Reifenbreitenvergleich

Schmale Reifen sind sparsam und komfortabel; breite Reifen dienen dazu, den Radkasten auszufüllen. Stimmen diese Klischees? Gefährdet Sparsamkeit die Fahrsicherheit? Und wo ist die „goldene Mitte“? Der ÖAMTC, Schwesterautomobilklub des ADAC, hat einen außergewöhnlichen, weil in dieser Form wohl erstmalig angelegten Reifentest durchgeführt, um Antworten auf diese Fragen zu finden.

Anders als üblich geht es diesmal nicht darum, Reifen verschiedener Hersteller zu vergleichen. Die Fragestellung war, wie sich unterschiedliche Reifendimensionen auf dem selben Fahrzeug verhalten. Natürlich wurde vor allem auf die Kriterien Sicherheit und Umweltschutz ein besonderes Augenmerk gelegt.

Testfahrzeug

Die Auswahl des Testfahrzeuges erwies sich als gar nicht so einfach. Es sollten doch mindestens vier verschiedene Reifengrößen an ein und demselben Fahrzeug geprüft werden.
Diese Größen mussten alle regulär im Typenschein eingetragen sein. Zusätzlich wurde noch eine Tuninggröße geprüft, die man (inklusive der entsprechenden Felgendimension) im Typenschein eintragen muss. Übergeht man das, so ist die Fahrzeugzulassung wegen gravierender und unerlaubter technischer Veränderungen erloschen, man ist also mit einem nicht typisierten Fahrzeug unterwegs. Wer mit einer falschen Reifendimension beanstandet wird, muss mit Problemen mit der Behörde (Abnahme des Kennzeichens, Aufhebung der Zulassung und Strafen bis zu 5.000,- Euro) rechnen; kommt es zu einem Unfall, der auf die falsche Reifendimension zurückzuführen ist, muss man mit zivil- und strafrechtlichen Sanktionen rechnen.

Die Wahl fiel schließlich auf den Kia C’eed 1,6 CRDi mit 85 kW. Der Wagen der koreanischen Marke wird in der Slowakei hergestellt. Der C’eed hat nicht nur die unterschiedlichsten Reifengrößen typisiert, sondern auch die für solch einen harten Test notwendige hohe Qualität und ein beinahe neutrales Fahrverhalten. Die Belastungen von Motor, Bremsen und Fahrwerk eines Testfahrzeugs für Reifenprüfungen sind extrem hoch, während der Tests werden außerdem bis zu hundertmal häufiger die Räder gewechselt als während des gesamten Autolebens. Und gegen die Beanspruchung bei Bremstests ist das mehrfache Befahren der Großglockner-Hochalpenstraße geradezu Urlaub für das Auto. Jeglicher Ausfall des Prüffahrzeuges hätte drastische Folgen, alleine wegen der sich ändernden Witterungsbedingungen. Der Kia C’eed hat alle Anforderung und Strapazen bravourös gemeistert, teilt der Automobilklub mit.

Reifenauswahl

Oberste Priorität bei seriösen Tests ist es, möglichst viele Parameter und Randbedingungen konstant zu halten. Daher wurden nur Reifen eines Herstellers geprüft. Die Wahl fiel auf Michelin, weil die Franzosen alleiniger Erstausrüster des Kia C’eed in Österreich sind.
Natürlich ändern sich bei Reifenbreiten von 185 bis 225 mm und Felgendurchmessern von 15 bis 18 Zoll Reifentyp- und Namen, Tempoindex, Tragzahlen und vieles mehr. Als Normalverbraucher tut man gut daran, sich beim Fachhändler beraten zu lassen, um die richtige Wahl treffen zu können. Dieser Systemvergleich liefert wertvolle Anhaltspunkte.

Als Messbasis wurde die in Österreich von Kia gewählte Reifengröße 205/55 R16 91V, allerdings vom Typ Michelin Primacy HP, gewählt. Vom Reifenmodell Energy E3A kamen die Größen 185/65 R15 88T, 195/65 R15 91T und H auf den Prüfstand, ferner der Pilot Exalto PE2 in 225/45 R17 94V und der Pilot Sport PS2 in 225/40 R18 92Y, der für Tuningbegeisterte in Frage kommt.

Aquaplaning: Schmal ist besser

Generell kann gesagt werden, dass bei Aquaplaning schmal besser als breit ist. Aber auch mit den schmalsten Reifen können bei starkem Platzregen 80 km/h in Längsrillen zu viel sein. Während der 225/45 R17 noch mit den schmaleren 205/55 R16 mithält, muss man mit der 18-Zoll-Tuningdimension deutlich mehr Vorsicht walten lassen. Aquaplaning erkannt man daran, dass der Vorausfahrende auf Nässe kaum mehr Spuren hinterlässt und die Fahrbahn einheitlich glänzt.

Nassbremsen: Breit ist besser

Aquaplaning tritt allerdings fast nie überraschend auftritt (man kann also rechtzeitig langsamer fahren), eine Notbremsung auf nasser Fahrbahn ist aber oft nicht vorhersehbar.
Hier spielen die Breiten ihre Vorteile aus, wo man mit dem 18-Zöller bereits steht, hat man mit der schmalsten Bereifung noch eine erhebliche Restgeschwindigkeit mit möglicherweise fatalen Unfallfolgen. Doch auch der beste Reifen kann das Verschenken von Bremsweg durch Bremsfehler des Fahrzeuglenkers nicht immer kaschieren. Den vollen Tritt auf die Bremsen kann man allerdings in Fahrsicherheitszentren erlernen.

Nasshandling: Breit ist besser

Auch bei Prüfungen, bei denen es auf die übertragbare Seitenkraft ankommt, also bei der Kreisfahrt und am Handlingkurs, sind schmale Reifen eindeutig im Nachteil.

Nässe gesamt: Bewertung unzulässig

Bei Reifentests ist es oft üblich, das Verhalten bei Aquaplaning und die Griffprüfungen zu einer Beurteilung zusammenzufassen. Bei diesem Test würde das gegengleiche Verhalten der Modelle zu einer Nivellierung führen, bis auf den (schlechter beurteilten) 185/65 R15 T hätten alle Reifen die gleiche Bewertung.

Trockenbremsen: Breit ist besser

Auch beim Griff auf trockener Fahrbahn ist der 225/40 R18 das Maß der Dinge. Bei der Bremsprüfung zeigt sich – wie beim Nassbremsen – auch hier, dass der Haltepunkt mit der 15-Zoll-Bereifung über fünf Meter hinter dem der Tuninggröße liegt, was einen Aufprall von über 30 km/h bedeuten würde. Auch bei allen anderen Trockenkriterien (hier speziell abrupte Ausweichmanöver) sind die Breitreifen überlegen.

Anders bei der Komfortbewertung auf schlechter Fahrbahn, großen Federungskomfort darf man sich bei Wahl der 18-Zöller nicht erwarten.

Reifenlärm: Überraschung in 16 Zoll

Die genaue Beschreibung der Geräuschauswertung könnte Physik-Lehrbücher füllen.
Interessant ist allerdings, dass nicht die ganz schmalen Reifen – wie oft behauptet wird – am leisesten sind, sondern die Seriengröße in 205/55 R16 V macht hier ganz knapp vor der Dimension 195/65 R15 T das Rennen.

Rollwiderstand: Zum Spritsparen

Der geringe Rollwiderstand von Michelin-Reifen ist ja bestens bekannt, sie schonen also die Geldbörse an der Tankstelle. Aber auch hier ist nicht der schmalste Reifen ganz vorne, sondern der Michelin Energy E3A in 195/65 R15 mit Geschwindigkeitsindex T rollt am leichtesten ab. Die beiden 225er-Dimensionen verbrauchen umgerechnet ca. 1,5 Prozent mehr Kraftstoff.

Fazit: Erstausrüstung passt (fast)

Kia Österreich lässt bei der Reifenwahl erfreulicherweise nicht den Rotstift entscheiden und bereift alle Fahrzeuge mit der Dimension 205/55 R16, im Falle des Prüfautos einen Michelin-Reifen Energy E3A mit Geschwindigkeitsindex V. Eine Dimension, die sich auch im Test als „goldene Mitte“ erwies. Wer sich vielleicht noch etwas mehr Sicherheitspolster wünscht als mit dem Reifentyp der Erstausrüstung Energy E3A, der kann beim ersten Reifennachkauf den Typ Primacy HP in der gleichen Größe wählen.

Kosten: Vorrang für Sicherheit

Geiz ist bei Fragen der Sicherheit überhaupt nicht geil, Sicherheit sollte auf alle Fälle keine Frage der Kosten sein. Trotzdem: Ganz schmale Reifen kommen um 30 Prozent billiger, ganz breite um 80 Prozent teurer als die sinnvolle Erstausrüstung. Schmale Stahlfelgen kann man um fast 60 Prozent billiger erwerben als Alufelgen in 16 Zoll, Alu in 18 Zoll können um 50 Prozent teurer kommen. Die totale Spreizung von Reifen plus Felgen liegt zwischen 110 Euro bei 185/65 R15 T und bis zu 450 Euro bei 18-Zöllern. Wieder in der „goldenen Mitte“ die Erstausrüstung in 16 Zoll ab 200 Euro. Diese Verhältniszahlen gelten als Orientierung und sind nicht nur auf Kia beschränkt.

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