Conti will klare Nr. 1 bei Pkw-Reifen werden

Die Continental AG hat sich mit Wirkung vom 2. November mit 51 Prozent an dem Jointventure Continental Matador Rubber s.r.o. mit Sitz in Puchov (Slowakei) beteiligt und damit die Mehrheit an dem Unternehmen übernommen. Das Reifen- und Transportbandgeschäft sowie der Geschäftsbereich Kautschuk verarbeitende Maschinen wurden vorher aus der Muttergesellschaft Matador a.s. ausgegliedert, die jetzt einen Anteil von 49 Prozent an dem neu gegründeten, rechtlich selbstständigen und eigenverantwortlichen Gemeinschaftsunternehmen hält.

Im Rahmen einer Pressekonferenz vor einigen Tagen am Standort Puchov erläuterten die beiden Matador-Geschäftsführer und Brüder Dr. Miroslav Rosina und Štefan Rosina – gleichzeitig Vertreter des Matador-Hauptgesellschafters: der Familie Rosina – gemeinsam mit dem Continental-Vorstandsvorsitzenden Manfred Wennemer und dem Nfz-Reifen-Vorstand Dr. Hans-Joachim Nikolin, der das Projekt auf Vorstandsebene bis zum Abschluss geführt hatte, Einzelheiten und Chancen dieses Gemeinschaftsunternehmens. „Mit dieser Beteiligung können wir unser bereits bestehendes Jointventure mit der Matador-Gruppe im Bereich Lkw-Reifen ausbauen. (Puchov hat bereits das größte Lkw-Reifenwerk europaweit, d. Red.) Gleichzeitig stärken wir unsere Produktions- und Operationsbasis in Zentral- und Osteuropa bedeutend und investieren hier nachhaltig“, erklärt beispielsweise Wennemer und kündigt gleichzeitig damit ein Investment von über 25 Millionen Euro in die Produktion am Standort Puchov an. Bis zum Jahr 2009 will man so vor Ort die weltweiten Continental-Produktionsstandards einführen und die Produktionskapazitäten schrittweise auf 7,2 Millionen Pkw-/LLkw-Reifen ausbauen. Bei – wie es heißt – „entsprechend positiver regionaler Unterstützung und Wettbewerbsfähigkeit des Werkes“ seien dort auch deutlich größere Investitionen seitens Conti denkbar, um das jährliche Produktionsvolumen in Puchov bis 2009 langfristig auf bis zu 16 Millionen Reifen (das Puchov-Wachstumspotenzial) zu steigern, dafür zeichnet Manfred Wennemer gar ein Hoffnungsszenario von mehr als 160 Millionen Euro auf. Dass die deutliche Erhöhung der Kapazitäten nach oben übrigens durchaus Gegenstand der Verhandlungen mit der Familie Rosina im Vorfeld gewesen ist, verschweigt Wennemer nicht und nennt – in Verbindung mit diesem Namen – sogar die Summe 200 Millionen. Freilich vergisst er nicht den Hinweis, dass auch „die Umstände“ stimmen müssen, womit gemeint ist, dass die öffentliche Hand und vor allem die slowakische Regierung die Investitionen angemessen unterstützen und das entsprechende Klima schaffen.

Bei soviel Investitionen winken natürlich auch zahlreiche Arbeitsplätze (im Durchschnitt der Matador-Gruppe 4.711 in 2006), die auch tatsächlich geschaffen werden sollen. Aber nicht nur durch die Produktion, sondern Puchov soll sich auch zu einem logistischen Verteilzentrum (im Neudeutsch „Hub“) entwickeln. Der Standort soll zu einem großen Drehkreuz von Reifen aus kostengünstigen Reifenwerken für die Märkte in Westeuropa, für die sich prächtig entwickelnde Fahrzeugindustrie in Ländern wie der Slowakei mit Erstausrüstungsreifen und für die osteuropäischen Märkte, in denen Continental gewiss noch jede Menge Potenzial hat, werden.

Das Jointventure mag rechtlich noch „ganz frisch“ sein, in der Produktion sieht man bereits Folgen: So werden bereits heute – neben Matador – auch Reifen der Continental-Marke Barum gefertigt und tauchen auch bereits erste Produkte mit der Seitenwandbeschriftung „Continental“ auf, wobei es sich freilich – wie eine Nachfrage ergibt – noch um Vorserienprodukte handelt. Das „Vorbild“ für Puchov nennt Manfred Wennemer im Übrigen auch: Im tschechischen Werk Otrokovice produziere man wesentlich günstiger als in Puchov, auf den Standard müssen die Slowaken, die noch bis zum Beginn der 90er Jahre mit Otrovovice unter einem gemeinsamen Dach im Produktionsverbund waren, in vier bis fünf Jahren auch kommen. Puchov ist in der Continental-Planung zwar bereits heute ein „Low-cost-Standort“, aber einer, bei dem noch reichlich Optimierungsbedarf vorhanden ist.

Die Continental-Gruppe sieht sich mit der Übernahme der Mehrheit an der Pkw-/LLkw-Reifenfertigung bei Matador in Bezug auf Stückzahlen – Erstausrüstung und Ersatzgeschäft zusammengenommen – in Europa jetzt mit Michelin auf Augenhöhe. Nimmt man den Umsatz als Grundlage, räumt Wennemer ein, rangiert man dahinter. Das Ziel allerdings formuliert er unmissverständlich: Der Standort Puchov soll Continental helfen, europaweit die „klare und unstrittige Nummer Eins“ in diesem Segment zu werden. Die Erreichung der Endausbaustufe allein in Puchov (evtl. Kapazitätserweiterungen in anderen Werken gar nicht mitgerechnet) würde Continental auf eine europaweite Produktionskapazität von hundert Millionen Reifen jährlich hieven.

Das Jointventure soll Continental bei der Erschließung Osteuropas voranbringen, genannt werden die Einzelmärkte Polen, Ukraine, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Russland und die so genannten „Stan-Staaten“, wobei dem Jointventure-Werk von Matador und Sibur noch eine besondere Rolle zufallen könnte.

Darüber hinaus soll in Puchov ein weltweites Servicecenter für Reifenforschung und -entwicklung sowie das Testen von Reifen entstehen. „Dafür wird die Produktentwicklung für ausgewählte Segmente nach Puchov transferiert“, erklärt Wennemer. Die in Puchov vorhandenen Entwicklungskapazitäten sollen weiter entwickelt werden, ohne dass für die Zentrale von Hannover-Stöcken personelle Einschränkungen bzw. geographische Wechsel drohen, baut der Conti-VV etwaigen Befürchtungen vor. Stöcken ist einerseits an der Grenze der Belastbarkeit und es fällt am Standort Deutschland bekanntlich andererseits schwer, zusätzliches qualifiziertes Personal für die Abteilung Forschung und Entwicklung zu gewinnen.

Matador ist für die Rosinas auch eine „Herzensangelegenheit“, den heute in der Verantwortung stehenden Brüdern Štefan und Miroslav, aber auch dem mit dem Namen Matador so verbundenen Senior Štefan Rosina wird bei der Entscheidung für Continental als Partner auch sehr wichtig gewesen sein, dass die neuen Mehrheitsgesellschafter immer wieder signalisieren, wie wichtig ihnen die Eigenständigkeit Matadors ist und dass zahlreiche Managementverantwortlichkeiten in vollem Umfang in Puchov verbleiben. Die Marke Matador – ja erst seit 1993 mit Leben erfüllt und damit noch ganz jung im Vergleich zu anderen – ist nicht nur im Heimatmarkt Slowakei und in den angrenzenden Ländern bestens etabliert, sondern darüber hinaus. Das wird man nutzen wollen ebenso wie die von Matador aufgebaute Einzelhandelskette „Pneubox“, die im Übrigen voll in die Strukturen von ContiTrade integriert werden soll.

Mit der Beteiligung wird auch der Geschäftsbereich Kautschuk verarbeitende Maschinen von Matador, der mit 250 Mitarbeitern am Standort Puchov Maschinen und Anlagen für die Reifenindustrie produziert, in die Formen- und Maschinenfabrik (FMF) von Continental integriert. Dadurch – so ist man sich bei Conti sicher – werde deren Strategie durch die nun vorhandenen eigenen Konstruktions- und Produktionsmöglichkeiten in der Slowakei in idealer Weise ergänzt. Weitere Vorteile verspricht man sich aufseiten des Vertriebs und in der Beschaffung. Durch den Zukauf von Matadors Transportbandsparte, die mit 160 Mitarbeitern Fördergurte in der Slowakei produziert, will der deutsche Konzern zudem seinen Geschäftsbereich ContiTech Conveyor Belt Group in Zentral- und Osteuropa stärken. „Dadurch erschließen wir uns einen breiteren Zugang zu den dortigen Märkten“, so Wennemer weiter. ContiTech verfügt im Übrigen mit den allesamt respektierten Marken Continental, Phoenix und Matador über eine ausgezeichnete Basis für eine Mehr-Marken-Strategie.

Auch seitens der Matador-Gruppe freut man sich über den erfolgreichen Deal mit dem Unternehmen aus Deutschland. „Wir haben uns den strategischen Partner für unser Pkw-Reifengeschäft sehr sorgfältig ausgesucht. Deshalb freue ich mich sehr, dass alle Gegebenheiten für diese strategische Allianz erfolgreich gestaltet werden konnten, und ich bin sicher, dass diese Kooperation mit Continental unserem Reifengeschäft eine neue Zukunft geben wird. Wir werden als wichtiger Aktionär an diesem Jointventure beteiligt bleiben und wollen den entstehenden Freiraum nutzen, um unsere Position im Automotive-Sektor zu stärken – unser neues strategisches Geschäftsfeld für die Marke Matador“, sagt zumindest Dr. Štefan Rosina, Vorstandsvorsitzender der Matador-Gruppe.

Das Reifenwerk Puchov mag (noch) nicht unbedingt alle Continental-Standards erfüllen, in ein notleidendes Unternehmen hat Continental sich allerdings gewiss auch nicht eingekauft: Die Matador-Gruppe dürfte zum Ende dieses Jahres den Umsatz von 466 Millionen Euro (2006) auf erwartet 554 Millionen Euro steigern. Der Gewinn (hier EBITDA) hat sich bereits im letzten Jahr von 49,5 Mio. auf 57,5 Mio. Euro erhöht und könnte in 2007 dieses Ergebnis mit 58 Mio. sogar noch leicht toppen.

Welchen Geschäften sich die Rosinas in Zukunft verstärkt zuwenden, lässt Štefan Rosina ein wenig im Dunkeln, immerhin: Continental habe einen guten Preis bezahlt. Liegenschaften gehören wohl in besonderem Maße zu den geschäftlichen Prioritäten der Rosinas, schließlich bieten sich hierfür in einem Land wie der Slowakei noch jede Menge unternehmerischer Chancen. Und Bruder Miroslav sieht das Engagement im Reifenbereich auch bei Übergabe der unternehmerischen Führung an die Hannoveraner noch nicht als beendet an und kann sich – so im persönlichen Gespräch am Rande der Pressekonferenz – durchaus vorstellen, sich in den beiden bestehenden Jointventures mit Addis Tyre und Omskshina zum Wohle aller einzubringen. Die Ära Rosina wird in der wirtschaftlichen Entwicklung der Slowakei fortgeführt, so richtig zu Ende ist die Ära Rosina in der Reifenbranche aber auch nicht.

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