Deutsche Autozulieferer Gewinner des Konzentrationsprozesses

Die Untersuchung „Global Top Automotive Suppliers 2011“ der Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors bringt Erstaunliches ans Tageslicht: Deutsche Automobilzulieferer haben sich im globalen Wettbewerb im abgelaufenen Jahrzehnt deutlich von ihren amerikanischen Konkurrenten absetzen können und belegen heute Rang 2.

Während im Jahr 2000 nur 15 deutsche Zulieferer unter den Top 100 umsatzstärksten Lieferanten rangierten, sind es zehn Jahre später bereits 22 Unternehmen. Im Gegenzug haben die Amerikaner an Boden verloren. Im Jahr 2000 waren die amerikanischen Top-Zulieferer noch mit insgesamt 46 Zulieferern die unangefochtene Nr. 1. Doch wurden sie in 2010 mit nur 18 Unternehmen auf Platz 3 zurückgeworfen. Von den damaligen Top-Zulieferern sind mehr als ein Drittel in die Insolvenz gegangen. Anstelle der Amerikaner haben sich die japanischen Automobilzulieferer an die erste Stelle geschoben.

Die Verschiebung der Wettbewerbslandschaft zwischen den Triade-Spielern hat klare Ursachen. Die in den 90er Jahren aus den amerikanischen OEMs ausgegründeten Zuliefergiganten waren alleine nicht überlebensfähig. „Nachdem die Jahre des Welpenschutzes vorbei waren, mussten sich die amerikanischen Zulieferer dem konzernunabhängigen Wettbewerb internationaler Zulieferer stellen – mit verheerenden Folgen“, erklärt Dr. Jan Dannenberg, Autor der Untersuchung und Berylls-Geschäftsführer.

Der Niedergang der amerikanischen „Big Three“, das auf Preisdruck sowie Rabattschlachten basierende Geschäftsmodell, die geringe internationale Kundenbasis der US-Lieferanten gepaart mit einer auf Kurzfristigkeit ausgerichteten Geschäftspolitik hat die einstmals stolze amerikanische Lieferantenlandschaft zusammenschmelzen lassen. Japanische Automobilzulieferer hingegen haben beharrlich an der Umsetzung ihrer langfristigen Unternehmensziele gearbeitet. Mit ausentwickelten Komponenten für ihre Modulbaukästen erreichten die Japaner eine wettbewerbsdifferenzierende Kosten- und Qualitätsführerschaft, heißt es in einer Zusammenfassung der Untersuchung.

Die deutsche Zulieferindustrie galt Anfang der 90er Jahre noch als benachteiligt: hohe Faktorkosten, ein unflexibler Arbeitsmarkt, überwiegend unterkritische Unternehmensgrößen im globalen Wettbewerb. Das Bild hat sich gewandelt. Eine durch die Premiumhersteller getriebene Innovationskultur hat dazu geführt, dass zwei Drittel der in der Automobilindustrie wichtigen Blockbuster-Innovationen auf deutsche Firmen zurückzuführen sind. Auch haben deutsche Zulieferer ihre Kostennachteile konsequent durch Effizienzsteigerungen sowie Investitionen in Niedriglohnstandorte ausgeglichen. „Made in Germany ist in den Wachstumsmärkten ein Qualitätssiegel. Von den überproportionalen Steigerungsraten der Premiumhersteller haben besonders deutsche Zulieferer profitiert“, so Dannenberg, „schließlich kommen 75 Prozent aller Premiumfahrzeuge aus deutscher Hand.“

Der Konzentrationsprozess schreitet weiter voran. Die Top 100 kamen in 2000 auf einen Umsatz von 344 Milliarden US-Dollar, was 32 Prozent des Gesamtumsatzes aller Zulieferer entsprach (OE und Aftermarket). In 2010 vereinten die hundert größten Zulieferer bereits 43 Prozent oder 720 Milliarden US-$ auf sich. Bis 2020 wird mehr als die Hälfte des Zuliefervolumens in der Automobilindustrie durch die Top 100 abgedeckt werden.

Von der Konzentration haben nicht nur Zulieferkonzerne profitiert. „Zwar hat sich Bosch als weltweite Nr. 1 auf die Spitzenposition nach vorne geschoben. Gerade aber der deutsche Mittelstand, Familienunternehmen und Stiftungen konnten unter die Top 100 vordringen“, so Dannenberg. Brose, Eberspächer, Getrag, Hella, Mahle, Mann + Hummel, Schaeffler oder Webasto zählen heute in ihren Segmenten zu den Weltmarktführern.

Dabei sind die deutschen Player besser aus den Krisen der vergangenen zehn Jahre herausgekommen. Die Konsolidierung hat sich durch die Krise 2009, in der weltweit über 500 Automobilzulieferer insolvent wurden (20 Prozent davon aus Deutschland), noch beschleunigt. Die Untersuchung „Global Top Automotive Suppliers 2011“ von Berylls belegt, dass von den im Jahr 2000 zirka 5.600 Zulieferern (Umsatz mehr als 20 Millionen Euro) aktuell 3.300 übrig geblieben sind. Bis 2020 wird die Zahl auf dann 2.500 weiter sinken. Damit ist innerhalb von zwei Jahrzehnten die Hälfte der Automobilzulieferer verschwunden.

Trotzdem wird das Feld der Zulieferer auch bunter. Chinesische, koreanische oder mexikanische Zulieferer bereichern inzwischen die Zulieferlandschaft und zeigen, dass auch völlig neue Player in die Top 100 hineinstoßen können. „Der deutschen Zulieferindustrie muss vor Veränderungen nicht bange werden, im Gegenteil. Bis zum Jahr 2020 werden die globalen Top 100 von deutschen Automobilzulieferern angeführt werden“, so Jonas Wagner, Automobilexperte von Berylls und Co-Autor der Untersuchung.

Das hat mehrere Gründe. Der tradionell für deutsche Zulieferer starke Markt für Premiumfahrzeuge wächst schneller als das Volumensegment. Bei den attraktivsten Innovationsfeldern sind deutsche Zulieferer insgesamt hervorragend positioniert. Selbst im Volumensegment können sie zulegen. Deutsche Zulieferer werden im Windschatten der Wachstumsanstrengungen Volkswagen folgen, ihren Marktanteil durch Lieferungen bei den amerikanischen OEMs steigern sowie die gute Position im chinesischen Markt weiter ausbauen. Unterhalb der globalen Top 100 warten bereits hervorragende deutsche Zulieferer darauf, in die Bestenliste vorzudringen. dv

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