Restrukturierung bei Goodyear Dunlop: Schlanker, zentraler und markenübergreifend

Das erste Halbjahr 2009 ist für den Goodyear-Konzern im Allgemeinen und die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika nicht gut gelaufen. Größere operative Verluste in Nordamerika gehen einher mit Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe im sonst so profitablen europäischen Geschäft. Da dieser Bereich in den letzten zehn Jahren immer vom ertragreichen deutschen Geschäft überproportional zu profitieren wusste, liegt es auf der Hand, dass Goodyear auch hierzulande keinem guten Jahr entgegensieht. Halbwegs von katastrophalen Rückständen blieben allein die Regionen Lateinamerika und Asien verschont, wenngleich auch dort der operative Gewinn zusammengeschmolzen ist. Diesen durchaus alarmierenden Meldungen fügt der Goodyear-Konzern in offiziellen Statements Hoffnung verheißende Infos an. So seien in der ersten Jahreshälfte gleich 42 neue Produkte eingeführt worden, die Belegschaft sei um 5.500 Menschen abgebaut worden, was auch zu einer Kostenreduzierung von 345 Millionen US-Dollar beigetragen habe. Es sei gelungen, die Warenvorräte um rund 700 Millionen US-Dollar zu reduzieren seit Jahresende 2008 und last, but not least habe sich die Liquidität verbessert. Nach drei aufeinander folgenden schwachen Quartalen sieht CEO Robert J. Keegan nunmehr Licht am Ende des Tunnels. Er spricht von einer, wenn auch leichten Erholung. Und dann hört man auch noch Versprechungen, die so oder so ähnlich von vielen Konzernbossen abgegeben werden. Man konzentriere sich intensiv darauf, aus diesem Abschwung heraus in eine Position der Stärke zu kommen.

Das erste Halbjahr war nach Auskunft von Dr. Rainer Landwehr, Chef der Goodyear Dunlop-Holding in Hanau, für den Geschäftsbereich Pkw-Reifen nicht ganz so schlecht. Man bewege sich auf Vorjahresniveau mehr oder weniger, jedenfalls was das Ersatzgeschäft anbelangt. Geprügelt ist Goodyear, wie der gesamte Wettbewerb, auch im Erstausrüstungsgeschäft und hat signifikante Rückgänge im Nutzfahrzeugreifenbereich zu verkraften.

Mögen die Verkaufszahlen auch samt und sonders mit einem an die Spitze gesetzten Minus versehen sein, so gilt das nicht für Runflat-Reifen. Hiermit erreicht Goodyear Dunlop in Deutschland Zuwachsraten von 30 Prozent. Dr. Landwehr verweist darauf, dass nahezu alle Spitzenfahrzeuge auf Runflats setzen, und insbesondere bei Audi und Mercedes sieht er kurzfristig großes Potenzial.

Über das „normale Geschäft“ hinaus mit all seinen starken Schwankungen geht es aber bei der deutschen Organisation munter mit Restrukturierungen voran, die innerhalb der Belegschaft ein hohes Maß an Unruhe und Unsicherheit erzeugt haben und wegen der permanenten Unsicherheit auch auf das Betriebsklima drücken. So befürchten nicht wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Köln, dass der Standort aufgegeben werden könnte, weil zwischenzeitlich ein paar Funktionen nach Hanau verlagert worden sind und nun Büros leer stehen. Das aber steht überhaupt nicht an. Dr. Landwehr bekräftigt dies auch im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erneut und weist darauf hin, dies auch in Köln klar gemacht zu haben. Richtig ist lediglich, dass Hanau so etwas wie ein Hauptstandort für Deutschland ist und bleibt.

Innerhalb der Goodyear in Europa geht es vorrangig um das so bezeichnete „Eagle“-Projekt, und in Deutschland steht der Wunsch an, eine markenübergreifende Führung zu etablieren. Was steckt dahinter?

Zur Region Europa/Mittlerer Osten und Afrika gehören 103 Länder. Das mit der Restrukturierung bzw. Neuausrichtung verbundene Ziel liegt in der Erlangung einer höheren Integration und Harmonisierung, weil – so die Vorstellung – bei Erreichung dieser Ziele viel überflüssige Verwaltungsarbeit eingespart werden könne. Und so soll nach Landwehrs Vorstellung das Projekt „Eagle“ dem Unternehmen Wachstumspotenziale eröffnen und die gesamten Prozesssteuerungen optimieren. Was das aber konkret ist, kann en detail hier nicht beschrieben werden.

Das Projekt „Eagle“ ist somit ein Projekt der Region Europa, die sich auf diesem Wege mehr Einfluss verschafft und die Steuerung mehr in die Zentrale nach Brüssel verlagern möchte. Es ist leicht ersichtlich, dass es Einsparungspotenzial gibt, ob aber alle sich ergebenden Nachteile das Projekt letztlich kontraproduktiv werden lassen, wird man abwarten müssen. Das Risiko ist jedenfalls sehr groß. Während es in den USA einen Präsidenten gibt, der von West nach Ost und Süd nach Nord die Richtung vorgibt, gehen die Uhren in Europa völlig anders. Wie es schon kein Weltauto gibt, wird es auch keinen Weltreifen geben, ja es gibt nicht einmal eine Marke, die über größeres Ansehen in all diesen Ländern verfügt. Dunlop ist in einigen europäischen Ländern, darunter Deutschland, als erstklassige Premiummarke zu positionieren, während sie in anderen Ländern ein Schattendasein fristet. Mit Goodyear ist es so ähnlich. Dagegen ist Goodyear in dem in etwa gleich großen Markt Nordamerika durchgängig eine Spitzenmarke.

Die große Sorge nach dem Abschluss des JointVentures mit Dunlop bestand darin, Marktanteile zu verlieren. Von dieser Furcht getrieben, entschied man sich dafür, hinter dem Vorhang so viel gemeinsam wie möglich zu machen, vor dem Vorhang, also vor dem Kunden, waren die Marken jedoch klar getrennt. Im Ergebnis standen die diversen Markengesellschaften jede für sich. Für den für Goodyear entscheidenden deutschen Markt hat sich diese Aufteilung gelohnt, denn den Löwenanteil zu Umsatz und Gewinn hat ganz sicher die deutsche Organisation beigetragen.

Mit der nun vorangetriebenen Zentralisierung, und nur so kann man das Projekt „Eagle“ verstehen, lassen sich auf jeden Fall Kosten einsparen. Wenn damit aber ein Verlust anderer Vorteile verbunden ist, wird der gewünschte Erfolg nicht erreicht werden können. Es bleiben erhebliche Zweifel, ob dies der Weg der Zukunft sein kann.

Die Beschreibung der europäischen Aktivitäten war erforderlich, weil nur so die in Deutschland angestrebten Änderungen ersichtlich werden und ihren Sinn erkennen lassen. Denn es geht auch in Hanau um etwas, um das sich immer alles dreht: Einsparung von Kosten. Im Innenverhältnis gibt es nach Dr. Landwehrs Worten noch einiges an Einsparpotenzial, weil vieles derzeit noch nicht kompatibel gemacht worden sei. Sofern die Prozessoptimierung gelingt, ist alles bestens. Solange und sofern sie nicht mit zu erleidenden Verlusten „eingekauft“ worden ist.

Stichworte in Hanau sind „funktionelle Chefs“, man strebt an, „markenübergreifend zu führen“ und zu koordinieren und letztlich will man auch „markenübergreifend planen“. Das ist eine glatte Abkehr von dem Modell der Führung durch Markengesellschaften.

Dass eine Handvoll großer europäischer Reifenhandelsgesellschaften durch so bezeichnete „Pan European Accounts“ gemanagt wird, ist dabei eine nachvollziehbare Notwendigkeit. Euromaster endet nicht an irgendeiner europäischen Grenze, sondern ist europaweit aktiv.

Dr. Landwehr legt Wert auf die Feststellung gegenüber dieser Zeitschrift, dass die Änderungen viele Dinge „hinter dem Vorhang“ betreffen und der Kunde an sich recht wenig davon spüren werde. Wenn da aber nicht mal die Cleverness deutscher Reifenfachhändler unterschätzt wird.

Ansonsten muss abgewartet werden, ob die Zeit für „markenübergreifende Maßnahmen“ wirklich reif ist. Es gibt kein wirkliches, Erfolg versprechendes europäisches Marketingkonzept, nicht mal einen einzigen Werbeslogan.

Man kann davon ausgehen, dass die Marken Goodyear, Dunlop und Fulda separiert bleiben, aber der Einfluss der sagen wir mal Verkaufsleiter wird spürbar geringer sein in der Organisation Goodyear Dunlop.

Die Reorganisation oder Restrukturierung wird in letzter Konsequenz dann erfolgreich werden können, wenn es gelingt, beide Marken – Goodyear und Dunlop – als „erste Marken“ positioniert zu halten. Konkurrent Continental hat sich damit sehr schwer getan, denn mit Continental und Uniroyal hatte man insbesondere im Breitreifensektor erstklassige „erste Marken“. Das kann man von Uniroyal heute nun wirklich nicht mehr sagen.

Doch der Tag soll bekanntlich nicht vor dem Abend gelobt werden. Es bleibt abzuwarten, was umgesetzt werden kann. Je zentralisierter die Organisation, desto einflussloser die nationalen Organisationen, was aber nicht heißt, dass sie nicht dennoch bei Misserfolg zu haften haben.

Möglicherweise ist alles auch nur ein akademischer Streit, denn in einem Punkt hat Dr. Landwehr allemal recht: „Kosten müssen immer runter, Preise sinken immer.“

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