Wie lange hält Goodyear dem Druck stand?

Die Goodyear Tire & Rubber Co. scheint im Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft zu Zugeständnissen bereit zu sein. Nachdem der nun seit dem 5. Oktober bestreikte Reifenhersteller Mitte Oktober noch die Schließung von insgesamt zwei Fabriken in Alabama und Texas angekündigt hatte, war zuletzt nur noch die Rede von der Stilllegung des Werkes in Tyler im US-Bundesstaat Texas. In einem offenen Brief an die gewerkschaftlich organisierten Goodyear-Mitarbeiter schrieb der Reifenhersteller Anfang November, alle Fabriken würden eine Bestandsgarantie erhalten, „außer Tyler“. Wie Goodyear mitteilt, sei man nun bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Die Gewerkschaft United Steelworkers (USW) bestehe unterdessen weiter darauf, dass gar keine Werke geschlossen werden. Die konkrete Ankündigung des Reifenherstellers, das Werk in Tyler (Texas/USA) zu schließen, hat die Arbeitnehmerseite folglich stark getroffen. Denn was die Gewerkschaften befürchtet hatten und was durch Streikmaßnahmen eigentlich abgewendet werden sollte, nimmt Goodyear nun offenbar aus der Verhandlungsmasse heraus: die Schließung der Tyler-Reifenfabrik. Laut Goodyear stehe die Schließung in Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie, aus bestimmten Bereichen des Geschäftes mit Private Brands aussteigen zu wollen, daher werde in Nordamerika weniger Produktionskapazität benötigt (die NEUE REIFENZEITUNG berichtete). In Tyler werden überwiegend Reifen mit kleineren Dimensionen hergestellt, gerade in diesem Segment herrsche ein starker Druck ausgelöst durch „Low-cost-Importe“. Etwa 1.100 Arbeitsplätze werden wegfallen, die Kosteneinsparungen durch die Tyler-Schließung beziffert Goodyear mit 50 Millionen US-Dollar. Eröffnet in 1962, hat Tyler derzeit eine Fertigungskapazität von etwa 25.000 Pkw- und Llkw-Reifen täglich.

Unterdessen hat der Streik in den 16 nordamerikanischen Goodyear-Werken den Aktienkurs des Reifenherstellers offensichtlich nicht negativ beeinflusst, was das Wall Street Journal als „überraschend“ bezeichnet. Der Markt nehme allerdings positiv zur Kenntnis, dass die Goodyear-Arbeiter sehr wahrscheinlich größere Zugeständnisse werden machen müssen, wenn sie einen neuen Tarifvertrag abschließen wollen. Man ist der Ansicht, dass der neue Vertrag in jedem Fall geringere Produktionskosten und eine verbesserte Produktivität schaffen werden. Die Zeitung sieht Goodyear derzeit am längeren Hebel sitzen und verweist außerdem auf freundlichere Rahmendaten von den Rohstoff- und Energiemärkten. Entscheidend sei aber dennoch, wie lang der Streik insgesamt dauert. Wie die Zeitung schreibt, koste der Streik den Reifenhersteller täglich zwei Millionen Dollar. Diese Zahl könnte aber „stark ansteigen, wenn die Auseinandersetzung länger als einen Monat dauert“. Dann nämlich müsse Goodyear kostspielige Maßnahmen ergreifen, um seine Kunden weiterhin mit Reifen zu versorgen.

Die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s hat Goodyears Kreditwürdigkeit dennoch nach Beginn des Streiks „unter Beobachtung“ gestellt. Man erwarte durch den Streik negative Auswirkungen auf den Reifenhersteller. Die Agentur nahm zwar zur Kenntnis, dass sich Goodyear gerade auf dem Geldmarkt frische Barmittel in Höhe von knapp einer Milliarde Dollar beschafft hat, was die Liquidität für „die kommenden Monate“ erhalten sollte. Diese Situation dürfte sich aber mit zunehmender Dauer des Streiks und den damit einhergehenden Lieferschwierigkeiten verschlechtern. Analysten von Merrill Lynch gehen davon aus, dass ein langwieriger Streik „wahrscheinlicher“ sei als eine baldige Einigung im Tarifstreit und begründen dies mit Goodyears Kreditaufnahme.

Damit der Reifenhersteller nicht in Lieferschwierigkeiten gerät, wird auch das Management in den Produktionsstätten tätig. So haben einige der Manager im Reifenwerk Tonawanda (Buffalo/USA) Schlips und Kragen mit dem Blaumann getauscht, um Reifen zu bauen. In Tonawanda sind etwa 1.100 Arbeiter gewerkschaftlich organisiert und waren ebenfalls von ihrer Vertretung – den United Steelworkers (USW) – zum Streik aufgerufen worden. Die Gewerkschaft verdeutlicht dabei immer wieder, dass sie nicht die Schließung zweier Werke – Tyler (Texas) und Gadsden (Alabama) – akzeptieren würden, solange die Topmanager „Multimillionen US-Dollar an Boni“ einstreichen würden, schreibt The Buffalo News und veröffentlicht unter Bezug auf die amerikanische Börsenaufsicht SEC sogar Details zu den Jahreseinkünften der Goodyear-Topmanager. CEO Robert J. Keegan etwa hat demnach zuzüglich zu seinem Jahresgehalt von 1,1 Millionen Dollar 2005 einen Bonus von 2,6 Millionen eingestrichen.

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