Alpha-Ring-Module revolutionieren Fertigung

Durch die zunehmende wirtschaftliche Integration der wichtigen Industrieregionen dieser Welt nimmt das Güteraufkommen, das auf Straßen quer durch Europa zu den Kunden transportiert werden muss, stetig zu. Die Auswirkungen auf das Transportwesen sind offenkundig: Die Lkw-Flotten werden größer und immer internationaler. Dennoch – so die Erwartung von Experten der italienischen Marangoni-Gruppe – werden kleine bis mittelgroße Flotten auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen und mehr als die Hälfte der Nachfrage nach runderneuerten Reifen in Europa generieren. Es sind dabei gerade diese mittelständischen Flotten, auf die sich der unabhängige Runderneuerungskonzern aus Italien konzentrieren will. Es sind zwar die großen Flotten mit über 400 Zügen, die hauptsächlich vom Marktwachstum profitieren, nur die seien immer mehr die „Domäne der Neureifenhersteller“ – die Bandag-Übernahme durch Bridgestone könne diesbezüglich als „Symbol“ verstanden werden, so Massimo De Alessandri, CEO der Marangoni-Gruppe.

Das Volumen des europäischen Runderneuerungsmarktes hat zwar in den vergangenen fünf Jahren nur um zwei bis drei Prozent auf derzeit rund sieben Millionen Einheiten zugelegt – Europa zählt also nicht unbedingt zu den Wachstumsmärkten dieser Welt. Trotzdem ist der drittgrößte Runderneuerungsmarkt der Welt nach den USA und Brasilien gehörig in Bewegung gekommen. Die Flotten werden größer und internationaler und deren Betreiber verlangen immer umfassendere Paketlösungen von ihren Reifenpartnern, wobei Neureifen stets dazugehören – dies ist das Spielfeld der Neureifenhersteller, die zusehends Fuß fassen im Geschäft mit den runderneuerten Reifen. Die Marangoni-Gruppe ist überzeugt davon, auf diesem Spielfeld keine nennenswerte Spielanteile erringen zu können und kann dabei auf die Versuche anderer Anbieter verweisen, die kräftig in das Flottengeschäft investiert haben und am Ende doch ihre Großkunden an die Neureifenindustrie verloren haben. Marangoni will sich folglich auf das Marktsegment konzentrieren, das – genau wie seine europäischen Ringtread-Partner und Laufstreifen-Kunden – in der Region verankert ist: der mittelständische Fuhrparkunternehmer. Diese kleinen bis mittleren Flotten entwickelten sich zwar nur „stabil“, so Marangoni, verlieren also relativ gesehen auf die wachsenden Großflotten. Dennoch bilden diese kleinen und mittleren Flotten in Europa heute rund 55 Prozent der Nachfrage nach runderneuerten Lkw-Reifen ab. Kunden in diesem Segment benötigten Spezialisten als Partner in Reifenfragen, Runderneuerer und Reifenhändler, die ihnen individuelle Lösungen anbieten können, und eben keine Konzerne mit europaweiten Netzwerken und Flottenverträgen. Flotten, auf die sich die italienische Marangoni-Gruppe konzentriert, seien mehr am Produkt als an All-inclusive-Verträgen interessiert, so die Überzeugung Marangonis. Und dass sich die Marangoni-Gruppe diesbezüglich im Vorteil gegenüber anderen Anbietern von, Runderneuerungsmaterialien und runderneuerten Reifen wähnt, muss nicht erst betont werden, verfügt der italienische Konzern doch über das patentierte Ringtread-System.

Im Rahmen einer Pressekonferenz in Ferentino südlich von Rom, wo die Marangoni-Gruppe zwei ihrer weltweit zehn Produktionsstätten betreibt und unter anderem eben die Ringtread-Ringe fertigt, erläuterten hochrangige Vertreter nun die aktuelle Ausrichtung des Unternehmens und führten erstmals die kürzlich patentierte Alpha-Ring-Fertigung der Öffentlichkeit vor. In zwei jeweils sechs Vulkanisationspressen umfassenden modularen Produktionssystemen (RMS oder „Ring Modular System“) stellt Marangoni seine nahtlosen Ringlaufstreifen in einem vollautomatischen Verfahren als so genannte Alpha-Ringe her, so Nicola Rabuffo, Produktionsdirektor der Geschäftseinheit Retreading Systems. Parallel zu diesem Verfahren fertigt Marangoni in Ferentino Ringlaufstreifen im konventionellen Verfahren (23 Pressen vorhanden), das sich hauptsächlich in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Bei RMS wird die Mischung direkt auf eine sich drehende Trommel bzw. in die ringförmige Vulkanisationsform extrudiert, während im konventionellen Verfahren die Rohlaufstreifen durch manuelles Aneinanderfügen der beiden Enden zu einem Ring geformt werden. Neben den beiden RMS-Modulen (12 Pressen insgesamt), die Marangoni also im italienischen Ferentino betreibt, stehen noch einmal zwei solcher Module in Nashville (Tennessee/USA) sowie eine weitere in Henstedt-Ulzburg nördlich von Hamburg bei Ellerbrock. Während in Ferentino bei Rom täglich rund 2.600 Alpha-Ringe gefertigt werden, kommen noch einmal täglich rund 700 solcher Ringe aus dem nach dem Feuer neu erbauten Ellerbrock-Werk hinzu. Gemeinsam mit der traditionellen Ringtread-Ringlaufstreifenfertigung in Italien und Brasilien (bei Ellerbrock und in den USA werden jeweils nur Alpha-Ringe und keine konventionellen Ringe gefertigt) kommt die Geschäftseinheit „Retreading Systems“ der Marangoni-Gruppe mittlerweile auf einen jährlichen Output von 1,3 Millionen Ringlaufstreifen (2007), was einem Materialgewicht von knapp 16.000 Tonnen entspricht. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich den Zahlen von Marangoni zufolge der Output an Ringlaufstreifen um rund 60 Prozent erhöht; 2002 wurden demnach gut 850.000 Ringlaufstreifen gefertigt. Und Marangoni weist immer wieder darauf hin, dass man künftig verstärkt die Vermarktung von Ringlaufstreifen und den Ausbau des Ringnet-Systems vorantreiben wolle. Dem Netzwerk für zertifizierte Ringtread-Runderneuerer gehören derzeit allein 70 Partner in Europa an. In Nordamerika zählt das Netzwerk noch einmal 25 Partner und in Lateinamerika weitere 50, so dass das globale Marangoni-Netzwerk aus derzeit knapp 150 Ringnet-Runderneuerern besteht.

Die Vorteile von Ringlaufstreifen gegenüber konventionellen Flach- oder Laufstreifen mit Kontur („Classico“ bzw. „Profil Liner“ sowie „Kontur“) sind hinreichend bekannt, hat Marangoni doch vor rund 30 Jahren mit der Herstellung der ersten Rundlaufstreifen begonnen. Was aber ist der Vorteil der Alpha-Ring-Fertigung gegenüber der Herstellung konventioneller Ringlaufstreifen? Üblicherweise wird die unvulkanisierte Gummimischung oder großem Energieaufwand in 50 Meter lange Streifen extrudiert, kühlt dann aus und wird später manuell auf die entsprechende Länge für die Fertigung eines Ringtread-Laufstreifens gebracht. Bei der Fertigung von Alpha-Ringen entfällt dieser gleichfalls zeitaufwendige Schritt vollkommen. Stattdessen wird quasi direkt in die Form extrudiert. Dazu befindet sich der Extruder auf einer fahrbaren Plattform, von der aus die sechs in Reihe stehenden Vulkanisationspressen gespeist werden. Die Mischung wird dabei in Bandform auf die sich mehrfach drehende Trommel appliziert, bevor die Vulkanisationspresse schließt. Während die Presse schließt, fährt die Extruderplattform bereits zur nächsten vor, aus der soeben vollautomatisch der fertig vulkanisierte Ring entnommen wurde.

Das Fehlen der traditionellen Extrusionslinie bedeutet eine beträchtliche Platzeinsparung in der Produktionsstätte. Darüber hinaus verringert sich die Vulkanisationszeit um rund 30 Prozent, so Marangoni, da die soeben extrudierte Gummimischung noch eine hohe Eigentemperatur aufweist. Dies verringert allerdings nicht nur die Produktionszeit, sondern auch den Energieaufwand beträchtlich. Darüber hinaus werden Arbeiter im voll automatisierten Verfahren keinen Dämpfen mehr ausgesetzt. Zu guter Letzt ist aber die Steigerung der Produktivität zu nennen. Ein einziges RMS-Modul mit sechs dazugehörige Vulkanisationspressen liefert den selben Output wie neun konventionelle Anlagen – eine Alpha-Anlage ist demnach um 50 Prozent produktiver als eine konventionelle Ringfertigung.

Wie Marangoni betont, sei auch die Qualität der Alpha-Ringe besser im Vergleich zu den traditionellen Ringen. Wenn nun ein fertiger Alpha-Ring aus der Vulkanisationsform entnommen wird, wird er automatisch gewogen. Sollte sich eine Abweichung von seinem theoretischen Gewicht ergeben, wird der Extruder sofort neu justiert, und zwar ebenfalls vollautomatisch. Laufstreifen, die beim Gewicht ohne Toleranzen auskommen, spielen für die Haltbarkeit des späteren runderneuerten Reifens und folglich für dessen Laufleistung eine zentrale Rolle; es gibt keinerlei Unwucht im Alpha-Ring und keine unbeabsichtigte Wärmeentwicklung. Dass auch das Finishing, die Endkontrolle der fertigen Alpha-Ringlaufstreifen sowie das Verpacken vollständig automatisiert ist, muss da nicht mehr extra betont werden. Der hohe Automatisierungsgrad der Alpha-Ring-Produktion wirke sich darüber hinaus auch positiv auf logistische Anforderungen aus, erläutert Giuseppe Ferrari, Geschäftsführer von Marangoni Tread, der zentralen Gesellschaft des Geschäftsbereiches Retreading Systems.

Die Installation der Alpha-Ring-Produktionsstätten in Ferentino, Henstedt-Ulzburg und in Nashville bringt also „radikale Innovationen“ auf Seiten des Herstellers bei der Herstellung des Rings mit sich. Wie Giuseppe Ferrari betont, höre die Weiterentwicklung der Runderneuerung mit Laufstreifen in Ringform nicht in den Marangoni-Produktionsstätten auf. Vielmehr habe man parallel dazu auch etliche Innovationen entwickelt, die die Runderneuerung auf Seiten der Ringnet-Partner weltweit optimieren und somit helfen soll, das Ringtread-Verfahren als das führende Verfahren in der Kaltrunderneuerung zu etablieren. Es gibt folglich auch Innovationen bei der Weiterverwertung des Rings durch die Runderneuerer.

Dabei nutzen Runderneuerer nicht nur die von Maragoni gefertigten Ringe, sondern der italienische Konzern liefert darüber hinaus auch das notwendige Equipment sowie die Technologie. In diesem Zusammenhang seien nur zwei Bereiche erwähnt, in denen Marangoni den Runderneuerungsprozess stetig weiter optimiert hat: die Eingangskontrolle der Karkassen durch Shearografie sowie das Aufbringen der Ringtread-Ringe. Auch hier komme das modulare Prinzip zum Tragen, indem der „Ring Builder 3000“ als unabhängige Produktionseinheit auf einem Minimum an Grundfläche (20 m²) alle Operationen vollautomatisch durchführt, für die sonst viele Handgriffe notwendig gewesen sind. Der Ring Builder 3000 zeichne sich unter anderem durch seine hohe Produktivität aus, so Giuseppe Ferrari weiter. Der eine notwendige Arbeiter kann damit pro Jahr (bei einer Schicht pro Tag) 50.000 Karkassen belegen, was 220 pro Schicht bedeutet. Für niedrigere Produktionsmengen sei der „Ring Builder 2500“ ideal, nun allerdings nicht mehr mit einer doppelten Drehspindel.

Die Steigerung der Produktivität im Runderneuerungsverfahren werde dabei immer wichtiger, fügt Brenno Benaglia an, der als Sales & Marketing Director für die Unternehmenssparte „Commercial and Industrial Tyres“ verantwortlich ist, also die Sparte, die durch die Gesellschaft Marangoni Pneumatici selber jährlich rund 200.000 Reifen runderneuert. Die Produktivität müsse gesteigert werden, um die relativ hohen Produktionskosten zu minimieren.

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