Weltmarktführer Wegmann Automotive setzt auf Deutschland

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Nur eher selten nimmt der Endverbraucher Notiz von den kleinen Gewichten, die ihm der Monteur nach dem Reifenwechsel im Frühjahr oder Herbst an der Felge befestigt. Viele – darunter auch manche im Reifen(fach?)handel – sind sogar der fälschlichen Ansicht, Auswuchten koste nur unnötig Zeit und Geld. Beim deutschen Hersteller für Auswuchtgewichte Wegmann Automotive ist man verständlicherweise anderer Ansicht und wendet sich mit immer deutlicheren Worten und Kampagnen an die Öffentlichkeit und leistet hier wichtige Überzeugungsarbeit. Dabei kann das Unternehmen auf die hohe Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Argumente vertrauen, kommen sie doch nicht nur vom mengenmäßigen Weltmarktführer, sondern auch von dem Erstausrüster überhaupt, der mit seinen Qualitätsprodukten so ziemlich jeden Fahrzeughersteller diesseits und jenseits des Atlantiks beliefert. Aktuell befindet sich die Unternehmensgruppe im Umbruch und konzentriert die Produktionsstandorte in Veitshöchheim bei Würzburg. Warum dies alles gleichzeitig notwendig ist, erläutern Thorsten Thom und Nadine Huber im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG.

Wegmann Automotive wurde im vergangenen Jahr als neue Dachmarke der Wegmann-Gruppe gegründet; darunter versammeln sich die Marken Dionys Hofmann, Franken Original, F-Ecoline und Perfect (USA). In ihren Produktionsstätten in Deutschland und Nordamerika kann die Gruppe jährlich bis zu eine Milliarde Auswuchtgewichte fertigen, wovon die Hälfte, also 500 Millionen Stück, auf Deutschland entfällt. Die Liste der Erstausrüstungskunden ist lang und stellt das „Who’s who“ der Automobilbranche dar. Die Rolle des Unternehmens, das derzeit auch die globale Firmenzentrale ins unterfränkische Veitshöchheim verlegt (dazu unten mehr), als weltweit führender Automobilzulieferer in seinem Marktsegment und auch führender Lieferant für die Ersatzmärkte ist damit klar umrissen.

Seit einiger Zeit ist man im Unternehmen der Ansicht, dass man diese zentrale Stellung mehr und mehr nutzen muss, um Endverbraucher wie auch Kunden aus dem Reifenhandel von der Wichtigkeit der kleinen Gewichte zu überzeugen. Dabei wird nicht zuletzt auch die Stellung der Wegmann-Gruppe durch zweierlei Tendenzen herausgefordert: Einerseits durch die zum Teil fehlende Einsicht, Auswuchten würde auch etwas bringen und nicht nur etwas kosten; andererseits durch die aufdringlichen Marktteilnehmer aus Fernost, die mit Plagiaten und Produkten mangelhafter und zum Teil rechtswidriger Qualität die Ersatzmarktkunden belagern – zu Spottpreisen, versteht sich.

Damit Wegmann Automotive die notwendigen personellen Voraussetzungen hat, um geplante Kampagnen und letztendlich die komplette Überzeugungsarbeit leisten zu können, bauen Gesamtvertriebsleiter Thorsten Thom und die Marketingverantwortliche Nadine Huber derzeit eine vollwertige Marketingabteilung in Veitshöchheim mit globaler Verantwortung auf. Bereits früher war es das Unternehmen Dionys Hofmann – heute Teil von Wegmann Automotive – das sich exponierte und anklagend den Finger in Richtung China zeigte. Damals berichtete auch die NEUE REIFENZEITUNG (Heft 1/2007) unter dem Titel „Schmutziges Zink aus China verzerrt den Wettbewerb – Auswuchtgewichte: Umweltministerium ermittelt“ über die Kampagne des Weltmarktführers. Heute sollen die Kapazitäten des Unternehmens im Bereich Öffentlichkeitsarbeit – im Dienste aller Verbraucher – zusammengefasst werden, damit Wegmann konzertierter Einfluss nehmen kann auf die öffentliche Meinungsbildung in puncto Auswuchtgewichte.

Dass ein Rad- oder Reifenwechsel ohne Auswuchten nicht stattfinden sollte, bekommt jeder Lehrling im Reifenhandwerk mit auf den Weg. Dennoch müsse man immer wieder aufs Neue auch erfahrene Monteure und Meister darauf hinweisen, so Gesamtvertriebsleiter Thorsten Thom, dass das Auswuchten mehr Sicherheit, mehr Komfort, dafür aber weniger Verschleiß und Benzinverbrauch bedeutet. Entlang dieser Argumentationslinie orientiert sich auch die zunehmende Anzahl an Broschüren, Anzeigen, Flyern, Postern, Informationsmaterialien etc., mit denen Wegmann Automotive auf die öffentliche Meinung einwirken will. Teil solcher Kampagnen sind stets auch Messepräsenzen; Dionys Hofmann stellt Kunden auf Wunsch auch ein Stand-in-Stand-Konzept zur Verfügung, mit dem Auswuchten thematisiert werden kann.

Neben den Kampagnen, mit denen die neue Holding Wegmann Automotive ganz grundsätzlich das Thema Auswuchten und dessen Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung verankern möchte, legt das Unternehmen auch großen Wert auf die Feststellung, dass insbesondere die von den Automobilherstellern verwendeten Gewichte den hohen Ansprüchen genügen sollten; mit günstigen Ersatzmarktalternativen – am Ende gar aus Fernost-Billigproduktion – spare man nur im ersten Moment ein paar Cent ein.

Der Grund: Die Auswuchtgewichte aus der Erstausrüstung werden in Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern speziell für die Felgenformen einzelner Fabrikate entwickelt, dadurch sei eine genaue Anpassung auf die Felgenform garantiert. Die extrem starke Haltefeder bei Schlaggewichten und der spezielle Klebestreifen bei Kleberiegeln halten selbst extremsten Beanspruchungen stand, so der Weltmarktführer. So werden die Originalgewichte bei den OEMs regelmäßigen Testläufen unterzogen, bei denen die Haltekraft auf dem Prüfstand steht. Der allzeit feste Sitz sei hingegen bei den günstigen Alternativen nicht immer gewährleistet. So lasse sich das Gewicht etwa aufgrund der weichen Feder leichter aufschlagen, jedoch könne genau diese weichere Feder auch dazu führen, dass ein verrutschen des Gewichtes möglich ist. Bei Klebegewichten bestehe durch die Verwendung von geringerwertigen Klebestreifen das Risiko des Abfallens, wodurch Schäden und Kratzer an der Karosserie entstehen können. Teure Folgeschäden können entstehen.

Ein weiterer Qualitätsindikator für OEM-Gewichte ist die Beschichtung. Ein nach Erstausrüstermaßstäben gefertigtes Gewicht halte einem Salzsprühtest von mindestens 750 Stunden stand, bevor es erste Korrosionserscheinungen zeige, so der Hersteller. Ein beschichtetes Gewicht für den Ersatzmarkt halte hingegen nur noch 250 Stunden und ein unbeschichtetes Billiggewicht keine 100 Stunden. Die entstehende Korrosion sehe nicht nur unschön aus, sie könne auch massiv die Felge beschädigen. Vor allem bei teuren Aluminiumfelgen stehe der Cent-Betrag des Gewichtes in keiner Relation zum möglichen Schaden. „Ein Auswuchten mit Originalgewichten würde den Autofahrer nur Cent-Beträge mehr kosten pro Rad. Eine kleine Investition, welche teure Folgeschäden verhindern kann“, betont Thorsten Thom.

Produkte für jeden Anspruch

Wegmann Automotive kann weltweit jährlich bis zu eine Milliarde Auswuchtgewichte fertigen; 500 Millionen in Europa/Deutschland und 500 Millionen in La Vergne (Tennessee/USA). Dortt ist die Fertigung der Perfect Equipment Inc. niedergelassen, die ausschließlich die NAFTA-Staaten bedient. In Europa verfolgt man eine klare Mehrmarkenstrategie. Das Premiumprodukt und stark in der Erstausrüstung vertreten (59 Prozent Marktanteil in Westeuropa) ist die Marke „Dionys Hofmann“, die als „Power Weight“, also „Leistungsgewicht“ international vermarktet wird. In Europa ist man bei namhaften Automobilherstellern wie etwa Audi, Mercedes-Benz, VW, Seat, Ford, Opel, Fiat, Alfa, Ferrari, Porsche, Skoda, Saab, Volvo und Renault vertreten und ist darüber hinaus Ausrüster der DTM und der American Le Mans Series (ALMS). Asiatische Autohersteller in Europa lassen sich in der Regel von Lieferanten ihrer jeweiligen Heimatregion beliefern.

Das zweite Premiumprodukt der Gruppe ist die Marke „Franken Original“. Preislich und qualitativ auf den Hofmann-Niveau, werden Franken-Gewichte doch überwiegend auf dem deutschen Ersatzmarkt vertrieben. Allerdings gibt es hier eine Besonderheit: Der Erstausrüstungskunde BMW bezieht aus traditionellen Gründen ausschließlich Franken-Gewichte. Zusammen mit den neun Prozent Marktanteil in der westeuropäischen Erstausrüstung mit Franken Original rüstet Wegmann Automotive mehr als zwei von drei in Westeuropa gebaute Autos mit Auswuchtgewichten aus. Weltweit habe die Unternehmensgruppe einen Marktanteil von 28 Prozent – Erstausrüstung und Ersatzmärkte inklusive.

Weil sich der Marktanteil der Gruppe in der Erstausrüstung in Europa kaum mehr steigern lässt, nimmt Wegmann Automotive nun verstärkt den Aftermarket ins Visier, so Thorsten Thom. 2007 eingeführt und seit 2008 stark fokussiert, eröffnet die neue Marke „F-Ecoline“ („F“ steht für Franken) neue Potenziale. „Wir wollen zwar möglichst viele Gewichte in Erstausrüsterqualität auf dem Ersatzmarkt verkaufen. Aber wir müssen den Markt qualitativ wie auch preislich bedienen“, erläutert der Gesamtvertriebsleiter die geänderte Strategie, mit der sich Wegmann Automotive den sich ebenfalls ändernden Marktanforderungen anpasst. Insbesondere günstige Importware lande immer häufiger auf den europäischen Ersatzmärkten. „Sie brauchen etwas Vergleichbares, um etwas gegen diesen Wettbewerb in der Hand zu haben“, so Thom weiter. Die Marke F-Ecoline deckt somit das untere Marktsegment ab.

Mit der Gründung der neuen Holding „Wegmann Automotive“ könnte die Vermutung aufkommen, eine neue Marke für Auswuchtgewichte sei im Werden. „Dies wird nicht der Fall sein“, ergänzt die Marketingverantwortliche Nadine Huber; es solle keine Gewichte unter dem Markennamen Wegmann geben. „Unsere Verkäufer treten zwar für die Wegmann-Gruppe auf. Aber wir werden nur die bekannten Marken kommunizieren.“ Auch andere Marken seien derzeit nicht in Planung.

Neue Struktur in Deutschland

Bisher betrieb die Unternehmensgruppe in Deutschland – für den europäischen Markt – zwei zentrale Produktionsstandorte: in Albstadt (Dionys Hofmann) und in bzw. bei Würzburg (Franken-Industrie). Als Anfang des neuen Jahrtausends der Modernisierungsdruck auf die fast 100 Jahre alte Fabrik inmitten Würzburgs zu groß wurde, beschloss die Gruppe den Umzug der kompletten Produktion mit ihren 150 Mitarbeitern auf die „grüne Wiese“ ins zwei Kilometer entfernte Veitshöchheim. Seit 2006 laufen die modernen Anlagen aus den alten Würzburger Gemäuern nun in den völlig neu errichteten Hallen vor den Toren der unterfränkischen Stadt.

Ähnlich hoch wie seinerzeit in Würzburg ist aber auch der Modernisierungs- und Erweiterungsdruck der Hofmann-Produktion im 220 Kilometer von Würzburg entfernten Albstadt im Süden Baden-Württembergs. Darüber hinaus wurde der firmeninterne Vergleichsmaßstab für die Produktivität durch die neue Green-Field-Fabrik in Veitshöchheim noch einmal nach oben gelegt. „Die kostspieligen Modernisierungsmaßnahmen in der Fabrik in Albstadt, die im Tal an einem Hang liegt und kaum noch erweiterbar ist, hätten sich vor Ort nicht gerechnet“, sagt Gesamtvertriebsleiter Thorsten Thom. Folglich musste das Unternehmen die Entscheidung treffen, die Fertigung in Albstadt mit rund 200 Mitarbeitern einzustellen und stattdessen die neue Fabrik bei Würzburg um die Albstädter Kapazitäten auszubauen. „Durch diesen Schritt investieren wir in die langfristige Sicherung des Standortes Deutschland und in unsere Wettbewerbsfähigkeit“, ergänzt Thom. „Wir sind ein deutsches Unternehmen und wollen auch weiterhin in Deutschland produzieren.“

Der Gesamtvertriebsleiter weiter: „Künftig haben wir hier in Veitshöchheim dann ein einziges großes und hoch automatisiertes Werk mit zwei Teilen.“ Während das Rohmateriallager, die Kommissionierung etc. künftig gemeinsam stattfindet, bleiben „die entscheidenden Fertigungsprozesse von Hofmann- und Franken-Gewichten getrennt.“ In der modernisierten, produktiveren und weltweit größten Anlage des Herstellers in Veitshöchheim sollen künftig – nach vollzogener Standortfusion – 200 bis 250 Mitarbeiter beschäftigt werden. Es sei verständlich, dass nicht alle Mitarbeiter aus Albstadt das Angebot angenommen haben, ihrer Arbeit künftig im zwei Fahrstunden entfernten Unterfranken nachzugehen.

Nachdem in diesem Juni die Rohbauarbeiten für den zweiten Abschnitt des neuen, fusionierten Werkes in Veitshöchheim fertiggestellt wurden, sollen bereits ab diesen Herbst alle Produktlinien der Marken Dionys Hofmann, Franken Original und F-Ecoline für den europäischen Aftermarket in der neuen Produktionszentrale gefertigt werden. Durch die weitere schrittweise Verlagerung der Kapazitäten aus Albstadt nach Veitshöchheim soll dann auch die Produktion der OEM-Gewichte in naher Zukunft folgen. Das organisatorische Problem: Man könne nicht einfach die komplette Hofmann-Anlage in Albstadt stilllegen und das Equipment mit einem einzigen Umzug verlagern, sondern müsse dies Schritt für Schritt tun. So wird die Produktion nicht komplett unterbrochen. Bevor das Equipment aus der alten Fabrik in Veitshöchheim montiert wird, werde es grundlegend modernisiert.

Eine Besonderheit der Zentralisierung am Standort Veitshöchheim ist der Ausbau des Logistikzentrums. Innerhalb der kommenden Monate wird dieses auf eine schnelle europaweite Distribution getrimmt. „Eine Versendung aller Artikel wird innerhalb kürzester Zeit möglich sein. Voraussetzung dafür sind modernste Lagermethoden und hochmoderne Logistikprozesse, welche momentan mit Hilfe von externen Spezialisten geschaffen werden“, betont der Gesamtvertriebsleiter. Durch die kürzeren Lieferzeiten werde die Kapitalbindung des Kunden stark reduziert und Wegmann Automotive könne dank optimierter Prozesse selbst Auftragsspitzen in der Hauptsaison problemlos abdecken.

In der Fusion der beiden deutschen Produktionsstätten komme im Übrigen auch die Unternehmensphilosophie zum Ausdruck, nach der das „Massenprodukt Auswuchtgewicht an einen Standort pro Kontinent“ gefertigt werden sollte. So wird eine optimale Kostenstruktur erreicht. Der europäische Markt wird nunmehr vom neuen Stammsitz in Veitshöchheim aus beliefert, der nordamerikanische Markt aus La Vergne. Dass die Umsetzung der oben genannten Philosophie die Errichtung weiterer Produktionsstätten in heutigen Schwellenländern, etwa in China und Indien, bedeuten wird, steht bei Wegmann Automotive weit oben in der langfristigen Unternehmensplanung.

Neben einer zentralisierten, europäischen Produktionsstätte entsteht am Standort bei Würzburg derzeit aber auch die neue Unternehmenszentrale von Wegmann Automotive. Die Unternehmensholding – derzeit noch ohne eigene Rechtspersönlichkeit – soll vermutlich bereits zum 1. September 2009 als GmbH gegründet werden und dann auch formell die Führungsfunktionen der Gruppe übernehmen. Bisher habe es lediglich eine eher lockere operative Zusammenarbeit der verschiedenen Unternehmensteile gegeben; Abteilungen, die typische Holdingaufgaben erledigen, wie das Controlling oder die Finanzen, wurden erst 2007 geschaffen. Wenn diesen Oktober auch die Bauarbeiten für die neue Unternehmenszentrale in Veitshöchheim direkt an der Fabrik fertig sein werden, wird dort neben Forschung & Entwicklung eben auch das globale Management ansässig sein, an das die verschiedenen Unternehmensteile künftig berichten.

Wegmann Automotive gehört zur inhabergeführten und 1882 in Kassel als Waggonhersteller gegründeten Wegmann-Gruppe, die heute ihren Sitz in München hat. Mit mehr als 4.000 Mitarbeitern weltweit generieren die vier Bereiche „Defense“, „Transmission“, „Automotive“ und „Real Estate“ einen Jahresumsatz von über 1,5 Milliarden Euro, wozu Wegmann Automotive (600 Mitarbeiter weltweit) rund 200 Millionen Euro beiträgt. Zusätzlich zu den Auswuchtgewichten für Pkw, Lkw und Motorräder wie auch für industrielle Anwendungen (Ventilatoren, Kardanwellen) stellt Wegmann Automotive noch Batteriepole und Metallsiegel her. Neben Dionys-Hofmann, Franken-Industrie und Perfect Equipment gehören auch Hightech-Firmen mit immensen Ingenieursleistungen wie das Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann (produziert etwa den Leopard-Panzer und anderes Wehrgerät) oder der Schleifringhersteller (etwa für Computertomografen) Schleifring und Apparatebau GmbH zur Gruppe.

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