Essen Motor Show im Wandel des Tunings

Die Essen Motor Show gilt als ein Highlight der so bedeutenden und von Wachstumsraten verwöhnten deutschen Tuningbranche. Sie war aber von Anbeginn auch bereits stark motorsportlich ausgerichtet und will dies auch in diesem Jahr wieder betonen: Eine extra arrangierte „Motor Sport Meile“ verdeutlicht, dass die Essen Motor Show die Leitmesse für den Motorsport geblieben ist. Diese „Motor Sport Meile“ soll zum „Meeting-Point“ der Szene werden, was schon dadurch gewährleistet sein dürfte, dass sich hier Motorsportinstitutionen und -unternehmen wie zum Beispiel der DMSB (Deutscher Motor Sport Bund), Eurosport, der DSK (Deutscher Sportfahrer Kreis) oder die Motor-Presse Stuttgart präsentieren und viele der immerhin 11.500 aktiven (die inzwischen passiven gar nicht gerechnet) Rennsportler treffen werden.

Ausstellungsstücke sind traditionell auch immer historische und aktuelle Rennwagen. Und auf den Messeständen geben sich die Motorsportidole von einst und von heute ein Stelldichein. Den Motorsportfan freut’s: Wohl nirgendwo kann er dermaßen viele Autogramme ergattern und so vielen Heroen der Rennstrecke so nahe sein wie in Essen. 70 Prozent aller Besucher der Veranstaltung, hat eine letztjährige Umfrage ergeben, interessiert sich für den Motorsport.Und hinter den Kulissen laufen immer noch die letzten Verhandlungen, welche Autos oder – falls exklusiv – welche Rennserien auf Reifen welchen Herstellers in der kommenden Saison rollen, pardon: rasen werden. So manche Entscheidung wird von den Verantwortlichen – der Automobilfirmen, deren Zulieferer, der Teams und Fahrer, Verbände, Veranstalter, Sponsoren usw. – bis zur Essen Motor Show vertagt, denn dort trifft man sich ja ohnehin, wie praktisch also.

In Essen sind die Autofahrer, denen es primär darum geht, von A nach B zu kommen, eine verschwindend kleine Minderheit und mit ihrer Einstellung wohl eher fehl am Platze. Das Motto der in diesem Jahr von Freitag, den 1. Dezember, bis Sonntag, den 10. Dezember, dauernden Essen Motor Show lautet „Your car is more“ und soll zugleich Programm sein: Autofahren als Leidenschaft, als emotionales Erleben.

Veranstalter ist die Messe Essen GmbH, „Treiber“ bei der Entwicklung dieser Messe ist aber auch der Verband Deutscher Automobil Tuner (VDAT) – und das, obwohl der im Vergleich zur Essen Motor Show noch relativ jung ist und erst 1987 gegründet worden war. Die Essen Motor Show hat hingegen eine fast zwanzig Jahre längere Geschichte und war bereits 1968 aus der Taufe gehoben worden. Im nächsten Jahr ist die Show gar eine Jubiläumsveranstaltung und findet das 40. Mal statt.

Wer ein wenig selbstkritisch zurückblickt, der wird sich an Stimmen erinnern, die besagten, die Essen Motor Show habe ihren Zenit überschritten. Und vielleicht wäre diese „besondere Mischung aus Premieren und Superlativen, Technologie und Veredelung, Motorsport, Classics und Show“ – wie die Veranstalter selbst schreiben – auch tatsächlich irgendwann auf den absteigenden Ast geraten, wenn nicht der VDAT die Essen Motor Show irgendwann zu „seiner“ Messe erklärt hätte, wobei es vermutlich eher so war, dass sie sich einfach in diese Richtung entwickelt hat und sich beide als natürliche Partner gefunden haben.

Die Essen Motor Show ist das Forum der deutschen Tuningbranche und der VDAT nutzt als größter nationaler Verband innerhalb der Tuningszene dieses Forum (seit 1990 auch im Rahmen eines „VDAT-Salons“) nicht nur, um sich selbst darzustellen, sondern auch die Außendarstellung der Tuningbranche immer dem Zeitgeist anzupassen. Wozu vor allem gehört, sich von dem abzugrenzen, was dem VDAT und seinen derzeit rund 150 Mitgliedern sowie – auch das sei ja einmal gesagt – auch weiten Teilen der Bevölkerung zu schaffen macht, manchmal übel aufstößt und leicht die Zunft der seriösen Fahrzeugveredler in Verruf bringt. Das sei umschrieben mit „Krawalltuning“, dem Vertrieb unsicherer und/oder illegaler Produkte und Plagiate.

Weil nicht nur der Tuningverband, sondern auch die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, hier die Spreu vom Weizen zu trennen, war im Herbst 2005 auch die Initiative „tune it! safe!“ kreiert worden: Ursprünglich hieß so ein Arbeitskreis, in dem sich das Bundesverkehrsministerium, der VDAT und die Essen Motor Show zusammenfanden. Erster Schirmherr war der damalige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe, inzwischen hat längst sein Nachfolger Wolfgang Tiefensee den Staffelstab übernommen.

Und das ist schon eine ungewöhnliche Geste, wenn sich ein Bundesverkehrsminister demonstrativ hinter eine Tuningkampagne stellt, um diese „Risikozielgruppe“ aufzuklären und vor Schaden zu bewahren, wie die die Maßnahmen begleitende Werbeagentur unlängst im Rahmen der Automechanika betonte. Das Ziel der Initiative lautet, „tune it! safe!“ als festen Bestandteil der deutschen Verkehrssicherheitspolitik zu etablieren.

Und dazu gehört – für manch einen vielleicht leider – eine stärkere Reglementierung, die im Rahmen der Brüsseler und/oder Genfer Gesetzgebung erfolgen wird. Man mag einerseits noch mehr Gesetze und Vorschriften beklagen, andererseits liegen die Tage, in denen Fahrzeugveränderungen weitgehend im rechtsfreien Raum erfolgen konnten, nun wirklich lange zurück und sind auch nicht wirklich mehr Gegenstand von nostalgischen Rückblicken der Tuningpioniere. Die Branche hat sich über die letzten zwei, drei Jahrzehnte stark professionalisiert: „Basteltuning“ mag zwar nicht völlig verschwunden sein und in den berüchtigten Hinterhofwerkstätten weiter betrieben werden. Die „schwarzen Schafe“ der Branche sind nicht nur „verpönt“, sie werden gegebenenfalls sogar verfolgt; ihre Produkte und Dienstleistungen können nicht nur den Verlust der Zulassung oder des Versicherungsschutzes nach sich ziehen, sie sind gefährlich.

Die Branche hat sich schließlich dermaßen entwickelt und ist mit einem jährlichen Umsatzvolumen von 4,5 Milliarden Euro und etwa 19.000 Mitarbeitern inzwischen zu einem ernstzunehmenden volkswirtschaftlichen Faktor geworden. Übrigens werden knapp 50 Prozent aller Tuningartikel in die ganze Welt exportiert, was für das ausgezeichnete Renommee gerade deutscher Fahrzeugveredler sprechen mag. Tuning ist in seiner seriösen Spielart nicht nur längst gesellschaftsfähig geworden, sondern auch von den Automobilherstellern als lukratives Segment entdeckt worden: Das heißt: Das tatsächliche Umsatzvolumen der Branche ist erheblich höher, wenn man das Werkstuning der Automobilhersteller mit einbezieht. Da wird der Rahmen der aktuell etwa 600 Tuningfirmen – diese Zahl hat der VDAT ermittelt – überschritten; der VDAT zählt deutschlandweit etwa 600 Tuningunternehmen vom Ein-Mann-Betrieb bis hin zur Unternehmensgruppe mit mehreren hundert Mitarbeitern.

Die Veränderungen der Tuningbranche dürften sich auch auf der Essen Motor Show widerspiegeln. Die Veranstalter der Messe würden inzwischen – obwohl sie ja nicht nur von den Besuchern, sondern auch von den Ausstellern einer Messe „leben“ – „längst nicht mehr jeden Aussteller aufnehmen“, womit dann wohl diese Ausgrenzung fundamentiert wäre, so die Durchführenden der Aktion „tune it! safe!“.

Seriöses Tuning verzichtet auf extremes Tieferlegen, breitere Räder sollen nicht nur der Optik dienen, sondern auch ein verbessertes und ausgewogenes Handling bewirken. Wem es noch nicht ins Bewusstsein gedrungen sein sollte: Tuning vermittelt längst nicht mehr nur mehr Fahrspaß, sondern soll auch ein Plus an Fahrsicherheit bewirken. Und im Übrigen gibt es so etwas wie eine Garantieleistung, dass die Grenzen seriösen Tunings nicht überschritten worden sind: das VDAT-Gütesiegel, das seit 1997 vergeben wird. Wo dieses Gütesiegel drauf ist, kann getrost davon ausgegangen werden, dass es sich um zulassungstechnisch unproblematische und qualitativ untadelige Bauteile handelt.

Auf der bevorstehenden Essen Motor Show wird dieses Qualitätssiegel wieder häufig zu sehen sein, viele der ausstellenden Firmen sind Mitglieder des VDAT, einige andere sind dies zwar noch nicht, aber stehen dennoch in untadeligem Ruf. Auf der vorläufigen Ausstellerliste finden sich die Reifenhersteller BFGoodrich Tires, Continental, Dunlop, Fulda, Hankook, Marangoni, Matador, Nankang, Pirelli, SRI/Falken, Syron (Keskin), Toyo, Vredestein und Yokohama. Und als Felgenanbieter werden AEZ/Dezent/Dotz, Alutec, Antera, AZEV, BBS, Borbet/CW, Brock, EtaBeta/MB Design, Keskin, Oxigin, RH, Rial, Ronal, Rondell, Volker Schmidt, SMC, Smoor, Toprad/Toora und Wwork Wheels genannt. Ebenfalls zur Branche zu rechnen sind GDHS, die Initiative PRO Winterreifen und Pit-Stop. Und natürlich die Tuner selbst, deren bevorzugtes Veredelungsbauteil nach wie vor der breitere Reifen mit dem dazugehörigen Leichtmetallrad ist, sowie naheliegende Produkte à la Federn oder Tieferlegungen etc.

400.000 Besucher hat sich in den letzten Jahren als „Schallgrenze“ für die Messe erwiesen: Je deutlicher diese Zahl übertroffen wird, desto erfolgreicher war die Essen Motor Show; je weiter die Zahl – die im Übrigen auch von den Witterungsbedingungen positiv wie negativ beeinflusst werden kann – unterschritten wird, desto eher kehrt Ernüchterung ein. Neuvorstellungen der Automobilindustrie, Oldtimer, Showcars und Motorsport zum Anfassen sind wichtige Veranstaltungsbereiche, der wichtigste aber ist der Tuningsektor. Automobile Vielfalt findet nirgendwo stärker ihren Ausdruck. Dass andere Tuningmessen – so in Friedrichshafen die Tuning World Bodensee – aus dem Boden sprießen und durchaus erfolgreich sind, ist weniger als wachsender Konkurrenzkampf zu verstehen, sondern mehr als Indiz dafür, dass Tuning weiterhin und möglicherweise stärker denn je „angesagt“ ist. Da Tuningmessen ganz direkt den autoaffinen Endverbraucher ansprechen, der aber nicht unbedingt bereit ist, zu lange Strecken zu überwinden, haben Tuningmessen auch einen gewissen regionalen Charakter, was bedeutet: Der Einzugsbereich des Fachpublikums ist begrenzt. Und so werden auf den Parkplätzen des Essener Messegeländes bei dieser „weltweit“ führenden Tuningmesse nicht nur viele Fahrzeuge mit Kfz-Kennzeichen aus dem Lande Nordrhein-Westfalen zu finden sein, sondern beispielsweise auch viele mit ausländischen, genauer Benelux-Kennzeichen. Tuning ist auch ein Exportschlager.

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