Wissmann: Deutsche Automobilindustrie fährt schneller aus der Krise als erwartet

„Die deutsche Automobilindustrie fährt schneller aus der Krise als erwartet. Im Gesamtjahr 2010 wird der Export um 21 Prozent auf 4,15 Millionen Pkw steigen, die Inlandsproduktion legt um zehn Prozent auf 5,45 Millionen Autos zu“, betont Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf dem „Automobilwoche-Kongress“ in Berlin. Auch der Inlandsmarkt erholt sich, die Auftragsbücher füllen sich wieder. Im Oktober lag der inländische Auftragseingang bei den deutschen Herstellern erneut über dem Vorjahresmonat, nachdem es bereits im September ein Plus von 13 Prozent gab. „Wir können daher unsere bisherige Prognose für den Pkw-Inlandsmarkt, die wir im Korridor von 2,8 bis 2,9 Millionen Neuzulassungen positioniert hatten, nach oben korrigieren: Für das Jahr 2010 erwarten wir auf dem deutschen Pkw-Markt ein Volumen von knapp über 2,9 Millionen Einheiten. Im Schnitt der beiden Jahre 2009/2010 sind das mehr als 3,3 Millionen Neuzulassungen – ein sehr respektables Ergebnis“, so Wissmann.

Der VDA-Präsident unterstreicht aber, dass es „ein Fehler wäre, jetzt in Euphorie auszubrechen: Schließlich gibt es noch einige erhebliche Risiken für die Weltwirtschaft, was die Unsicherheiten an den Finanz-, Devisen- und Rohstoffmärkten betrifft.“

Wissmann: „Mit ihrer Modellpolitik treffen die deutschen Hersteller offensichtlich den Geschmack des Kunden. Dafür spricht der hohe Marktanteil deutscher Konzernmarken, der im Inland wieder bei rund 70 Prozent liegt.“ Der Anteil von kraftstoffeffizienten und sauberen Diesel-Pkw an allen Neuzulassungen, der vor einem Jahr auf rund 30 Prozent gesunken war, hat sich wieder deutlich erholt und liegt jetzt über der 40-Prozent-Marke. Der Marktanteil deutscher Hersteller an allen Diesel-Pkw-Neuzulassungen beträgt rund 80 Prozent. „Nahezu jedes zweite Auto deutscher Hersteller, das 2010 im Inland neu zugelassen wurde, hat einen Dieselantrieb. Bei deutschen Premiumherstellern beträgt diese Quote sogar bis zu 67 Prozent. Das ist ein weiterer Beleg für die überzeugende Effizienz und Dynamik der Clean-Diesel-Technologie. Und der hohe Anteil von Diesel-Pkw an den Neuzulassungen trägt entscheidend dazu bei, dass wir bei der CO2-Reduzierung schneller vorankommen als unsere Wettbewerber, betont Wissmann.

So lag der durchschnittliche CO2-Wert der in Deutschland neu zugelassenen Pkw deutscher Konzernmarken im September 2010 erstmals unter der 150-Gramm-Grenze (149,9 g/km CO2) – und damit knapp vier Prozent niedriger als im Vorjahresmonat. Bei den Importeuren hingegen war lediglich eine Reduzierung um 0,3 Prozent zu verzeichnen. In neun von zehn Fahrzeugsegmenten, vom Kleinwagen bis zum Familien-Van, haben die deutschen Hersteller – laut offizieller KBA-Zahlen – jeweils einen durchschnittlich niedrigeren CO2-Wert als die Importeure.

Wissmann verweist darauf, dass die deutschen Automobilhersteller und Zulieferer besonders von der Erholung der internationalen Märkte profitierten: „Die deutsche Automobilindustrie ist global aufgestellt. Drei von vier Autos, die in Deutschland produziert werden, gehen in den Export. In wichtigen Regionen wachsen wir schneller als der Markt.“ Beispiel China: Während der dortige Gesamtmarkt in den ersten acht Monaten um 41 Prozent stieg, konnten die deutschen Hersteller ihren Absatz in China sogar um 53 Prozent auf 1,3 Millionen Einheiten erhöhen. „Wir halten also das hohe Tempo sehr gut mit“, betont der VDA-Präsident. Der Marktanteil deutscher Konzernmarken in China liegt bei 18 Prozent. Auch in den Wachstumsländern Indien und Russland sowie in den USA verstärken sie ihr Engagement. Auf dem wichtigen nordamerikanischen Markt konnten die deutschen Hersteller in den letzten vier Jahren ihren Marktanteil im Schnitt um jeweils 0,5 Prozentpunkte steigern auf aktuell 7,5 Prozent. Dies galt selbst im Krisenjahr 2009. Dass die konsequente internationale Ausrichtung der Branche auch dem Standort Deutschland zugute komme, zeige, so Wissmann, die „nach wie vor gültige Daumenregel: Drei neue Jobs im Ausland sichern oder schaffen einen Arbeitsplatz im Inland“.

Neben der Optimierung der klassischen Antriebe erhöht die deutsche Automobilindustrie ihre Anstrengungen bei der Entwicklung alternativer Antriebe. Im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität, die im Mai 2010 von Bundeskanzlerin Merkel gestartet wurde, wird in sieben Arbeitsgruppen die Frage der Mobilität von morgen intensiv bearbeitet. Ein erster Zwischenbericht wird für Ende November erwartet. „Dabei steht die Entwicklung von leistungsstarken, leichten, kompakten und schnell aufladbaren Batterien im Mittelpunkt der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Für unsere Unternehmen – Hersteller wie Zulieferer – ist das eine gewaltige Kraftanstrengung. Die deutsche Automobilindustrie investiert in den nächsten drei bis vier Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro in alternative Antriebe. Das ist eine enorme Vorleistung“, unterstreicht Wissmann.

Der VDA-Präsident spricht sich für vergleichbare Wettbewerbsbedingungen in Europa aus. Deutschland müsse als Entwicklungs- und Produktionsstandort für die Elektromobilität attraktiv sein: „Es geht um die strategische Weichenstellung für den Industriestandort Deutschland. Für dieses Land und seine Beschäftigung wäre wenig gewonnen, wenn hier in wenigen Jahren zwar etliche Elektroautos unterwegs sind, diese Fahrzeuge aber nur in Asien, Nordamerika oder in europäischen Nachbarländern gefertigt werden, weil dort die Entwicklungs- und Produktionsbedingungen bei weitem besser flankiert wurden“, sagt Wissmann. „Es geht nicht allein darum, welcher Hersteller die ersten Elektrofahrzeuge auf die Straße bringt, sondern ob dieser Industrie der Schritt in die Großserienfertigung von Elektrofahrzeugen gelingt. Der Erfolg hängt auch von der Frage ab, ob die Politik bereit ist, die Herausforderungen, die sich mit dieser neuen Technologie an Entwicklung, Produktion, Markt und Infrastruktur stellen, anzunehmen“, betont der VDA-Präsident. dv

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