Autoherstellerungebundene Werkstätten können im Flottengeschäft punkten

Das Pendel ist zurückgeschlagen. In den Monaten der schmerzlichen Wirtschaftskrise lief das Flottengeschäft schleppend, die privaten Fahrzeughalter konnten ihren Anteil am Geschäft des Reifenhandels wieder ausbauen. Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wind wieder drehen würde. Die Wirtschaft boomt, Investitionen werden wieder getätigt, der Flottenfahrzeugbestand wird erneuert, die Wartung stillgelegter Kapazitäten wieder aufgenommen, aktuell im letzten Herbst jedenfalls Pkw-seitig auch kräftig auf Winterreifen umgerüstet. Insgesamt hat sich das Flottengeschäft sowohl hinsichtlich der Nutzfahrzeuge wie hinsichtlich der Personenkraftwagen wieder normalisiert.

Die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) hat eigentlich den Sinn, Chancengleichheit zwischen den Retailketten der Automobilhersteller und den freien Werkstattketten herzustellen. So ganz klappt das nicht, denn die Autobauer werfen den Wettbewerbern ihrer Autohäuser gerne mal ein paar Knüppel zwischen die Beine. Das ist nicht fein, aber nachvollziehbar: Das lukrative „After-Sales-Geschäft“ soll wenn möglich in der eigenen Wertschöpfungskette verbleiben.

Gerne wird darauf hingewiesen, dass die herstellergebundenen Kfz-Betriebe ein recht homogenes Gebilde ergeben, die freien Werkstätten aber ein heterogener Haufen seien. Wer sich Ketten wie ATU, Pit-Stop, Euromaster, Vergölst, team, point S und andere und deren beachtliche Anstrengungen im Flottengeschäft betrachtet, der wird das schnell als unfair bezeichnen. Ein Kern Wahrheit ist dennoch enthalten: Freie, aber konzerneigene Ketten wie ATU stehen unbedingt in der Disziplin einer Zentrale; bei den Franchisenehmern wie beispielsweise von Vergölst können allerdings schon mal erste Einschränkungen gemacht werden; und bei selbstständigen Unternehmern innerhalb einer Werkstattmarke lässt die Loyalität zur Systemzentrale schon mal zu wünschen übrig und wird durch die Brille des eigenen Profits geblickt.

Je heterogener das Erscheinungsbild einer Gruppierung, desto größer die Ressentiments von Fuhrparkbetreibern und Leasinggesellschaften. Sie bezweifeln die „Garantiewürdigkeit“ der Freien und neigen dazu, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, und den verheißen nun einmal die Vertragswerkstätten – trotz der Furcht, dort gelegentlich überteuerte Preise zu zahlen. Entgegen freien Werkstattsystemanbietern, die als Generalisten allzu leicht für alles und nichts stehen oder jedenfalls so eingestuft werden, hat der Reifenhandel eine Kernkompetenz, die schon in seinem Namen steht und an der es so manchem Kfz-Betrieb – egal ob herstellergebunden oder frei – mangelt: den Reifenservice. Es kann unterstellt werden, dass der Reifenhändler untadeligen Service bietet, Ersatzbedarf in allen gewünschten Preisklassen vorrätig hat und auch neuesten Trends gerecht wird.

Als solch ein Trend ist bei Pkw bis vor zwei, drei Jahren die vermehrte Akzeptanz von Runflats gesehen worden, die allerdings haben in der Folgezeit den Flottenmarkt nicht erobert. Jetzt ist allerorten die Rede von umweltfreundlichen Produkten, auch für Flotten. Die Tochtergesellschaft des TÜV Süd „Fleet Company“ hat ermittelt, dass die zehn meistgenutzten Geschäftsautos des Jahres 2007 durchschnittlich 145 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer emittierten, 2010 nur noch 119 Gramm. Das ist eine enorme Reduktion in enorm kurzer Zeit und Beweis dafür, dass auch die Flotten immer umweltfreundlicher werden. Und sie werden diese „grüne“ Ausrichtung in nicht allzu ferner Zukunft auch genüsslich zur Imagepflege nutzen.

Gewiss: Dieser Fortschritt wurde auch durch ein Downsizing bei den Fahrzeugen – kleinere Modelle, niedrigere Motorleistungen – erreicht, aber auch die Reifen haben dazu einen Beitrag geleistet und werden ihn auch in den nächsten Jahren leisten: Stichwort Reifenlabelling!

Verbaut werden rollwiderstandsoptimierte Reifen, Leichtlaufreifen auch genannt. Was in der Erstausrüstung seit einigen Jahren Priorität in den Lastenheften der meisten Automobilentwicklungen hat, erobert auch den Ersatzmarkt und dort erst recht die Flotten: Denn deren so kostenbewusste Betreiber stellen fest, dass sich mit solchen Reifentypen tatsächlich Geld sparen lässt, dass der Billigreifen vor manche Rechnung im Nachhinein das Wort „Milchmädchen“ zaubert. Und wenn – was vielfach erwartet wird – irgendwann auch noch das Kriterium Haltbarkeit, sprich (vom Lkw-Reifen ja bestens bekannt) Langlauffestigkeit als zusätzliches Kriterium fürs Labelling aufgenommen wird, dann wird noch deutlicher, wie stark Umwelt- und Kostenkriterien harmonieren können. Dann werden Kilometerverträge für Pkw-Reifen, die jetzt noch oftmals vernachlässigt werden, zu einem großen Thema. Der Reifenhandel hat für das Flottengeschäft ein richtiges Pfund in der Hand, er muss damit nur richtig wuchern.

Dass das nicht ausreicht, dass über die „Kernkompetenz“ Reifen hinaus mehr zu leisten ist, das wissen wir ja seit einigen Jahren. Manches mag von den feinen Autohäusern abgeguckt sein, das ist dann die Retourkutsche dafür, dass das Vehikel GVO so manches Mal nicht im Sinne der Erfinder funktioniert und der Wettbewerb nicht völlig frei zu sein scheint. Grenzüberschreitende Präsenz, Hol-und-Bring-Service, Stellung von Werkstattfahrzeugen zur Überbrückung während des Werkstattaufenthaltes des eigenen Autos, Mobilitätsgarantien, Kompetenz hinsichtlich Inspektion und Wartung, Glasreparaturen, Klimaservice, „Smart“ Repair, zentrale, transparente und prompte Rechnungslegung, bargeldloser Geschäftsverkehr, Online-Terminvereinbarungen usw. sind ja keine Erfindungen des Reifenfachhandels, sondern Servicebausteine, die sich adaptieren lassen. Man muss es nur machen, und zwar möglichst professionell. Sonst macht es im lokalen Markt ein anderer und profiliert sich. Der Einzelkämpfer kann im Wettbewerb um den Flottenkunden nicht mithalten, als Partner eines Systembetreibers schon. Die Professionalität von Zentralen wie die von Premio oder anderen und deren Kompetenz, immer wieder neue Module zu entwickeln, sollte ein Garant sein, attraktiv für Flottenkunden zu sein oder zu werden. Der Wettbewerb ist damit alles andere als ausgeschaltet, alle streben nach „Fullservicequalität“. Wer die Erfüllung dieses Anspruchs am ehesten vermittelt, der wird als Serviceprovider im Flottengeschäft auf der Gewinnerseite stehen; es geht um das „Plus“ zusätzlich zu den Reifen … detlef.vogt@reifenpresse.de

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