Die Borbet-Gruppe sieht Tal in der Automobilwirtschaft durchschritten

„Es geht wieder aufwärts“, atmet Borbet-Hauptgesellschafter und -Geschäftsführer Peter Wilhelm Borbet sichtbar durch. Die letzten Monate waren für die Aluminiumräderbranche hart, auch der für seine herausragende Produktivität bekannte Hersteller Borbet konnte sich dem nicht entziehen. Am schmerzlichsten wohl die Entscheidung vom April dieses Jahres, das Werk Soultzmatt in Frankreich aufgeben zu müssen und damit 154 Mitarbeiter in eine unsichere Zukunft zu schicken. Wobei sich Borbet seiner sozialen Verantwortung sehr wohl bewusst zeigt und bei Härtefällen hilft.

Mittlerweile gehen im Unternehmen wieder vermehrt Bestellungen denn Stornierungen ein, der monatelang branchenweit daniederliegende und auch bei Borbet völlig unbefriedigende Auslastungsgrad in den Räderwerken scheint sich langsam zu erholen. Zwar kann von einer Gesundung und Rückkehr zu besten Zeiten noch keine Rede sein, doch der Chef des „mittelständischen Unternehmens“ – wie er im Gespräch immer mal wieder den Stellenwert seiner Gruppe in der Automobilwirtschaft einordnet – ist schon von Natur aus ein optimistischer und nach vorne blickender Mensch: „Die millionenschweren Investitionen, die wir schon vor der Krise projektiert hatten, ziehen wir jetzt auch durch.“ In 2008 hat Borbet eine Rekordsumme in der gesamten Unternehmensgeschichte investiert, in 2009 wird es immer noch ein Spitzenwert sein. Möglich wird das, weil die Unternehmerfamilie auch in den guten Jahren erwirtschaftete Gewinne voll reinvestiert und kein Geld aus der Firma abgezogen hat.

Für den Standort Soultzmatt kommt die langsame Erholung des Marktes zu spät, wohl keiner bedauert dies mehr als Borbet selbst: Seit der Übernahme der Südrad Roues France (SRF) im Frühjahr 2004 hatte er immer wieder Geld in das dortige Werk gepumpt, wollte auch hier die Produktivität erreichen, für die seine anderen Werke bekannt sind. Erst vor etwa einem Jahr hatte sich Borbet entschlossen, die Kapazitäten des französischen Standortes auf gut eine Million Einheiten pro Jahr zu verdoppeln, hatte Pläne für den Bau einer neuen Halle bis zur Baureife getrieben – da brach die Nachfrage von den Automobilherstellern ein. Und auch die französischen OE-Kunden des Werkes zeigten in dieser Lage wenig Neigung, einen einheimischen Zuliefererstandort zu bevorzugen.

Soultzmatt war beileibe nicht der einzige Standort, der vor allem im vierten Quartal des letzten, aber auch noch im ersten Quartal dieses Jahres Sorgen bereitete und wo die Auslastung völlig unbefriedigend war. Peter Wilhelm Borbet: „Kurzarbeit mussten wir in allen Werken der Gruppe einführen, in Südafrika läuft die Wirtschaft derzeit auch nicht rund (das ab 2003 in zwei Schritten übernommene Werk Borbet South Africa in Port Elizabeth hat heute eine Kapazität von ca. 1,2 Mio. Einheiten jährlich für die heimische Automobilindustrie, aber auch zum Beispiel OE-Exporte an Volkswagen, d. Red.), aber „Alabama“ ist vom schweren Einbruch des US-Marktes besonders betroffen gewesen.“ Gemeint ist das Alugussräderwerk in Auburn im Bundesstaat Alabama, das er aus der Insolvenzmasse des Wettbewerbers ATS im Juni 2008 herausgekauft hatte. Der Blick des Unternehmers in die aktuellen Zahlenkolonnen, die ihm aus Amerika übermittelt worden sind, hellt seine Miene auf. Es gehe endlich aufwärts, die Amerikaner und Kanadier werden doch auch in Zukunft Autos kaufen, lang-, vielleicht sogar schon mittelfristig werde sich die Entscheidung für Auburn noch als strategisch goldrichtig erweisen, begegnet Borbet etwaiger Skepsis mit seinem Vertrauen in die Zukunft. Hilfreich könnte dabei sein, dass schon vor Jahren und jetzt noch einmal verstärkt eine Ausdünnung der Zuliefererlandschaft von Aluminiumgussfelgen in Nordamerika stattgefunden hat. Borbet wird dabei nicht nur die „Big Three“ der amerikanischen Automobilindustrie („New GM“, Ford und Chrysler) im Blick haben, das Werk von Mercedes ist im gleichen Bundesstaat Alabama angesiedelt, das von BMW in South Carolina liegt ebenso noch in überschaubarer Entfernung wie das im Bau befindliche von Volkswagen (Tennessee) – allesamt starke Borbet-Kunden hierzulande!

Wobei: Die durch die Umweltprämie in Deutschland ausgelöste Welle an Neuzulassungen hat einem Zulieferer von Aluminiumfelgen nur sehr bedingt geholfen, wirft Margot Borbet ein, die das unternehmerische Schaffen ihres Mannes so aktiv begleitet. Überproportional werden wegen des hohen Anteils an Klein- und Kompaktwagen Auslieferungen auf Stahlfelgen vorgenommen. „Davon haben wir nichts.“ Aber: Gerade erst hat ein Automobilhersteller sich entschlossen, sich bei einer Großserie doch nicht für das ursprünglich vorgesehene sehr spezielle Stahlrad zu entscheiden, sondern ist doch noch umgeschwenkt auf Aluminium, was für einen von der Überlegenheit des eigenen Produktes so überzeugten Mann wie Peter Wilhelm Borbet natürlich eine große Bestätigung ist.

Immer wieder Bestätigung ist ihm aber auch sein Bekenntnis zum Standort Deutschland: Um die Jahrtausendwende hat er im nahen Medebach in zwei Stufen ein großes Werk aus dem Boden gestampft. Die 2001 übernommene und heute unter Borbet Solingen firmierende Fabrik wurde praktisch völlig runderneuert und ist aktuell bevorzugter Produktionsstandort, wenn es um die anziehende Nachfrage für glanzgedrehte Räder und besonders leichte großdimensionierte High-Tech-Alus geht, für die das sogenannte „Flow-Forming“ genutzt wird: Drei derartige Anlagen sind in Solingen installiert und sorgen für eine Kapazität von knapp einer Million dieses Typus, der den Namen „Leicht“metallrad so zu Recht trägt.

Geradezu ins Schwärmen gerät Peter Wilhelm Borbet, wenn die Rede auf den Standort Bad Langensalza kommt: Was wurden damals, zu Beginn dieses Jahrzehnts, nicht für Standorte geprüft? Nicht wenige Berater hatten ihm nahegelegt, diese Investition im nahen östlichen Ausland vorzunehmen: Heute erweist sich die Borbet Thüringen GmbH – im Übrigen seit Kurzem vom ehemaligen ATS-Manager Jürgen Gareis geführt – neben der „Perle“ Borbet Austria (Originalton P. W. Borbet) in Ranshofen nicht nur hinsichtlich der inzwischen erreichten Kapazität von drei Millionen Einheiten jährlich als eine tragende Säule im Werksverbund: Beliefert werden von hier sämtliche Pkw-Werke in den fünf neuen Bundesländern, Autofabriken in Tschechien und der Slowakei sowie im Westen der Republik. Pläne für Erweiterungen liegen in der Schublade und können jederzeit herausgeholt werden.

Hinsichtlich des Ausbaus von Kapazitäten ist Borbet allerdings vorsichtiger geworden, die Wirtschaftskrise hat ihm und im Übrigen der ganzen Branche vor Augen geführt, dass die Nachfrage in Nordamerika und Westeuropa endlich ist, die Märkte sind gesättigt. Russland, Türkei – gewiss, da winkt schon mittelfristig Potenzial, aber Riesenmärkte wie Indien oder China sind weit weg, vielleicht zu weit für einen Mittelständler, nicht nur bezogen auf die geografische Entfernung, auch auf die kulturelle.

Die gesamte Branche hat in den fetten Jahren beim Aufbau von Kapazitäten überzogen, dieser Erkenntnis verschließt sich auch Borbet nicht und nimmt sich nicht aus. Also treibt ihn der Gedanke um, die ja schon als vorbildlich geltende Produktivität noch weiter zu erhöhen: Mit einer optimierten Verkettung lassen sich die Fertigungskosten drücken. Positive Erfahrungen vor allem in Solingen und Bad Langensalza sollen künftig auch dem Werk in Auburn zugute kommen, am Stammsitz Hesborn sind sie gerade realisiert worden.

Hier, im Hochsauerland, fing im Jahre 1962 für Peter W. Borbet alles an. Er setzte konsequent fort, was Großvater und Vater aufgebaut hatten. Und er möchte, dass die Tradition des Familienbetriebes nicht endet: Seine beiden Söhne Dirk und Peter Wilhelm (jun.) sind in verantwortlichen Positionen im Unternehmen verankert. Sentimental ist Borbet vielleicht nicht, und doch fällt im Gespräch das Wort „Herzblut“. Und zwar bezogen auf die vielen Mitarbeiter in Hallenberg-Hesborn, die vereinzelt sogar bis zur dritten Generation schon im Unternehmen sind. „Sie haben das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist“, weiß Borbet genau, dass ohne seine Mitarbeiter der Aufstieg nicht möglich gewesen wäre. „Und ich habe ausgezeichnete Mitarbeiter“, lobt er und erklärt damit unter anderem auch, dass er bereit ist, mit seinen aktuellen Investitionen in den Standort Hesborn den Menschen etwas zurückzugeben. Im Nachhinein muss man wohl konstatieren, dass in den letzten etwa zwei Jahrzehnten der Stammsitz vielleicht etwas stiefmütterlich behandelt worden ist. Die Höhenflüge der Borbet-Gruppe werden allzu leicht den hochmodernen jeweils zwei neu erbauten und akquirierten Werken zugeschrieben. Das wird man so künftig nicht mehr sagen können: Ende 2007 erfolgte der erste Spatenstich für eine Zukunftsinvestition in Hallenberg-Hesborn: Mit der Mitte des letzten Jahres fertiggestellten neuen Produktionshalle hat sich der Bestand auf 14.500 Quadratmeter fast verdoppelt. Eine hochmoderne und effiziente, aber doch auch ökologisch alle Anforderungen erfüllende Lackieranlage mit einer Kapazität von 500 Einheiten pro Stunde wurde installiert, zwei neue Wärmebehandlungsanlagen aufgebaut, die mechanische Bearbeitung ist hochautomatisiert, der Materialfluss erfolgt mittels modernster Fördertechnik. Ca. zwei Millionen Räder können hier jetzt jährlich produziert werden. Die vereinzelt anzutreffende Erwartung, hier würde ein neues Werk entstehen, das ausschließlich oder jedenfalls weitgehend dem Ersatzgeschäft vorbehalten bleibe, ist in dieser Absolutheit ebensowenig richtig wie die gegenteilige Erwartung. In Hesborn können einerseits auch Kleinserien für das eigene Aftermarket-Geschäft ebenso realisiert werden wie für Tunerkunden – die Crème de la Crème der deutschen Tunerzunft lässt bei Borbet produzieren, auch mehrteilige Räder –, aber die neu geschaffene Produktionsstätte erfüllt andererseits auch sämtliche Anforderungen der Erstausrüstungskunden und wird darum – diesen Erfahrungswert muss man wohl einbringen – auch von den OE-Kunden entsprechend genutzt werden. Dennoch: Peter Wilhelm Borbet hat es hausintern geradezu zum „Gesetz“ (O-Ton) erklärt, dass das Ersatz- und Umrüstgeschäft, das aktuell weniger als zehn Prozent vom Umsatz ausmacht, künftig im Zweifelsfalle nicht mehr automatisch hinter dem Erstausrüstungsgeschäft zurückstehen muss. Die Investitionen in den Standort Hesborn dienen also nicht dem „Entweder oder“, sondern dem „Sowohl als auch“. Man mag dies wohl auch als eine Lehre aus der aktuellen Krise der Automobilhersteller werten und dem daraus resultierenden Bestreben, das hohe Maß an Abhängigkeit von eben dieser Kundenklientel zu verringern.

Dazu kann im Übrigen auch die zur Gruppe gehörende CW Fahrzeugtechnik Vertriebs GmbH (Niederneuching) beitragen, allerdings ist CW nicht nur zweite Rädermarke, sondern hat auch noch andere Aktivitäten im automobilen Umfeld wie das Geschäft mit Reifen (vor allem für den Offroad-Einsatz, aber beispielsweise auch für Quads). Wie ernst es der Borbet-Chef mit dieser Tochtergesellschaft meint, ist auch daran abzulesen, dass er dort jüngst die Geschäftsführung neu geregelt hat: Irmgard Barth, bis Mitte September letzten Jahres Geschäftsführerin des Aluminiumradanbieters Autec GmbH & Co. KG mit Sitz in Schifferstadt, übernahm zum 1. Juli die Geschäftsführung und folgt damit auf den langjährigen und zweifellos verdienten CW-Geschäftsführer Klaus-Peter Bederke (71), der in den Ruhestand gegangen ist.

Wenn es um Neukundengewinnung geht oder um Neuaufträge, dann zeigt Borbet, dass man höchst ambitioniert geblieben ist und sich immer neue Ziele setzt: Gerade erst folgte auf den Einstieg bei Renault auch der bei Fiat. Das Kundenportfolio ist längst breit gestreut, kein Einzelkunde reicht auf zwanzig Prozent Anteil heran. Dennoch sieht der unermüdliche Peter Wilhelm Borbet noch weiteres Potenzial und denkt dabei an Toyota und Nissan.

Heute steht der Aluminiumräderhersteller Borbet mit einer Jahreskapazität von etwa 14 Millionen Einheiten jährlich gemeinsam mit Wettbewerber Ronal auf Augenhöhe auf dem obersten Podest in Europa. Die nächsten europäischen Mitbewerber (Uniwheels, CMS, Hayes Lemmerz) liegen schon ein gehöriges Stück zurück. In 2007 und in den ersten drei Quartalen 2008 waren die Auslastungsgrade in den Werken noch blendend, trotz Kurzarbeit und stillgelegter Gießautomaten und des Verlustes von Soultzmatt dürfte die Borbet-Gruppe aber auch in diesem Jahr immerhin noch die magische Zahl von zehn Millionen Einheiten überschreiten. Auch der Umsatz ist natürlich eingebrochen: Dass Borbet nicht mehr wie in den beiden Vorjahren die Marke von 600 Millionen Euro durchbrechen wird, liegt allerdings nicht nur an den gesunkenen Stückzahlen, sondern auch am signifikant zurückgegangenen Preis für den Rohstoff Aluminium. Die Mitarbeiterzahl wird von mehr als 3.000 im letzten Jahr in 2009 auf etwa 2.500 sinken, das liegt zwar auch an der Aufgabe des Standortes Soultzmatt und an den geringeren Stückzahlen, vor allem aber an der stetig gesteigerten Produktivität. In der Branche wurde Borbet in den letzten Jahren angesichts seines Expansionsdranges immer wieder nachgesagt, er wolle partout der größte Aluminiumräderhersteller werden – er will der Beste sein.

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