Westlake-Hersteller erreicht Wachstum dank Visionen

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Als Shen Jin Rong, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer von Hangzhou ZhongCe Rubber Co. Ltd., den Teilnehmern der Jahreshauptversammlung 2006 seine Vision mitteilte, man wolle sich innerhalb von nur fünf Jahren in die Top 10 der international größten Reifenhersteller vorarbeiten, staunte das Publikum nicht schlecht. Nun, wie vorhergesagt genau fünf Jahre später, hat Hangzhou ZhongCe – der Hersteller der Marke „Westlake“ – dieses Ziel erreicht und ist mit einem Jahresumsatz in Höhe von umgerechnet 2,55 Milliarden Euro zehntgrößter Reifenhersteller der Welt vor Cooper und Toyo. Ein günstiger Zeitpunkt, einen Blick in die Vergangenheit des größten chinesischen Reifenherstellers zu werfen, nach den Erfolgsfaktoren für den Aufstieg zu fragen und eine vorsichtige Prognose für die kommenden Jahre abzugeben.

Im Nachhinein weiß man immer alles besser. Diese Weisheit wird zumeist auf Fehlschläge projiziert. Wer aber heute die Vergangenheit von Hangzhou ZhongCe Revue passieren lässt, kommt nicht umhin, dem Unternehmenschef Shen ein gewisses strategisches Geschick zuzusprechen. So habe er es in den vergangenen zwei Jahrzehnten verstanden, die Marken „Westlake“ und „Goodride“ im internationalen Reifenmarkt fest zu etablieren, in dem er länderspezifische Produktpaletten einführte, heißt es dazu in einer Mitteilung. Damit habe sich Hangzhou ZhongCe von einem der größten Mankos chinesischer Reifenhersteller verabschiedet, und zwar von dem Glauben, man verdiene am meisten, wann man das in den verschiedenen Ländern jeweils am meisten nachgefragte Profil in vier oder fünf Dimensionen anbiete. Heute besteht etwa das Westlake-Winterreifenprogramm aus ‚nur’ zwei Pkw-Profilen, dem SW601 und dem SW608, sowie einem Transporterreifenprofil, dem SW612. Von diesen drei Profilen sind insgesamt 65 Dimensionen verfügbar.

Aber auch bei Reifen für schwere Lkws habe eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattgefunden. So reisten Marketingmanager gemeinsam mit Technikern mehrmals nach Deutschland und Österreich, um zentraleuropäische Anforderungen verstehen zu lernen. Dabei seien nicht nur Distributeure besucht, sondern auch Spediteure und auf Lkw-Reifen spezialisierte Reifenservicestationen besucht worden. „Diese Recherchen führten letztendlich zum mittlerweile gut nachgefragten Trailerreifen CR931, zum CM335 für Antriebsräder und zum CR961 bzw. zum CR966, die vorwiegend auf gelenkten Achsen zum Einsatz kommen.“ Neben den Standarddimensionen hielten auch moderne Größen wie etwa 385/55 R22.5 oder 295/60 R22.5 Einzug in die Produktpalette.

Aber damit nicht genug, derzeit werden für die genannten Profile Dimensionen wie zum Beispiel 495/45 R22.5 und 445/45 R19.5 entwickelt. Dies seien allesamt Maßnahmen, die dazu geführt haben, dass Hangzhou ZhongCe heute etwa 65 Prozent seines Gesamtoutputs exportieren kann. Ein Ausstoß, der Ende 2010 beachtliche jährliche Stückzahlen erreichte: Es wurden 8,81 Millionen radiale Lkw-Reifen, 18,19 Millionen radiale Pkw-Reifen, 4,55 Millionen Diagonalreifen sowie 80 Millionen Zweiradreifen gefertigt. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei demnach die kontinuierliche Expansion der vergangenen Jahre gewesen. So erfuhr die sogenannte „Plant 500“, die neunte und zuletzt errichtete Fabrikanlage, umfangreiche Kapazitätsausweitungen und Modernisierungen, und das sogar während der auch für chinesische Hersteller als „schwierig“ zu bezeichnenden Jahre 2008 und 2009, in denen vielerorts Reifenfabriken zurückgefahren oder gar geschlossen wurden.

„Als einer der ganz wenigen chinesischen Hersteller erkannte Hangzhou ZhongCe frühzeitig die Bedeutung angewandter Vertriebskanalpolitik und des Brand-Buildings. Bereits im Jahre 2007 wurde eine eigene Abteilung installiert, deren Aufgabe klar definiert war: die Umsetzung westlicher Ideen in Vermarktung und Kommunikation“, wie es dazu weiter vonseiten des Herstellers heißt. In Europa – wird nicht ganz ohne Stolz verkündet – laufe heute Goodride fast ausschließlich im Onlinehandel, während Westlake dem Reifenfachhandel vorbehalten ist und dort in erster Linie Netzwerken von Servicestationen. Die ersten Früchte dieser „nicht immer leicht umzusetzenden Transition werden bereits geerntet“, heißt es dazu weiter. „Insbesondere Westlake hat sich in den letzten beiden Jahren zu einer vergleichsweise margenstarken Marke entwickelt, die bei den beteiligten Distributoren zu einer kontinuierlichen Nachfrage geführt hat.“

Und zu guter Letzt werde dem Unternehmenslenker Shen großes Geschick im Umgang mit den sich ständig in Bewegung befindlichen Rohmaterialpreisen nachgesagt. Waren viele Reifenhersteller während der Gummi-Hausse der vergangen Jahre gezwungen, ihre Preise regelmäßig anzupassen, habe sich Hangzhou ZhongCe in der Lage gesehen, mit einer gewissen Stabilität in der Preisgestaltung zu operieren. Die dadurch entstandene Planungssicherheit hätten die Distributoren dem Hersteller weltweit durch verstärkte Nachfrage nach Goodride- und Westlake-Reifen gedankt. In dem Zusammenhang überrasche die Tatsache nicht, dass sich das Unternehmen in einigen Kernsegmenten der Reifenherstellung eine gewisse Unabhängigkeit geschaffen hat. So betreibt Hangzhou ZhongCe etwa eine Fabrik zur Herstellung von Reifenruß, die jährlich etwa 60.000 Tonnen des begehrten Rohmaterials für die Reifenfertigung herstellt, außerdem erzeugt der Hersteller Energie im eigenen Kraftwerk.

Auf die Frage, warum Hangzhou ZhongCe als ursprünglich relativ kleiner Fahrradreifenhersteller seine chinesische Konkurrenz hinter sich lassen konnte, antwortet Shen gerne bescheiden: „Glück einerseits und umsichtige Politiker, die in den 1990er Jahren entscheidende Weichen stellten, andererseits, trugen wohl wesentlich zur heutigen Position des Unternehmens bei.“ Gerne umreißt Shen in diesem Zusammenhang den Werdegang ‚seines’ Unternehmens.

1958, also vor mehr als 50 Jahren, wurde Hangzhou ZhongCe als staatlicher Fahrradreifenhersteller auf einem Grundstück um einen 500 Jahre alten buddhistischen Tempel herum aus der Taufe gehoben. Der Tempel avancierte in der langjährigen Geschichte nicht nur zum Glücksbringer, sondern leistete über Jahrzehnte hinweg gute Dienste als Reifenlager. Anfang der 1990er Jahre, Hangzhou ZhongCes Palette reichte zu dem Zeitpunkt bereits über Fahrradreifen hinaus, entschied die Volksrepublik China, 51 Prozent der Anteile an Hangzhou ZhongCe an das Hongkonger Investmenthaus China Strategic Holdings zu veräußern. Gebündelt mit weiteren, zwischenzeitlich erworben chinesischen Reifenherstellern brachte der Investor seine Anteile als „China Tire Holdings“ 1993 sogar an die New Yorker Wall Street.

Das damalige Senior Management von Hangzhou ZhongCe habe die Chancen, die sich durch den neuen Investor boten, äußerst geschickt genutzt. Sei seien etwa Expansionsprojekte umgesetzt und strategische Allianzen mit Herstellern von Premiummarken geschlossen worden. Das Unternehmen habe sich in dieser Zeit zur sprichwörtlichen Cash Cow für die Investoren entwickelt, heißt es weiter in der Mitteilung. Dass die dargebrachte Leistung bemerkenswert war, äußere sich in der Tatsache, dass die anderen sieben in TIR gebündelten Reifenhersteller alle mit steigenden Verlusten zu kämpfen hatte und in der Folge einer nach dem anderen liquidiert werden musste. Im Jahr 2002 wurde TIR mit Hangzhou ZhongCe als letztem verbliebenen Reifenhersteller von der Börse genommen. Ein Jahr später wiederum kaufte die staatliche Hangzhou Industrial & Commercial Trust & Investment Co. Ltd. 25 Prozent der Anteil vom Hongkonger Investor zurück. Somit gelangte das Unternehmen neuerlich mehrheitlich in Staatsbesitz – und ist dort bis heute.

Mit dem Know-how, das während der Zeit im Fremdbesitz in wirtschaftlichen und technischen Belangen erworben werden konnte, sei unter anderem ein modernes IT-gesteuertes ERP-System (Enterprise Resource Planning), eine regionalspezifische Produktpalette und eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung entstanden, in der etwa fünf Prozent der 20.000 Mitarbeiter zählenden Belegschaft beschäftigt sind.

Die etwa 1.000 F&E-Mitarbeiter, die derzeit noch auf drei räumlich relativ weit voneinander getrennte Einrichtungen verteilt sind, gelte es nun in einem neuen Forschungs- und Entwicklungszentrum zu vereinen. Neben entsprechenden Plänen will Shen insbesondere die Erweiterung der „Plant 500“ fertigstellen. Ende dieses Jahres sei damit zu rechnen, sodass Hangzhou ZhongCe dann jährlich rund 30 Millionen radiale Pkw-Reifen fertigen kann (aktuell: 18,19 Millionen).


Die sogenannte „Plant 500“ ist die neunte und zuletzt fertiggestellte Hangzhou-ZhongCe-Fabrik, deren Erweiterung Ende dieses Jahres abgeschlossen sein soll

Damit aber nicht genug; die Verhandlungen über den Erwerb eines weiteren Grundstücks, das an die „Plant 500“ angrenzt, seien bereits abgeschlossen, sodass die Pläne für eine weitere Verdoppelung der Fabrikanlagen auf diesem Grundstück in greifbare Nähe rücken; 60 Millionen Pkw-Reifen könnte der größte chinesische Hersteller dann schon bald pro Jahr fertigen. Nach heutigem Stand schwebe Shen vor, künftige Kapazitätsausweitungen vor allem zugunsten der Belieferung des chinesischen Binnenmarktes zu nutzen. Mittelfristig solle die Hälfte des Gesamtoutputs in China abgesetzt werden, so der Plan, während dies aktuell lediglich 35 Prozent sind.

Dass es Shen damit ernst ist, lasse sich an den Erfolgen in der chinesischen Erstausrüstung ablesen, wo Westlake und Goodride heute bei allen bedeutenden chinesischen Automarken vertreten sind. Das Gespräch mit Shen Jin Rong endet, wie es begonnen hat – mit einer Vision: „Bisher wurden Premiummarken im Westen und in Japan geboren und kamen nach China. Warum soll es nicht möglich sein, dass einmal eine Premiummarke in China geschaffen wird, um den Rest der Welt zu erobern?“ ab

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