IT-Branche attestiert dem Reifenhandel Nachholbedarf in Sachen EDV

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Der letzte richtige „Investitionsschub“ in Sachen Unternehmens-EDV seitens des Reifenhandels liegt schon einige Zeit zurück – so oder so ähnlich haben die meisten Anbieter entsprechender Branchenlösungen eine Umfrage dieser Zeitschrift beantwortet. Vielfach seien Hard- und Software zum letzten Mal zur Jahrtausendwende oder im Zuge der Einführung des Euro grundlegend erneuert worden, begründet beispielsweise Werner Riester, Bereichsleiter Trade Solutions bei der KUMAvision AG, warum er „auf jeden Fall“ Investitionsbedarf im Reifenhandel sieht, wenn es um das Thema der betriebseigenen IT-Ausstattung geht.

Zumal sich in den vergangenen Jahren so einiges im Reifenhandel verändert hat. Wer hätte zum Beispiel von zehn Jahren gedacht, dass der Einkauf über B2B-Beschaffungsplattformen wie etwa Tyre24, Gettygo, Tyre100 etc. einmal einen solchen Stellenwert haben würde wie heute oder dass auch das B2C-Geschäft mit Reifen 2009 einen Marktanteil irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent für sich würde reklamieren können? Außerdem engagieren sich mehr und mehr Reifenhändler im Autoservice und benötigen daher ein EDV-System, das sie auch in diesem Geschäftsfeld unterstützt. Spannende Fragen sind angesichts dessen also unter anderem, ob und wofür der Reifenhandel mit Blick auf den offenbar durchaus bestehenden Nachhol- bzw. Investitionsbedarf tatsächlich Geld in die Hand nehmen sollte und wie ihn die Softwareanbieter angesichts der allgemeinen Krisenstimmung davon überzeugen wollen, dass gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, eine diesbezüglich bislang anscheinend eher abwartende Haltung aufzugeben.

„Wir sehen im Reifenhandel derzeit erheblichen Investitionsbedarf, da in den letzten beiden Jahren sehr wenig in Software investiert wurde. Gerade aber in Zeiten, in denen die Geschäftsentwicklung eher negativ als positiv ist, ist es sehr wichtig, durch die Verbesserung von internen Abläufen und Prozessen und daraus resultierender Fehlervermeidung und Steigerung der Geschwindigkeit von Prozessen besser und effizienter zu werden“, meint Lorenz Praefcke, Geschäftsführer der Manus GmbH. Zudem würden von älteren Softwareprodukten gerade auch neue Vertriebskanäle und -wege – zum Beispiel Internethandel, elektronische Anbindung an Industrie und Partnerunternehmen – nicht optimal oder gar nicht unterstützt. „Doch gerade hier besteht ein enormes Potenzial zur Erweiterung des eigenen Kundenkreises. Im Gegensatz zu anderen Branchen wie Autowerkstätten und Autoteilehandel, die das eigene Portfolio mehr und mehr auch in Richtung Reifen erweitern, sind viele Reifenhändler nicht so weit gegangen, das eigene Portfolio mit weiteren Produkten zu ergänzen oder zu erweitern“, sagt er, rechnet gleichwohl aber nicht mit einer wesentlichen Steigerung der Investitionsbereitschaft in Software seitens des Reifenhandels.

Vor diesem Hintergrund scheint allerdings die Unternehmensgröße eine gewisse Rolle zu spielen, wie man den Worten von Ralf Weinmann entnehmen kann. „2008 war die Investitionsneigung des Reifenhandels – wobei dies eher für die größeren Betriebe gilt – nach wie vor ungebrochen. Die Erkenntnis, auf aktuelle Trends und Tendenzen im Markt proaktiv zu reagieren und damit zu investieren, ist bei einem überwiegenden Teil der Branche vorhanden“, konstatiert der Leiter Marketing und PR bei der Cormeta AG, die mit „Tradesprint“ eine Lösung für den Kfz-Teile- und Reifenhandel zu ihrem Produktportfolio zählt. Nachholbedarf sieht man bei der GDI Gesellschaft für Datentechnik und Informationssysteme mbH ebenso vor allem bei den kleinen und mittleren Reifenhändlern. „Hier wird noch häufig auf veralteten Systemen gearbeitet und eine ‚echte’, auf den Reifenhandel zugeschnittene Software, nur bedingt genutzt“, weiß Sabine Jost, die bei GDI den Bereich Vertrieb/Marketing verantwortet, von ihren Erfahrungen zu berichten.

Nichtsdestotrotz seien im Reifenfachhandel die Investitionen in neue Software 2008 „etwas zurückhaltender“ gewesen als in den Vorjahren und im Zusammenhang mit ihren diesbezüglichen Erwartungen für das laufende Jahr, hat Jost das Bild von einer „angezogenen Handbremse“ vor dem geistigen Auge. Und auch Weinmann meint, eine „deutlich abwartende Haltung“ während der bisherigen Monate des laufenden Jahres erkennen zu können. „Es wird weiterhin auf breiter Front abgewartet. Eine Zurückhaltung bei den Investitionen in ERP-Lösungen ist im Reifenhandel deutlich spürbar. Einerseits schlägt auch hier die ablehnende Haltung von Banken und Leasingfirmen durch, andererseits verschieben selbst investitionsbereite Interessenten die Einführung zeitlich immer mehr nach hinten“, macht Werner Riester dafür nicht allein rückläufige Umsätze im Reifenhandel oder dessen mangelnde Risikobereitschaft dafür verantwortlich. Manches Unternehmen wolle investieren, erhalte aber zu wenig Unterstützung von den Banken, sagt er. „Die Finanzierungszusage für eine neue ERP-Lösung wird derzeit von den Instituten extrem kritisch, um nicht sogar zu sagen – überzogen – geprüft und erstreckt sich dadurch oft über ein Vierteljahr oder länger. Das war in der Vergangenheit erheblich einfacher“, so Riester.

Anfragen und Kundenkontakte zeigten durchaus eine gewisse Bereitschaft des Reifenhandels, in seine EDV-Ausstattung zu investieren – doch die Unternehmen wollten dies „gezielter und nach individuellen Anforderungen“ tun, sagt Uwe Plate, Geschäftsführer Vertrieb der Anfang des Jahres gegründeten ypsystems GmbH. „Grundsätzlich erfahren wir im Markt ein großes Interesse, da gezielte Investitionen in diesem Bereich das Tagesgeschäft des Reifenhändlers enorm entlasten. Trotz dieser sehr guten Ausgangsbasis werden Entscheidungen jedoch oft zögerlich getroffen. Dies gilt allerdings oft für Betriebe, die seit über fünf Jahren keine Investitionen getätigt haben“, so Plate, der zusammen drei weiteren ehemaligen Mitstreitern bei der Schaal Informatic GmbH zeitgleich mit der Gründung des neuen Unternehmens die Lizenzrechte an der „Propar“ genannten Reifenhandelssoftware übernommen hat, als sein vorheriger Arbeitgeber sich von seiner Reifensparte trennen wollte. „Vor allem Unternehmen, die bisher ihre EDV-Landschaften vernachlässigt haben, sind nun gefordert“, sagt der Geschäftsführer, der für das Zögern so manchen Händlers aber durchaus ein gewisses Verständnis aufbringen kann, stelle die Umrüstung auf neue IT-Systeme für einige Betriebe mitunter doch einen „großen Einschnitt“ dar.

Das alles bedeutet Weinmanns Worten zufolge jedoch nicht, dass in diesem Jahr bis dato keine Projekte beauftragt wurden. „Allerdings werden – was auch gut so ist – Investitionen genauer hinterfragt, mehr Vorarbeiten geleistet (zum Beispiel detailliertes Pflichtenheft) oder die Projekte in Phasen beauftragt“, erklärt er und lässt zugleich keine Zweifel daran aufkeimen, dass er es aus seiner Sicht nach wie vor und gerade auch jetzt als notwendig für den Reifenhandel erachtet, in „möglichst effektive und flexibel anpassbare Geschäftsabläufe, Strukturen und Systeme zu investieren“. Gerade junge, aufgeschlossene Reifenhändler hätten erkannt, wie wichtig es ist, sich den Anforderungen des Marktes anzupassen und in neue Systeme und Software zu investieren, meint Sabine Jost dazu. „Denn Onlineanbindungen an die Industrie und zu anderen Internetpattformen werden immer wichtiger. Das funktioniert nur rationell und effektiv mit geeigneter Soft- und Hardware“, begründet sie, warum man bezüglich der diese Ansprüche abdeckenden GDI-Reifenhandelssoftware „Radius“ schon wieder einen – wie sie es formuliert – „leichten Aufwind“ spürt. „Zusätzlich bieten immer mehr Reifenhändler auch Inspektions- und Reparaturdienste an, um die Kundenbindung zu steigern und Zusatzgeschäfte zu generieren. Auch hierfür ist mehr denn je eine passende Software notwendig“, ergänzt Jost unter Verweis etwa auf die Einbindung von Kfz-Teilekatalogen in die Programme.

Dass viele Betriebe der Branche sich schon lange nicht mehr auf den reinen Reifenhandel beschränken, kann Riester nur bestätigen. „Viele Unternehmen haben erfolgreich Wege gefunden, um auch in der Zwischensaison den Grundumsatz zu erreichen bzw. sogar zu steigern. Die Bandbreite reicht von kleineren Reparaturen über Auspuff- und Stoßdämpferservice bis hin zum Fahrzeugtuning. Die eingesetzte ERP-Lösung muss auch diese Prozesse transparent abbilden können“, leitet er daraus als Anspruch an eine wie „BSS.tire“ als EDV-Lösung für den Reifenhandel positionierte Software ab. Die Onlineanbindung von Teilehändlern bzw. deren Teilekatalogen helfe den Reifenhändlern, schnell und kostengünstig zu arbeiten. Dies gelte analog dazu genauso für die Onlineanbindung an Webportale, die Verwaltung und Abwicklung des Flottengeschäfts, Onlinereservierung von Terminen etc., werden von ihm noch weitere Aufgabenstellungen erwähnt, die eine moderne Branchensoftware abdecken müsse. „Firmen müssen im Bereich Kundenbindung und Service aufrüsten, um im Wettbewerb bestehen zu können“, verleiht Riester seinem Standpunkt angesichts dessen unmissverständlich Nachdruck.

Eine ausgereifte, branchenspezifische Unternehmenssoftware wird bei der Cormeta AG genauso als Schlüssel für einen langfristigen Erfolg gesehen, zumal die Einführung einer integrierten EDV-Lösung mithilfe eines branchenerfahrenen Partners zugleich auch immer die Chance biete, bestehende Prozesse zu prüfen sowie gegebenenfalls anzupassen und zu optimieren. Neben solchen „neuen Technologien“ wie der B2B- und B2C-Onlinehandel, der Anbindung von Teilekatalogen oder der Unterstützung, die moderne IT-Systeme in Bezug etwa auf Customer Relation Management (CRM) mitbringen, lenkt Ralf Weinmann den Blick aber noch auf einen ganz anderen Aspekt. „Wichtig ist auch, dass man mit der vorhandenen Lösung in der Lage ist, neue strategische Entscheidungen – Internationalisierung, neue Produkt- und Dienstleistungsangebote etc. – zeitnah umzusetzen und zu ‚controllen’. Dabei ist auch entscheidend, dass die Lösung kontinuierlich weiterentwickelt und gewartet wird“, gibt er zu bedenken und verweist zugleich auf die von dem Ettlinger Unternehmen praktizierte persönliche Kommunikation mit Kunden und Interessenten sowie das Branchen-Know-how der Cormeta AG. In Kombination mit einer erprobten und ausgereiften Lösung lasse sich dem Reifenhandel so vermitteln, dass sich „Investitionen in Software sowohl rechnen als auch entsprechende Wettbewerbsvorteile verschaffen“.

„Spezielle Argumente für den Einsatz neuer und modernerer Technologien zur Unterstützung und Rationalisierung der Geschäftsprozesse gibt es zur jeder Zeit“, so Michael Walz, Geschäftsführer der Orgaplus Software GmbH, die mit „Opus Ware R4“ eine Warenwirtschaft für die Reifenhandelsbranche zu bieten hat. Eine bestimmte Strategie, eher zögerliche Betriebe davon zu überzeugen, dass gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für die Investition in eine moderne EDV-Ausstattung ist, verfolgt das in Heilbronn beheimatete Unternehmen dabei zwar nicht. Dennoch gibt Walz zu bedenken, dass bei erneutem Aufschwung der Wirtschaft aus Sicht von Orgaplus viele Unternehmen „auf der Strecke bleiben“ werden. „Die Kostenstruktur für die nicht optimierte Verwaltung und dem entsprechend dafür benötigten Personal in diesen Unternehmen kann in dem anspruchsvoller gewordenen Markt mit moderneren Unternehmen nicht mehr mithalten. Deshalb rechnen sich Investitionen in der IT in diesem Jahr für neue und rationellere Abläufe mehr als in anderen Jahren, zumal durch die angespannte Marktsituation der eine oder andere Preis geringer ausfällt als in normalen Zeiten“, schreibt er dem Reifenhandel ins Gebetbuch.

„Der Wettbewerbsdruck wird auch nach der Wirtschaftskrise nicht abnehmen, ganz im Gegenteil. Daher gilt es, sich rechtzeitig für die Zeit nach der Krise optimal aufzustellen. Die Einführung einer modernen ERP-Lösung ist dazu ein wichtiger Schritt“, meint Werner Riester. Denn dank integrierter Lösungen wie „BSS.tire“ könne sinkenden Margen mit effizienten und automatisierten Prozessen begegnet und bei gleicher Personalstärke ein höheres Auftragsvolumen sowie eine bessere Auslastung ermöglicht werden. Zudem – so ein weiteres seiner Argumente, gerade jetzt in eine zeitgemäße EDV-Lösung zu investieren – habe der Handel durch das krisenbedingt schleppende Tagesgeschäft nun Zeit, um eine Softwareeinführung abzuwickeln. Insofern wäre doch gerade jetzt vielleicht die Gelegenheit, sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Denn selbst wenn man den von der NEUE REIFENZEITUNG befragten Softwareanbietern – wie übrigens jedem anderen Unternehmen normalerweise auch – sicherlich ein vitales Interesse am Erfolg der eigenen Produkte unterstellen kann, so sind die vorgetragenen Argumente, die für eine moderne und leistungsfähige Reifenhandels-IT sprechen, doch wohl nicht von der Hand zu weisen, oder?

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