Es gibt keinen Königsweg – Challenge Bibendum 2010 in Rio

Nach ihrem Auftakt 1998 in Frankreich veranstaltete der Reifenhersteller Michelin Anfang Juni 2010 in Rio de Janeiro seinen Umweltgipfel für Mobilität, die Challenge Bibendum, nun bereits zum 10. Mal. Im Vorjahr war er angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise dem Rotstift zum Opfer gefallen, denn es wäre sehr schwer gewesen, die Automobilindustrie zu einer Teilnahme zu bewegen. Aber auch in diesem Jahr fehlten die ganz großen Namen. Mercedes war mit kleiner Mannschaft vertreten, ebenso Audi, auch die Franzosen zeigten Flagge. Hingegen fehlten die Japaner, allen voran Toyota. Im nächsten Jahr könnte es dann wieder ganz anders aussehen, wenn die Challenge Bibendum zum 11. Mal ihre Pforten öffnen wird, dann in Berlin auf dem alten Flughafengelände Tempelhof.

Immerhin 5.000 Experten, eingerechnet knapp 500 Journalisten aus 80 Ländern der Welt, waren nach Rio gereist, um sich über den neuesten Stand informieren zu lassen. Dass und welche Bedeutung die Veranstaltung inzwischen genießt, zeigt sich u.a. daran, dass neben dem französischen Botschafter, Oberbürgermeister und Gouverneur und weiteren Honoratioren sogar Brasiliens Staatspräsident Lula Da Silva, der zur Eröffnungsfeier in einer ausführlichen und leidenschaftlichen Rede die Vorzüge von aus Zuckerrohr gewonnenem Bioethanol beschrieb, der Veranstaltung seine Referenz erwies. Mit dieser nachwachsenden Ressource wird das Klima weit weniger belastet als mit den traditionellen Antriebsstoffen.

Warum überhaupt Challenge Bibendum? Erdöl ist endlich, auch angesichts oder gar trotz der Tatsache, dass im Gastgeberland Brasilien, allerdings in großen Tiefen, neue Ölfelder entdeckt worden sind.

Die Zahl der weltweit rollenden Fahrzeuge wird sich nach Ansicht der Experten bis zum Jahr 2030, spätestens aber 2040 von derzeit 800 Millionen Fahrzeugen verdoppeln. Bereits heute ist der Straßenverkehr in Brasiliens Großstädten Rio und São Paulo, in anderen Metropolen der Welt ist es ebenso, ursächlich für etwa 25 Prozent des CO2-Ausstoßes und damit hart an einer erträglichen Belastungsgrenze angelangt. Wie Michelin-Vorstand Didier Miraton gegenüber der Presse erklärte, bleibt es sein Ziel, den heutigen CO2-Ausstoß nicht zu übertreffen, trotz der erwarteten Verdoppelung der Fahrzeugflotte weltweit: Der durch den Reifen verursachte CO2-Ausstoß muss halbiert werden. Das kann nur mittels signifikanter Rollwiderstandsoptimierungen geschehen und natürlich durch Gewichtsreduzierung. Wie wichtig, allerdings auch schwierig, das Erreichen dieses Zieles ist, ergibt sich aus Miratons Hinweis, dass der Pkw-Reifen für 20 Prozent des Verbrauchs steht.

Da die Motoren selbst auch sparsamer werden, erhöhen sich die Anforderungen an den Reifen noch einmal.

Die Herausforderungen sind demnach klar: Verbrauchsreduzierung, weniger CO2-Emissionen, weniger Ablassen von sonstigen Giftstoffen, Geräuschreduzierung, Verbesserung des Verkehrsflusses. Eine sehr umfangreiche Aufgabe.

Doch bei der Challenge Bibendum geht es vorrangig nicht um Reifen, sondern um alternative Antriebsarten und Kraftstoffe. Sind sich auch alle Experten dahingehend einig, dass sehr viel und sehr schnell Erfolge erarbeitet werden müssen, so ist ihnen allen miteinander klar, dass es den oft so beschriebenen „Königsweg“ nicht gibt. Im Gegenteil: Es wird ein Mix aus allen bestehenden Antriebsarten sein, neue werden die alten ergänzen, aber noch lange nicht ersetzen. So sind moderne Benzin- und Dieselmotoren längst keine „Säufer“ mehr. Was nicht verbraucht wird, belastet die Atmosphäre auch nicht. Und der Durst der Motoren wird noch spürbar weiter gesenkt werden können.

Solarmobile haben noch einen weiten Weg vor sich, bis sie es wenigstens zu einer Randalternative schaffen könnten. Ausgerechnet in Rio und ausgerechnet während der Challenge Bibendum versteckte sich die Sonne tagelang hinter dicken Regenwolken. Und dann dreht sich nun mal kein Rad.

Die Brennstoffzelle, auch da waren sich die Beobachter einig, hat die an sie gerichteten großen Erwartungen bis heute nicht erfüllen können und scheint etwas ins Hintertreffen geraten zu sein. Die gegenüber der Challenge Bibendum 2007 in Shanghai erzielten technischen Weiterentwicklungen von Hybrid-Modellen sowie gasbetriebene (Erdgas/Flüssiggas) Motoren waren nur schwer auszumachen.

Bioethanol spielt wie zuvor bereits gesagt in Brasilien eine große Rolle. Die technisch nicht sehr anspruchsvollen Autos verfügen über so bezeichnete Flex-Fuel-Anlagen, die sowohl Benzin als auch Ethanol verbrennen. Doch in Europa wird sich Ethanol kaum durchsetzen, weil es in dortigen Gefilden kein Zuckerrohr gibt und sich Getreide weitaus weniger eignet.

Einen hohen Aufmerksamkeitsgrad erreichten Elektrofahrzeuge. Stellvertretend für alle anderen sei Audis E-Tron erwähnt, der Preise gleich reihenweise einzuheimsen wusste. Wie und mit welchem Aufwand man Batterien wieder auflädt, woher die Energie dann dafür kommen soll, ist eine bisher auf solchen Veranstaltungen nicht gründlich diskutierte Frage.

Challenge Bibendum, das ist aber auch ein Event, auf dem sich Fachleute aus aller Welt in Seminaren zusammenfinden und austauschen. Das ist und bleibt dringend notwendig, wenn die Umweltziele nicht verfehlt werden sollen.

Die Challenge Bibendum 2011 könnte tatsächlich ein Großereignis werden. Schwer vorstellbar, dass sich die deutsche Automobilindustrie nicht adäquat beteiligen wird, denn das Krisenjahr 2009 ist dann schon Geschichte.

Michelin als Veranstalter zeigt, wie ernst das Unternehmen es mit dem Thema Umweltschutz meint. Das Ziel, in welchem es keine Zielflagge geben kann, lautet: Reduzierung des Rollwiderstands so weit und so schnell wie möglich, ohne allerdings Nachteile oder Abstriche in Bremsverhalten und Langlebigkeit hinzunehmen.

Gastgeber der Challenge Bibendum zu sein, ist nicht ganz einfach. Der Konzern gibt dafür Millionenbeträge aus, und er muss dafür natürlich auch etwas zurückbekommen. Stellt Michelin sich nun zu stark selbst in den Vordergrund, könnten sich Teilnehmer als Lückenfüller sehen. Das darf nicht sein. Wie „kitzlig“ die Dinge sind, zeigt sich jedes Jahr wieder bei den Award-Verleihungen. Es werden Sieger auserkoren, aber gleichzeitig darf es keine Verlierer geben. Einfach ist das nicht immer.

Veranstaltungen wie die Challenge Bibendum machen aber auch deutlich, von welch enormer Wichtigkeit es für den Reifenfachhandel ist, sich mit diesem Thema zu befassen. Ein Reifen muss nicht nur preisgünstig sein, sondern er muss alle Anforderungen der Umwelt auch erfüllen so wie das nach dem heutigen Stand der Technik machbar ist. Leider gibt es noch zu viele Anbieter, die von Umwelt- oder „grünen Reifen“ reden, ohne einen solchen auch zu haben. Auf die Verkaufsberater im Handel kommen große Aufgaben zu. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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