Focus wirft Michelin „Milchmädchenrechnung“ vor

Rollwiderstandsoptimierte Reifen bergen ein immenses Spritsparpotenzial. Würde man weltweit alle Autos auf Leichtlaufreifen umstellen, könnten jährlich 50 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Die Millionen-Rechnung hat die Marketingabteilung von Michelin aufgestellt. Allerdings handele es um eine medienwirksame Milchmädchenrechnung, schließlich ist es denkbar unrealistisch, den weltweiten Fahrzeugbestand mit neuen Gummis auszurüsten, wirft „Focus online“ dem Reifenhersteller vor. Immerhin wird eingeräumt, dass das Kalkül nicht falsch sei, zeige doch, was mit vergleichsweise wenig Aufwand machbar wäre. 50 Millionen Tonnen CO2 entsprechen immerhin der Hälfte des in Deutschland vom Autoverkehr verursachten CO2-Jahresausstoßes. Oder anders gerechnet: Jahr für Jahr ließen sich so 20 Milliarden Liter Kraftstoff sparen.

Die Automobilhersteller setzen bereits voll auf Leichtlaufreifen, besonders bei den jüngst vorgestellten Spar-Varianten. Weder die Bluemotion-Modelle von VW, noch die „e“-Versionen von Audi kämen sonst auf 5-Liter-Verbräuche. Und auch die technisch aufwendig verbrauchsoptimierten BMW 1er und 5er profitieren nicht unwesentlich von Reifen mit geringem Rollwiderstand.

Mit stolzgeschwellter Brust, heißt es bei Focus online ironisch, fordere Michelin dann auch gleich einen brancheneinheitlichen Energiespar-Index für Reifen – quasi die Öko-Plakette für Pneus. Das Umweltbundesamt zeige sich „interessiert“, und auch vonseiten der EU seien bereits „positive Signale“ ausgesandt worden, wird Pressesprecher Jan Hennen zitiert.

Weniger euphorisch sei dagegen der ADAC: Zwar seien sparsame Reifen grundsätzlich zu begrüßen, in der CO2-Debatte aber nur eines von vielen Mitteln, kommt Technik-Experte Maximilian Maurer zu Worte. Auch sei niemandem geholfen, wenn unter zunehmender Rollwiderstandsoptimierung die Sicherheit leide. „Die besten Reifen sind immer die Reifen, die den besten Kompromiss bieten“, so der Club-Sprecher.

Weiter heißt es bei Focus online: Je weniger sich ein Reifen verformt, desto geringer sind die Energieverluste. Stabilere, härtere Reifen verursachen damit geringere Spritverbräuche respektive CO2-Emissionen. Andererseits gilt nach wie vor die Faustregel: Je weicher die Gummimischung, desto besser sind die Haftungseigenschaften. Beim Fahrkomfort sind die Einbußen eklatanter: Die besonders stabilen Runflat-Reifen, die etwa BMW aufzieht, sind mit ein Grund für die anhaltende Kritik an den Bayern. Die Industrie glaubt, mit neuartigen Materialien und einer optimierten Reifenarchitektur – etwa die Kombination aus harten Flanken und weichen Laufflächen – den Spagat zu schaffen. Doch das koste und schlage sich letztlich im Ladenpreis nieder, wird Michelin-Mann Hennen erneut zitiert.

Diesen Aufwand können allerdings nur finanzkräftige Reifenhersteller stemmen. Und die anderen? Maurer verweist auf den jüngsten ADAC-Winterreifentest, der ergab, dass ein Großteil der No-Name-Reifen ihren Schnäppchenpreis nicht wert waren, zum Teil sogar offenkundig Etikettenschwindel betrieben wurde: „So lange es nicht einmal für Winterreifen eine einheitliche Definition gibt, braucht man sich über Ökoreifen keine Gedanken machen.“

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