellten Advan Sport V105 noch an der Bezeichnung V103 zu erkennen war. Die Flagge des so erfolgreichen Vorgängermodells wird also sukzessive eingerollt, die der für den Hersteller so außerordentlich wichtigen neuen Reifengeneration gehisst. Der Advan Sport V105 wird Yokohamas Weg bis zum hundertsten Firmengeburtstag im Jahre 2017 und darüber hinaus maßgeblich mitbestimmen. Vor allem in Europa, dem größten Markt global für UHP-Fahrzeuge und damit auch dem bedeutendsten Markt für UHP-Reifen.

Der Welt siebtgrößter Reifenhersteller (nach anderen Rechnungen auch achtgrößter) hat sich aufgemacht, zu einem noch internationaleren Unternehmen zu werden. 2011 wurden noch 62 Prozent aller Yokohama-Reifen (Produktionsmenge: 59 Millionen) und gewiss auch die deutlich überwiegende Anzahl der Dimensionen des Advan Sport im Heimatland Japan hergestellt. Im Jahre 2014 soll das Gesamtvolumen bereits auf 66 Millionen Einheiten gestiegen, der Anteil Japan-Fertigung aber auf 55 Prozent gefallen sein. Und im Jubiläumsjahr 2017 will das Unternehmen eine Jahreskapazität von 86 Millionen Stück bei einem Anteil außerjapanischer Fertigung von 58 Prozent erreichen. Ob es sich das Unternehmen dann noch leisten kann, auf einen Fertigungsstandort in Europa zu verzichten, wenn der Advan Sport V105 hierzulande eine Erfolgsgeschichte schreibt, daran sind Zweifel angebracht. Noch zählt Yokohama bei potenziellen neuen Werken (Russland ging gerade in Betrieb) als denkbare Werksstandorte die Wachstumsmärkte China, Indien, Lateinamerika, aber auch USA auf. Bei Expansionsprojekten denkt man ähnlich und nennt die Philippinen, Thailand, Vietnam und Russland.

Die Ziele sind ambitioniert, räumt auch Atao Kishi (Corporate Officer und Chef der Division „Tire Global Product Planning) ein, der wie weitere mehr als ein Dutzend hochrangige Konzernrepräsentanten aus Japan an den Kurs von Ascari gekommen ist, um auch auf diesem Wege zu verdeutlichen, dass „die Marke Advan ein entscheidender Faktor in der Wachstumsstrategie GD100“ ist (GD = Grand Design).

Technologieorientiert

Dass der Konzern in hohem Maße technologieorientiert ist, belegt Kishi mit drei Beispielen: So sorge das aus Orangen gewonnene Öl (was auch aus Umweltgründen hervorzuheben wäre) für größere Flexibilität des Gummis, was in der Praxis bedeutet, dass sich die Kontaktfläche des Reifens auf der Fahrbahn vergrößert und daraus resultierend mehr Grip auf nasser wie trockener Fahrbahn generiert wird. Während „Orange Oil“ in Reifen schon Realität ist und überdies Ausdruck des ökologischen Fußabdruckes, den das Unternehmen setzt, weist ein anderes Projekt in die Zukunft: Gerade erst hat Yokohama Ergebnisse der Forschungen auf dem Gebiet der Aerodynamik von Reifen präsentiert: Neuartig designte Seitenwände sollen die Verwirbelungen in den Radkästen minimieren, würden so den Luftwiderstand minimieren und damit zur Kraftstoffeinsparung beitragen. Und last, but not least erwähnt Atao Kishi auch den Technologieträger „Aero-Y“, wobei bei diesem Experimentalfahrzeug nicht nur Technologien der Reifeningenieure zum Einsatz kommen, sondern auch Erkenntnisse beispielsweise divisions- und wissenschaftsübergreifend von den Kollegen der Aerospace-Entwicklungen. Gut möglich, dass es hier zu gegenseitigen Befruchtungen kommt.

Takeshi Masamoto, der bei Yokohama für Pkw-Sommerreifen verantwortlich zeichnet, räumt ein, dass der V103 an seine Leistungsgrenze gekommen ist und nach einer gründlich überarbeiteten neuen Generation verlangte, was man freilich auch anders wenden kann: Seit den Anfängen des Advan Sport haben die Entwickler so viel dazugelernt und stellen die Materiallieferanten immer leistungsfähigere Vorprodukte zur Verfügung, dass es Zeit für eine neue Produktgeneration wurde. Wobei der Advan Sport V105 einen Spagat schaffe, der eben nur durch neueste Erkenntnisse Realität werden konnte: Er wird zugleich als UHP-Sportreifen und als UHP-Reifen für Luxuslimousinen positioniert.

Die Auswahl der Fahrzeuge, mit denen rund hundert Journalisten aus 25 europäischen Ländern auf dem Ascari-Rennkurs ihre eigenen Erfahrungen machen konnten, verdeutlicht das Spaktrum, das der Advan Sport V105 abdeckt. Spielen schon die Modelle Mercedes CLS und SL allein aufgrund ihrer deutlich voneinander abweichenden Fahrzeuggewichte in verschiedenen Klassen, so setzt ein Audi R8 hinsichtlich Dynamik einen ganz anderen Akzent. Zumal wenn am Steuer ein ehemaliger Formel-1-Pilot wie Ukyo Katayama sitzt. Der ist übrigens heute dem Unternehmen Yokohama in vielerlei Hinsicht verbunden, wie er erklärt, und arbeitet eng mit dessen Reifensparte zusammen. Das neue Flaggschiff hatte sich auf Audi A4 im Nassparcours gegen seinen Vorgänger V103 zu beweisen, wobei gerade diese Disziplin von besonderer Bedeutung ist, hatte Yokohama doch in der Vergangenheit so manches Mal damit zu kämpfen, gegen andere Premiumprodukte auf Nässe die Augenhöhe zu halten. Von den 36 unterschiedlichen Ausführungen, mit denen der Advan Sport V105 startet, haben immerhin 31 ein „A“-Rating in der Disziplin Nassgrip beim Reifenlabel. Wie bei UHP-Reifen nach gegenwärtigem Stand der Technik nicht anders zu erwarten, hat der neue Reifen in der Disziplin Rollwiderstand zumeist ein „E“ oder ein „F“ stehen, immerhin zweimal aber auch ein „C“, die Geräuschangaben reichen je nach Größe von 71 bis 74 Dezibel. Ein anderer Aspekt, der wie Rollwiderstand oder Geräuschemission auch (aber nicht nur) in die Kategorie Umweltverträglichkeit gehört, ist das Reifengewicht: Gegenüber der jetzt abgelösten Generation ist der V105 in der Größe 265/35 ZR10Y 4,6 Prozent leichter.

Die Startauflage reicht von 55er bis zu 30er Querschnitten und von 16 bis 20 Zoll, 30 der 36 Ausführungen tragen den Speedindex „Y“. Die genannten Labelwerte verdeutlichen, worauf die Yokohama-Entwickler jedenfalls einen Schwerpunkt gelegt haben und betonen das auch durch den Vergleich mit dem Vorgängermodell V103. Denn hinsichtlich der Nässedisziplinen werden dem V105 Verbesserungen im zweistelligen Prozentbereich bescheinigt: Das wäre dann ja eine echte Hausnummer! detlef.vogt@reifenpresse.de

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