Hohe EM-Reifennachfrage ein Thema auf der Bauma

Vom 23. bis zum 29. April 2007 öffnete die „Bauma“ in München ihre Pforten. Bei der letzten Messe für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte vor drei Jahren präsentierten sich gut 2.800 Unternehmen aus aller Welt, und über 400.000 Besucher kamen in die bayrische Landeshauptstadt. In diesem Jahr wurden diese Zahlen noch einmal deutlich übertroffen. Mit rund 500.000 Besuchern – immerhin ein Plus von etwa 20 Prozent im Vergleich zu 2004 – registrierten die Veranstalter einen neuen Allzeitrekord. Und auch bezüglich der Ausstellerzahl wurde mit 3.041 Unternehmen, die diesmal ihre Produkte und Leistungen in München präsentierten, eine Steigerung um sieben Prozent im Vergleich zur letzten Veranstaltung im Jahr 2004 erzielt. Diesem schon im Vorfeld erwarteten Wachstum hatte die Messe München mit einer Erweiterung der Hallenfläche auf 180.000 Quadratmeter (2004: 165.000) sowie der Freifläche auf 360.000 Quadratmeter (2004: 335.000) Rechnung getragen. Nichtsdestotrotz war die flächenmäßig größte Messe der Welt mit 540.000 Quadratmetern Gesamtausstellungsareal komplett ausgebucht. Dies kann man als Beleg für den Boom der Baubranche werten, was sich auch in der derzeitigen Knappheit von Bereifungen für Baumaschinen widerspiegelt.

„Sowohl der globale Bauboom, vor allen Dingen in den Schwellenländern Asiens, Lateinamerikas und Afrikas, als auch die wieder angelaufene Baukonjunktur in Europa haben entscheidend zu dem Erfolg beigetragen“, freut sich Manfred Wutzlhofer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München, über die erfolgreichste Bauma aller Zeiten. Erfreulich findet die Messegesellschaft zudem den erheblich angestiegenen Anteil ausländischer Besucher: Die etwa 160.000 Besucher (2004: 116.000) aus dem Ausland entsprechen einem Anteil der internationalen Gäste von rund 30 Prozent. Ein verstärkter Besucherzustrom wurde dabei sowohl aus den unmittelbaren Nachbarstaaten als auch aus Süd- und Osteuropa und Übersee beobachtet. Aus Übersee seien insbesondere aus Australien, China, Indien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, USA, Südafrika und Südostasien (Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam) überproportional viele Besucher zur Bauma 2007 gereist. Außerdem habe man mit 2.300 Besuchern aus der Partnerregion Arabische Halbinsel einen starken Anstieg gegenüber dem Jahr 2004 beobachten können, für das ein Vergleichswert von 962 Gästen genannt wird. Insgesamt – so die Messe München – kamen die Besucher diesmal aus rund 190 Ländern (2004: 171), was einer Steigerung von mehr als elf Prozent entspricht. Aufseiten der Aussteller waren 1.390 deutsche Unternehmen (2004: 1.363) vertreten und 1.651 (2004: 1.442) ausländische. Deutschland, Italien und Großbritannien waren die drei ausstellerstärksten Länder.

Unter den Ausstellern, die auf der riesigen Fläche von 540.000 Quadratmetern ihre neuesten Produkte und Services zeigten, waren auch diverse Anbieter im Marktsegment Reifen mit vor Ort. Darunter nicht nur die drei Großen Bridgestone, Goodyear Dunlop und Michelin, sondern auch andere wie der niederländische Heißrunderneuerer Bandenmarkt oder Unternehmen wie Gumasol, Magna Tyres, Mitas, Rema Tip Top, Trelleborg oder Uzmai International, die im Segment EM- bzw. Industriereifen aktiv sind. Was die Kleinen dabei mit den Großen gemein haben, ist deren Bemühen, der derzeit hohen Nachfrage nach Baumaschinenreifen irgendwie gerecht zu werden. Denn im Vergleich zur Situation vor rund einem Jahr (vgl. NEUE REIFENZEITUNG 2/2006), wo die Branche bereits über die schlechte Verfügbarkeit von Bereifungen für große Baumaschinen gestöhnt hat, hat sich eigentlich nicht viel gebessert. Ein Ende des Baubooms und damit eine Normalisierung bei der Nachfrage nach entsprechenden Reifen für die teils gigantischen Maschinen erwarten momentan die wenigsten Branchenexperten. Eher ist sogar das Gegenteil der Fall, denn außer in den USA, den Golfstaaten und vor allem China, wo die Bauindustrie teilweise mit zweistelligen Wachstumsraten aufwarten kann, wird zunehmend auch in Europa sowie aufgrund der guten Konjunkturlage selbst in Deutschland wieder verstärkt investiert.

Rosige Zeiten also für die Anbieter von entsprechenden Reifen – sollte man zumindest meinen. Doch was nützen die hohe Nachfrage, wenn man nicht genügend Reifen produzieren kann, um die Erwartungen der Kunden zu befriedigen? „Reifen über 1,50 Meter sind unser Engpass. Wie die Reifenhersteller haben wir die Nachfrage einfach unterschätzt“, wird beispielsweise Tsutomu Sakurai, Europachef des japanischen Baumaschinenkonzerns Komatsu, in einem Bericht des Handelsblattes zitiert. Kein Wunder also, dass allerorten an Erweiterungen der Produktionskapazitäten gearbeitet wird. So soll beispielsweise im November dieses Jahres in Campo Grande (Brasilien) ein neues Michelin-Werk für EM-Reifen ans Netz gehen, in dem etwa 440 Mitarbeiter Reifen in Größen von 25 bis 49 Zoll produzieren. Bis 2010 will der Hersteller, der etwa 200 Millionen US-Dollar in das Projekt investiert hat, dann die Kapazität des Standortes auf bis zu 40.000 Tonnen pro Jahr hochfahren. Dadurch sowie durch zusätzliche Investitionen in den Standort Lexington (South Carolina/USA), wo ebenfalls große EM-Reifen hergestellt werden, will Michelin seine Fertigungskapazitäten an EM-Reifen bis Ende 2008 um 26 und bis 2010 um 40 Prozent erhöhen.

Richtig Geld in die Hand nimmt auch Wettbewerber Bridgestone, um der gestiegenen und scheinbar weiter steigenden Nachfrage nach großen Baumaschinenreifen Herr zu werden. Wie dazu vonseiten der japanischen Bridgestone Corporation zu hören ist, wolle man in den kommenden Jahren eine Millionensumme in die Erweiterung der Produktionskapazitäten für EM-Reifen investieren. Dadurch soll die Produktionskapazität im eigenen Haus bis 2008 um rund 20 Prozent gesteigert werden. Rund 235 Millionen Dollar fließen darüber hinaus allein in die Errichtung einer neuen EM-Reifenfabrik in Japan (die NEUE REIFENZEITUNG berichtete). Allerdings – so hat jedenfalls ein Vertreter der US-Tochtergesellschaft Bridgestone Firestone Off-Road Tire Co. auf der amerikanischen „OTR Tire Conference“ im kalifornischen Rancho Bernardo verlautbaren lassen – werde nichtsdestotrotz die Nachfrage nach großen EM-Reifen auch während der kommenden Jahre bis 2011/2012 das Angebot noch übertreffen.

Vor diesem Hintergrund hat auch der auf AS- und EM-Reifen und -Räder spezialisierte US-Konzern Titan International eine Machbarkeitsstudie bei Merrill Lynch in Auftrag gegeben, bei der es um die Frage geht, ob sich Investitionen in Kapazitätsausweitungen von EM-Radialreifen in den Größen von 57 bis 63 Zoll rechnen. Titan habe die Kompetenz, diese zusätzlichen Größen herzustellen, sagt Morry Taylor, Chairman und CEO des Unternehmens. Man könne helfen, die weltweit herrschende aktuelle Knappheit bei Reifen dieser Größen zu beheben, aber erst wolle man von den Bergwerksunternehmen wissen, ob diese derartige Titan-Reifen auch abnehmen. Titan könnte nach eigenen Aussagen bei entsprechenden Investitionen ab 2008 jährlich bis zu 6.000 63-Zoll-Baumaschinenreifen fertigen.

Und während die einen noch prüfen, haben andere – ebenso wie die beiden Großen Bridgestone und Michelin es der Branche vormachen – bereits gehandelt. So beispielsweise der Hollandse Bandenmarkt International B.V., der während der Bauma Flagge in München zeigte. Das Unternehmen zählt sich zu den größten Heißrunderneuerern Europas und hat laut Leen A. van’t Hof, der die Position eines Direktors bei Bandenmarkt bekleidet, jüngst erst die Aufstockung seiner Produktionskapazitäten von 3.000 auf 6.000 Reifen pro Monat abgeschlossen. „Diese Verdoppelung bezieht sich auf die maximal mögliche Kapazität. In der Fertigung liegen wird momentan bei etwa 3.500 Reifen monatlich“, relativiert van’t Hof im Gespräch mit dieser Zeitschrift. Allerdings sind damit nicht ausschließlich EM-Reifen gemeint, sondern zum Portfolio der Niederländer gehören außerdem noch Landwirtschaftsreifen oder Pneus für spezielle Anwendungen beispielsweise für Fahrzeuge, die auf Schienen und öffentlichen Straßen gleichermaßen bewegt werden können.

Was van’t Hof unter dem von ihm genannten Begriff der „kreativen Runderneuerung“ versteht, wird deutlich, wenn man einen genaueren Blick auf die Produkte des Bandenmarktes wirft. Denn viele der angebotenen Reifen bauen auf den Karkassen ehemaliger Flugzeugreifen auf: Egal ob große EM- oder Kranreifen – was früher einmal auf einem Airbus oder einem MiG-Kampfjet Dienst getan hat findet bei den Holländern einen neuen Einsatzzweck. „Wir halten nicht weniger als rund 700 Vulkanisationsformen vor und können so auch ausgefallene Anfragen erfüllen“, sagt der Direktor und spricht in diesem Zusammenhang von so genannten „Russenreifen“. Damit meint van’t Hof die Bereifung von russischen Militär-Lkw. Für diese Fahrzeuge – so seine Worte – gebe es keine Neureifen mehr am Markt, sodass halt auf Runderneuerte zurückgegriffen werden müsse. Selbstredend gab’s die entsprechenden Reifen am Bauma-Messestand des Unternehmens ebenso zu sehen wie einen repräsentativen Querschnitt durch die gesamte Lieferpalette. „Angesichts der Knappheit an EM-Reifen hätten wir aber vielleicht lieber ein paar mehr von dieser Sorte mitbringen und dafür vielleicht lieber ein paar Landwirtschaftsreifen zu Hause lassen sollen“, meint van’t Hof.

Im Gespräch der NEUE REIFENZEITUNG mit Ian Thomas, Leiter Verkauf und Marketing bei Uzmai International Srl., war das Thema Gestaltung des eigenen Messestandes in München ebenfalls ein Thema. „Im Moment wird jeder Reifen im Markt gebraucht. Daher war es gar nicht so einfach, ein Exemplar aus unserer ‚UM3’-Modellreihe als Exponat mit zur Bauma bringen zu können“, so Thomas von dem in Verona (Italien) beheimateten Unternehmen, das seine Reifen unter dem Markennamen Maitech anbietet. Gefertigt werden diese am Standort Caselle, wobei das Werksgelände eine Fläche von rund 20.000 Quadratmetern umfassen soll. Dabei liegt der Eintritt in das EM-Radialreifensegment mithilfe der „UM3“-Produktfamilie noch gar nicht so lange zurück. „Wie waren schon mehrmals auf der Bauma vertreten, diesmal allerdings zum ersten Mal mit Radialreifen“, erklärt Thomas. „Diese Radialreifen bieten den Kunden zahlreiche Vorteile gegenüber konventionellen Off-The-Road-Reifen“, ist sich Thomas sicher und hebt beispielhaft deren hohe Resistenz gegen Schnittverletzungen im Laufflächen- und Schulterbereich hervor. Dies führe zu einer längeren Lebensdauer der „UM3“-Pneus im Vergleich zu Modellen des Wettbewerbs und darüber letztlich zu einer besseren Kosteneffizienz.

Derzeit wird das Modell „UM3“ in den Größen 15.5 R25**, 17.5 R25**, 20.5 R25** sowie 26.5 R25** angeboten. Für das laufende Jahr sind jedoch bereits weitere Ausführungen angekündigt, die über ein Netz von Großhandelspartner vertrieben werden. „Wir haben uns bemüht, ein Netz von Händlern zu etablieren, die in ihrem jeweiligen Marktbereich führend und in der Lage sind, ihre Kunden perfekt hinsichtlich der Reifenwahl für die einzelnen Einsatzzwecke zu beraten. Wie ermutigen diese Großhändler, so eng wie möglich mit uns zusammenzuarbeiten, damit wir gemeinsam erfolgreich den Markt bearbeiten können. Im Gegenzug bieten wir unseren Partnern jedwede Unterstützung durch wie wir glauben beste Reifen zu höchst kosteneffizienten Preisen und mit realistischen Lieferzeiten“, sagt Ian Thomas mit Blick auf die Knappheit an EM-Reifen im weltweiten Markt. Die hohe Nachfrage nach solchen Pneus unter anderem durch das rasante wirtschaftliche Wachstum in China habe schließlich nicht nur zu Preisanstiegen von bis zu 60 Prozent geführt, sondern mitunter auch dazu, dass teure und dringend für den Einsatz benötigte Baumaschinen stillstehen, weil für sie keine Reifen verfügbar sind.

Kein Wunder also, dass die Italiener sich und ihr Produktportfolio in München ebenso vorgestellt haben wie beispielsweise auch Magna Tyres BV aus den Niederlanden. Das Unternehmen versteht sich als Distributeur von EM- und Industriereifen solcher bekannter Marken wie Michelin, Bridgestone und Goodyear ebenso wie des eigenen Labels Magna, aus deren Range im Rahmen der Bauma an diversen exponierten Standorten einige Exemplare zu sehen waren. Bereits zum vierten oder fünften Mal stellte außerdem Mitas in München aus, wenngleich das Unternehmen den Worten von Marketingmanager Emil Houska zufolge derzeit keine Ambitionen hat, in den Markt der ganz großen EM-Reifen einzusteigen. „Wir treiben derzeit die Radialisierung unserer Produktrange weiter voran, planen aber momentan nicht die Fertigung von EM-Reifen über 25 Zoll“, so Houska. Dafür seien die Volumina in dem Marktsegment oberhalb von 25 Zoll zu klein für den Hersteller, der unter dem Motto „Fit for your job“ zwei neue Reifen mit im Gepäck nach München hatte: den „Compactor“ genannten Spezialpneu für Straßenwalzen sowie den „MPT-08“ für den Einsatz auf Baggern.

Wenn allerdings selbst verstärkt in das Geschäft mit EM-Reifen drängende alternative Hersteller den augenblicklichen Nachfrageüberhang nicht abfedern und die angekündigten Kapazitätssteigerungen der maßgeblichen Marktspieler die Situation nicht von jetzt auf gleich entschärfen können, muss über weitere Alternativen nachgedacht werden. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass sich beispielsweise Rema Tip Top kurzfristig vor Messebeginn in München dazu entschlossen hatte, vor Ort bei der Bauma auch auf das Thema EM- bzw. OTR-Reifenreparatur einzugehen. Noch besser wäre es natürlich, wenn die so dringend benötigten Reifen gar nicht erst durch einen Defekt ausfielen und auf diese Weise Stillstandszeiten der großen und teuren Baumaschinen vermieden werden könnten. Dass die Reifenhersteller diesbezüglich ihre Hausaufgaben gemacht haben, zeigen Entwicklungen wie das „AirGuarD“ genannte Reifendichtmittel von Dunlop oder das Reifendrucküberwachungssystem MEMS (Michelin Earthmover Management System) für EM-Reifen. Ob sich mit all diesen Maßnahmen die Situation in den Griff bekommen lässt oder ob die Branche auch bei der nächsten Bauma, die vom 19. bis 25. April 2010 auf dem Messegelände der Neuen Messe München stattfinden wird, immer noch über zu wenig EM-Reifen klagt, wird man sehen.

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