Fein, aber klein: Neuer Trend bei Premiumautos

Das eigene Auto ist in Deutschland seit Jahrzehnten Gradmesser für sozialen Status. Doch es zeichnet sich allmählich ein Umdenken ab – mit gravierenden Folgen für die Industrie, wie die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in einer Studie unter dem Titel „Die Zukunft der Mobilität" aufzeigt. „Immer mehr Menschen betrachten das Auto in erster Linie als Fortbewegungsmittel. Drehzahl, Beschleunigung und Geschwindigkeit haben als Kaufkriterien zwar noch nicht ausgedient, aber ihre Bedeutung schwindet. Auch innerhalb des Premiumsegments zeigt sich ein klarer Trend in Richtung Small Premium. Wer heute einen 5er von BMW fährt, kauft morgen zwar kaum einen Dacia. Aber er könnte sich durchaus überlegen, beim nächsten Kauf auf einen 3er BMW oder einen X3 umzusteigen“, erläutert Harald Kayser, Leiter des Bereichs Automotive bei PwC.

Zwar wollen 80 Prozent der Besitzer eines Oberklasse-Pkw auch künftig nicht auf den gewohnten Luxus verzichten, doch immerhin 15 Prozent würden sich beim nächsten Autokauf für ein kleineres Fahrzeug entscheiden, weitere drei Prozent sind unentschieden. Dies ergab eine repräsentative Umfrage unter Autofahrern im August 2009. Von den Fahrern eines SUV bleiben 71 Prozent dem Geländewagen treu, während 22 Prozent ein bescheideneres Auto anschaffen wollen. Und selbst in der Mittelklasse wollen mehr Befragte künftig auf ein kleineres Auto umsteigen (zwölf Prozent) als auf ein größeres (vier Prozent). Alleine für Deutschland entspricht dies einem Umsatzrückgang von rund 1,5 Milliarden Euro. Allerdings kann sich nur ein Prozent der Autofahrer vorstellen, auf den eigenen Pkw zu verzichten.

„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass das Auto sehr wohl eine Zukunft hat. Allerdings müssen die Hersteller neue Mobilitätskonzepte entwickeln. Die Verfügbarkeit wird wichtiger als der Besitz eines Pkw“, kommentiert Kayser. Die Abkehr vom Auto als Statussymbol mag auch damit zusammenhängen, dass der Preis für Pkw mit Premiumanspruch in den vergangenen Jahrzehnten überproportional gestiegen ist. Wer 1975 eine S-Klasse fahren wollte, musste zwar schon damals mehr als das eineinhalbfache (156 Prozent) eines durchschnittlichen Jahreseinkommens auf den Tisch des Autohändlers legen. Das aktuelle Modell kostet allerdings fast zweieinhalb mal so viel (236 Prozent). Ein VW Polo ist demgegenüber zwar auch teurer geworden, der Anstieg von 34 Prozent auf 39 Prozent eines Durchschnittseinkommens ist aber vergleichsweise gering.

700.000 Autos weniger im Jahr 1 nach der Umweltprämie

Die Umsetzung neuer Ideen in marktfähige Produkte kostet Geld, das die Autoindustrie derzeit nur schwer aufbringen kann. Zwar werden 2009 in Deutschland dank der Abwrackprämie mit 3,8 Millionen Pkw voraussichtlich so viele Autos verkauft wie zuletzt Ende der 90er Jahre. Der staatlich finanzierte Boom ist jedoch nicht nachhaltig. Für 2010 rechnet PwC europaweit mit einem Absatzrückgang um vier Prozent auf 13,3 Millionen Pkw, wobei allein auf den Hauptmärkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien rund 700.000 Autos weniger verkauft werden dürften. In Deutschland führt der Absatzrückgang voraussichtlich zu einer Drosselung der Produktion um 160.000 Fahrzeuge im Jahr 2010. Eine Erholung setzt erst 2011 ein, ab 2012 rollen dann wieder mehr als fünf Millionen Fahrzeuge pro Jahr aus den Fertigungshallen. Am härtesten trifft diese Entwicklung die Volumenhersteller. Mit 2,1 Millionen Pkw werden in diesem Segment 2010 voraussichtlich so wenige Fahrzeuge hergestellt wie zuletzt 1993. Auch langfristig dürfte diese Zahl kaum auf mehr als 2,5 Millionen pro Jahr steigen.

Small Premium als Hoffnungsträger

Optimistischer ist die Prognose für die Premiumhersteller. Nach einem massiven Absatzeinbruch im laufenden Jahr dürfte die Produktion in Deutschland 2010 um sechs Prozent steigen. Auch mittelfristig sind die Perspektiven gut: Europaweit ist zwischen 2010 und 2015 mit einem Anstieg der Produktion von 3,5 Millionen auf 4,8 Millionen Einheiten zu rechnen. Allerdings wird dies vor allem auf die „Small-Premium“-Modelle (Mercedes A-Klasse, BMW 1er-Reihe u. a.) zutreffen. Damit wachsen die Hersteller auf Kosten der Umsatzrendite, die bei teureren Fahrzeugen höher ist als bei den Einstiegsmodellen.

Strukturelle Überkapazitäten bleiben

Auf Sicht der kommenden 24 Monate leidet die Autoindustrie nicht nur unter der sinkenden Nachfrage, sondern auch der Aufrechterhaltung von Überkapazitäten. „Weltweit dürfte die Auslastung der Automobilwerke 2009 auf den Wert von 63 Prozent fallen. Für eine rentable Produktion gilt ein Auslastungsgrad zwischen 75 und 80 Prozent als notwendig“, erläutert Felix Kuhnert, Partner und Automobilexperte bei PwC. Auch 2012 liegt die Auslastung voraussichtlich noch unter der Marke von 80 Prozent. Verantwortlich für diese Entwicklung sind laufende Kapazitätsausweitungen, insbesondere in Asien, sowie Produktivitätssteigerungen in den westlichen Automobilnationen. Demgegenüber sind Werksschließungen in den meisten Ländern aus politischen Gründen schwer oder überhaupt nicht durchsetzbar.

1.700 Euro fehlen pro Auto

Für die Autohersteller schlagen sich die Überkapazitäten in höheren Kosten nieder. Nach aktuellen Berechnungen müssten die Hersteller wegen der fehlenden Produktionsvolumina rund 1.700 Euro je Fahrzeug einsparen, um die für ihre Fahrzeuge gesetzten finanzwirtschaftlichen Ziele halten zu können. Gleichzeitig kommen auf die deutschen Automobilunternehmen in den kommenden fünf Jahren Investitionen von zusammen rund hundert Milliarden Euro allein für Forschung und Entwicklung zu. Kuhnert: „Da die Autoindustrie die Zusatzkosten kaum auf den Käufer überwälzen kann, müssen die Hersteller stärker als bisher auf Entwicklungspartnerschaften zur Kostensenkung setzen. Aber auch der Staat wird einen Beitrag leisten müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilbranche zu sichern.“

2020 jährlich 2,5 Millionen neue Elektroautos möglich

Zu den Wachstumschancen innerhalb der Automobilindustrie zählen zweifelsohne die alternativen Antriebskonzepte – allen voran die Elektromobilität. Die Regierungen unterschiedlicher Länder haben den Rahmen zur Förderung der Elektromobilität gesetzt, was den Partnern innerhalb der Industrie Planungssicherheit gibt. Auch wenn die Förderbudgets anderer Länder – insbesondere von China – deutlich höher sind, wird am Ende eine effiziente Umsetzung über den Erfolg entscheiden. Die Chance für eine endgültige Markt- und Großserienreife ist bei der Elektromobilität gegeben – sie wird sich jedoch nur schrittweise realisieren lassen. Die Automobilindustrie hat sich dieser Entwicklung gestellt. PwC-Experten halten in einem positiven Szenario, gekennzeichnet durch hohe Ölpreise, Infrastrukturprogramme und zusätzliche signifikante Kaufanreize, eine weltweite Produktion von Elektrofahrzeugen in einer Größenordnung von über 2,5 Mio. Einheiten in 2020 für möglich.

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