Das Auto ist in der Gunst des Verbrauchers immer noch weit oben

Wir lesen immer mal wieder von einem Trend hin zu besonders kleinen und treibstoffsparenden Autos und hören unter anderem von ja nachvollziehbaren Begründungen wie einem stetig steigenden Kraftstoffpreis und ökologischen Notwendigkeiten. Andererseits erfreuen sich gerade die deutschen Premiumautomobilhersteller einer Sonderkonjunktur und sind dafür keineswegs nur die Kleinwagen der Automarken verantwortlich. Wie dem auch immer sei: Für den deutschen Automobilmarkt besteht auf absehbare Zeit kein Grund zum Pessimismus. Dass der west- und zentraleuropäische Markt als weitgehend gesättigt gilt und keine großen Zuwachsraten verheißt, beinhaltet aber doch durchaus, dass ein Austausch der Modelle stattfindet: noch sparsamer vielleicht für die einen, noch stärker, schnittiger, leistungsfähiger vielleicht für die anderen.

Das Automobil steht in der Gunst des deutschen Verbrauchers immer noch ganz weit oben, das Streben nach Individualität auch. Die Konformität des Massengeschmacks ist und bleibt den aufgeklärten Bürgern ein Gräuel. Und alle Untersuchungen zeigen, dass der deutsche Konsument bereit ist, für die schönen Dinge des Lebens Geld auszugeben: für Reisen und Urlaub, für Freizeit und Spaß – und eben auch für sein Auto.

Und es ist eine Mär, dass nur junge Menschen oder nur Männer bereit sind, für das Ausleben ihrer Individualität am Automobil in die Geldbörse zu greifen. Auch die (in der Regel zahlungskräftigere) ältere Klientel hat das Bedürfnis nach automobiler Aufwertung: vielleicht etwas weniger nach einer hart abgestimmten Tieferlegung, dafür nach einer Infotainmentanlage mit der Akustik wie man sie aus Konzertsälen kennt. Und die junge Frau gönnt ihrem Auto vielleicht keinen Überrollbügel, dafür aber eine Folierung mit den Modefarben der Saison. Es gibt fast nichts, was es nicht gibt.

Als nach der Lehman-Pleite weite Teile der Wirtschaft in Agonie fielen, musste sich auch die Tuningbranche von einigen hochfliegenden Wachstumsträumen verabschieden, zusammengebrochen ist sie aber nicht. Und das, obwohl man die meisten Tuningteile „objektiv“ ja gar nicht benötigt. Der Verbraucher hat auch in Krisenzeiten sein Faible für Individualität und seinen Spaß an automobiler Veränderung bewahrt. Man möchte glauben, dass er sich in Zeiten der Krise nur mit dem begnügt, was erforderlich ist, um von „A“ nach „B“ zu gelangen. Das Krisenszenario hat auch vor der Tunerzunft nicht halt gemacht, wirklich existenziell getroffen hat es kaum jemanden.

Das hängt einerseits auch daran, dass sich Premiumtuning an eine Klientel wendet, die so betucht ist, dass auch die Wirtschaftskrise keine Geldknappheit bewirkt hat. Zumal gerade die deutschen Fahrzeugveredler sehr exportorientiert sind und keiner aus diesem Kreise je davon berichten musste, dass ein arabischer Scheich seinen Tuningauftrag storniert hat, weil eine Ölquelle weniger stark und damit auch seine Einnahmen sprudeln. Und der automobile Ottonormalverbraucher in unseren Breiten mag zwar zurückhaltender gewesen sein, aber das spiegelte sich eher darin wider, dass er für einen Alurädersatz statt 800 Euro nur 600 auszugeben bereit war. Tuning ist offensichtlich eine erstaun- und erfreulich krisenresistente Branche.

Nach wie vor sind Leichtmetallräder – als Alternative zu Stahlrädern oder mit anderem Design oder ein, zwei Zoll größer als die Serienausstattung – und (Super-)Breitreifen die gefragtesten Tuningartikel überhaupt. Und man muss sich fragen, warum Tuning in so vielen Geschäften des deutschen Reifenhandels immer noch unterrepräsentiert ist. Gewiss: Es gibt „Einzelkämpfer“ unter den Reifenhändlern, ganz besonders „autoaffine“ Filialleiter und Mitarbeiter in einzelnen Dependancen; gewiss, da kann eine Gruppierung wie GDHS vor allem mit der Sperrspitze Premio auf eine vor fast drei Jahrzehnten von der damaligen Dependance Kempen begründete Historie verweisen; gewiss, es kann am eigenen Tuning-Know-how mangeln, so dass man sich das „einkaufen“ muss, wie eine Kooperation MLX dies mit Fosab exerziert.

Engagierten Unternehmern mit starker Bezogenheit zum veredelten Automobil, Organisationen wie einer GDHS oder einer Kooperation MLX steht allerdings das Andererseits gegenüber. Denn immer noch vernachlässigen viele Reifenhändler das Tuningsegment, kümmern sich (bedeutende und ansonsten sehr professionelle) Handelsketten mit Inbrunst um Dienste wie Glasservice, ohne die Potenziale viel näherliegender Tuningteile auszuschöpfen. Wo es an der Expertise fehlt oder an der Affinität zum Produkt, da sollte doch wenigstens das kaufmännische Denken so ausgeprägt sein, dass man sich mit Stoßdämpfer-, Alufelgen- oder Bremsenanbietern an einen Tisch setzt, um zu eruieren, was man denn zur gemeinsamen Erschließung des Tuningsegmentes machen kann. Man muss es nur machen! detlef.vogt@reifenpresse.de

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