Analysten malen Entwicklung der Reifenindustrie in Rosarot

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Wenn Analysten ihren Blick auf Reifenhersteller werfen, dann geraten sie in letzter Zeit meist mehr oder weniger stark in Verzückung. Ein Grund dafür ist offensichtlich, dass sie im Gegensatz zu Automobilherstellern in der Lage sind, steigende Kosten leichter an die Verbraucher weiterzugeben. So werden in diesem Zusammenhang zumindest Aussagen von Erich Hauser, Analyst bei Credit Suisse, seitens der Zeitung Die Welt wiedergegeben. „Es ist leicht ersichtlich, wie viel ein Golf oder ein Peugeot 208 kostet. Dagegen haben die Menschen wenig Gespür für Änderungen bei den Reifenpreisen”, meint er demnach. Dieser „Spielraum bei der Preisgestaltung“ trage mit dazu bei, die Gewinne der Branche zu steigern und den Aktienkursen Auftrieb zu geben.

Doch in dem entsprechenden Bericht des Blattes werden durchaus noch weitere Faktoren genannt, die auch zukünftig eine positive Entwicklung der Reifenindustrie begünstigen sollen: etwa die kürzlich in Luxemburg eingeführte bzw. eine irgendwann einmal vielleicht in ganz Europa geltende Winterreifenpflicht. Laut Welt ist Letzteres seitens der Politik in der Diskussion, wobei Voraussetzung dafür zunächst einmal eine Winterreifendefinition wäre. Wie es jedoch unter Berufung auf Informationen der ETRMA-Generalsekretärin Fazilet Cinaralp weiter heißt, könnten die Arbeiten daran bereits im kommenden Jahr abgeschlossen werden. „Sobald die Definition steht, würden wir gerne ziemlich schnell eine breitere Verpflichtung zu Winterreifen sehen. Länder wie die Niederlande, Polen und Großbritannien sollten eine Winterreifenpflicht haben”, so Cinaralp gegenüber der Zeitung.

Und schon rechnen Analysten wie Lars Holmqvist – Berater bei Kreab Gavin Anderson und ehemaliger Leiter des Europäischen Verbandes der Automobilzulieferer Clepa – vor, dass eine europaweite Winterreifenpflicht bis zu zwei Milliarden Euro an zusätzlichem Umsatz in die Kassen der Reifenindustrie spülen könnten. Doch selbst ohne einen solchen zusätzlichen Schub wird die Zukunft der Reifenhersteller in rosaroten Farben gemalt: Im kommenden Jahr soll der Reifenabsatz in Europa Goldman Sachs zufolge um sechs Prozent zulegen, während für dieses Jahr von einem beinahe ebenso großen Minus im Vergleich zu 2011 ausgegangen wird.

Mit Blick auf Deutschland – größter Einzelmarkt innerhalb Europas – weist die Statistik der European Rubber Manufacturers’ Conference (ERMC) allerdings einen nach neun Monaten mit knapp 33,1 Millionen Einheiten um 13,2 Prozent rückläufigen Pkw-Reifenabsatz Industrie an Handel aus. Dabei ist das Minus mit 17,9 Prozent auf 16,8 Millionen Stück bei Sommerreifen deutlich größer als bei Winterreifen, von denen mit annähernd 16,3 Millionen Einheiten „nur“ 7,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum abgesetzt werden konnten. Doch weil rückläufige Absatzvolumina dank der letztjährigen Preiserhöhungen der Industrie und ihrer bis dato seither offenbar an den Tag gelegten Preisdisziplin ebenso wenig zwangsläufig entsprechende Umsatzrückgänge nach sich ziehen wie dank sinkender Rohmaterialkosten rückläufige Gewinne, stimmen auch Analysten der Deutsche Bank in die positive Grundstimmung ein.

Beispielsweise geht man davon aus, Michelin werde im zweiten Halbjahr 2012 einen um 20 Prozent höheren operativen Gewinn einfahren als im Vergleichszeitraum 2011. Warum die Deutsche Bank den „Rückenwind“ durch höhere Preise bei gleichzeitig niedrigeren Rohmaterialkosten als signifikant bezeichnet, wird deutlich, wenn vorgerechnet wird, dass ein um ein Prozent rückläufiger Stückzahlabsatz „nur“ einen um 40 Millionen Euro verminderten operativen Gewinn nach sich zieht: Rückläufige Reifenverkäufe werden durch höhere Preise und niedrigere Kosten also überkompensiert. Und mit Blick auf Continental ergänzen die Finanzexperten, dass sich das Unternehmen wegen des hohen EBIT-Beitrages der Reifensparte ohnehin wesentlich unbeeindruckter von rückläufigen Fahrzeugproduktionszahlen zeige als andere Automobilzulieferer. christian.marx@reifenpresse.de

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