Handel und Hersteller fragen sich: Werden Reifen 2011 knapp?

Die Nachfrage nach Reifen ist derzeit auch bei der Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH sowie ihren Markenorganisationen „sehr stark“; auf „allen Geschäftsfeldern“, also auf dem Ersatzmarkt wie in der Erstausrüstung, liege man bei den Vorordern bzw. Bestellungen klar über Vorjahr, wie Dr. Rainer Landwehr im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG betont. Der Vorsitzende der Geschäftsführung des deutschen Reifenherstellers mit seinen sechs Fabriken im Land nimmt insbesondere eine deutlich verbesserte Dispositionsneigung im deutschen Reifenhandel zur Kenntnis. Auf die Frage, ob sich daraus – wie derzeit allerorten diskutiert bzw. fest erwartet wird – eine Verfügbarkeitsproblematik ergeben könnte, mochte Landwehr zwar kein deutliches Ja antworten. Dennoch rät er dem Handel, sich möglichst frühzeitig zu bevorraten.

Eines stehe fest: „Die paradiesischen Zustände der unbegrenzten Verfügbarkeiten auf Herstellerseite von vor der Krise werden sich auf absehbare Zeit nicht wiederholen“, so Dr. Rainer Landwehr. Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise hat jeder Hersteller Kapazitäten in den entwickelten Ländern deutlich verringert, so auch Goodyear Dunlop. Reifenhersteller wie Goodyear Dunlop verfügten heute folglich über Produktionskapazitäten, die bei normaler Marktnachfrage das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auch erhalten können. Passiert jedoch etwas Unvorhergesehenes bzw. Außergewöhnliches, dann gerate das Gleichgewicht schnell in Schieflage.

So zum Beispiel die hohe Nachfrage nach Winterreifen während der vergangenen beiden Jahre. Dies hat dazu geführt, dass auch über den eigentlich letzten Produktionstag hinaus weiter Winterreifen gefertigt wurden. Diese Zeit – auch wenn es nur zwei Wochen sind – bedeuten dann wiederum ein geringere Produktion bei Winterreifen. Und die knappen Läger (auch) aufseiten der Industrie bieten kaum genügend Sicherheitspolster, um sich positiv auf das Gleichgewicht auszuwirken und fehlende Volumina in der Produktion abzufangen.

Und da wir heute eben nicht mehr eine „unbegrenzte Verfügbarkeit“ in der Reifenindustrie vorfinden, geraten Erstausrüster und Ersatzmarktkunden zusehends in eine Wettbewerbssituation neuen Ausmaßes zueinander. Oft gehört ist der Vorwurf, die Reifenindustrie bevorzuge in einer solchen Situation eben die Kunden in der Automobilbranche, mit denen schließlich feste Verträge bestehen, die nicht nur in der Regel ein Jahr laufen, sondern eben auch Konventionalstrafen für diejenigen Reifenhersteller festlegen, die ihren „Share of Business“ nicht erfüllen. Dem Vorsitzenden der Geschäftsführung des deutschen Goodyear-Dunlop-Konzerns ist eine solche Darstellung allerdings viel zu einschichtig und stelle eine Vereinfachung der Situation dar. In einer solchen Situation müssten eben vielfache „Fragen zu einem vernünftigen Kompromiss“ beantwortet werden, ist Landwehr überzeugt: „Man kann nicht allen gerecht werden.“ Folglich würden die Lasten fehlender Produktionskapazitäten nicht einseitig verteilt, wie mitunter behauptet.

Dass in einer solchen Situation mit drohendem Nachfrageüberhang natürlich Reaktionen aus dem Reifenhandel kommen, war zu erwarten. Es sei zwar [zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der NEUE REIFENZEITUNG Mitte Januar] zu früh zu sagen, wie groß die Lücke im kommenden Sommerreifengeschäft klaffen wird oder ob es überhaupt eine geben wird. Dass der Reifenhandel aber seiner „Dispositionsverantwortung“ in diesem Jahr deutlich stärker nachkomme als in den Vorjahren, lasse auf einen großen Bedarf in diesem Jahr schließen. Die Dispositionen kämen früher und lagen Mitte Januar bereits auf dem Niveau des gesamten Absatzes im Vorjahr. Natürlich dürfte darin auch ein ‚Krisenaufschlag‘ enthalten sein – nicht unüblich ist die Reaktion im Handel, dass man 120 Prozent der Reifen bestellt, die man eigentlich braucht, wenn das Angebot knapp ist. Aktuell vorliegende Zahlen zur Höhe der Vororder seien demnach nur schwer zu beurteilen.

Wie dem auch sei. Frühzeitige Dispositionen machen es dem Hersteller Goodyear Dunlop in jedem Fall leichter, die Produktionsplanung im laufenden Jahr den tatsächlichen Bedarfen aus den Verschiedenen Geschäftsfeldern erfolgreich anzupassen. Dass der Reifenhersteller darüber hinaus versuche, bestehende Kapazitäten voll auszunutzen und kurzfristig neue Kapazitäten zu schaffen, dürfe der Handel von Goodyear Dunlop erwarten, so Dr. Rainer Landwehr gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. So arbeite man derzeit etwa an einer Verdoppelung der Tagesproduktion im Werk in Riesa. Insgesamt sollen auch 2011 „hohe Investitionen“ in die sechs deutschen Fabriken fließen, ohne dass der Chef der hiesigen Goodyear-Dunlop-Dépendance die Investitionssumme konkret nennen möchte, außer dass es sich dabei um einen „zweistelligen Millionenbetrag“ handele. Und mit dem Betriebsrat habe man zusätzliche Produktionstage vereinbart und man habe wieder viel Personal in der Produktion eingestellt.

Aber nicht nur der Reifenhersteller habe eine Verpflichtung, eine etwaige Unterversorgung des Marktes mit Reifen zu verhindern bzw. zu minimieren. Auch der Reifenhandel müsse man daran mitwirken, so Landwehr weiter. Dieser habe nicht nur eine Dispositionsverantwortung, wie oben erwähnt, er habe in den Augen des Goodyear-Dunlop-Chefs in Deutschland auch eine „Lagerverantwortung“ gegenüber seinem Kunden. Vor dem Hintergrund knapper Produktionskapazitäten und einer Wertschöpfungskette, die – gerade durch die hochmoderne Logistik heutiger Zeit – an einer Just-in-time-Mentalität ausgerichtet ist, seien die Handelsbeziehungen im Reifenmarkt eben „störanfälliger als früher“. Da gerate mitunter „die ganze Kette ins Stottern“, wenn auf dem Weg vom Rohstoff über die Fabrik zum Endverbraucher etwas Unvorhergesehenes geschieht.

Trotz etwaiger Verfügbarkeitsprobleme, die auch im laufenden Jahr sicher wieder auftreten und von den entsprechenden Marktteilnehmern diskutiert werden, weist Landwehr vorsorglich noch einmal auf das Gesamtbild hin: „Das Jahr 2010 war für den Reifenhandel ein fantastisches Jahr und er startet aus einer Position der Stärke in ein Jahr, das voraussichtlich ebenfalls allen eine gute Zeit bringen wird. Der Reifenhandel kann zuversichtlich sein, dass wir eine gute Sommerreifensaison bekommen werden; und die Winterreifensaison wird auch nicht so schlecht.“ arno.borchers@reifenpresse.de

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