War’s das?

Endlich – pünktlich zum November-Anfang der erste Kälteeinbruch und kurze Schnee(regen)schauer. Denn nachdem der Wettergott die Deutschen für den verregneten August offenbar mit einem viel zu warmen Oktober entschädigen wollte, hatte sich in manchen Regionen schon Unruhe breit gemacht, wann denn endlich das Winterreifengeschäft so richtig auf Touren kommen könnte. In unserem Onlineforum unter www.reifenpresse.de/forum wurde jedenfalls schon einmal auf den Einsatz des ersten Schneefalls getippt.

Klagen über einen mangelnden Winterreifenabsatz dürften in diesem Jahr so oder so jedoch nicht zu hören sein – weder vonseiten der Reifenhersteller, noch im Handel. Aus Industriekreisen hört man Zahlen von einem bis zu 13-prozentigen Absatzplus an Winterreifen und nach Aussagen des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) haben bereits jetzt viele Reifenhändler Probleme, Reifen zu bekommen – und das ohne großartige Schneefälle und Temperaturen von knapp 20 Grad bis Ende Oktober.

Zu der gestiegenen Nachfrage nach Winterreifen dürfte die derzeit eher positive Konjunkturlage, die anstehende Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 und natürlich nicht zuletzt vor allem die geänderte Straßenverkehrsordnung beigetragen haben. Und das, obwohl immer noch nicht vollkommen klar ist, was genau unter einer „geeigneten“ bzw. den „Witterungsverhältnissen angepassten“ Bereifung eigentlich zu verstehen ist.

Die überwiegende Zahl der Reifenhersteller vertritt die Ansicht, dass das M+S-Symbol allein noch keinen richtigen Winterreifen ausmacht, sondern es vielmehr besser sei, einen Reifen mit Schneeflockensymbol auf der Seitenwand und mindestens noch vier Millimetern Profil in der kalten Jahreszeit zu montieren. Komisch nur, dass gerade die Michelin-eigene Handelskette Euromaster Autofahrern eine Plakette aufs Fahrzeug pappen will, wenn bei einer Überprüfung der Bereifung M+S-Reifen mit dem gesetzlichen Mindestprofil von 1,6 Millimetern vorgefunden werden.

Paradox wird die Sache, wenn man sich vor Augen führt, dass die TÜV Rheinland Group als Partner der Euromaster-Aktion zwar einerseits den Verbrauchern empfiehlt, ihre Reifen gemäß diesen Kriterien bei einer der bundesweit über 300 Filialen der Kette überprüfen zu lassen. Andererseits wird in eigenen Aussendungen an die Presse betont, dass es bei Winterreifen schon eine Profiltiefe „von mindestens vier Millimetern“ sein sollte, da sie dann bei Schnee und Eis erheblich besser auf der Fahrbahn haften.

Laut BRV kann man davon ausgehen, dass Pkw-Winterreifen, die mit „M+S“, „M&S“ oder „M.S.“ gekennzeichnet sind, die Forderung der StVO nach geeigneter Bereifung im Winter erfüllen, wobei dies auch für Ganzjahresreifen mit dem entsprechenden Zusatz gelte. Ein etwaiges auf der Seitenwand vorhandenes Schneeflockensymbol bezeichnet der Branchenverband zwar als „sinnvollen zusätzlichen und beachtenswerten Hinweis“ zur Erkennung eines für den Wintereinsatz geeigneten Profils, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass – anders als in den USA und Kanada – zur Erlangung dieses Symbols in Europa keinerlei Test gesetzlich vorgeschrieben ist und es zudem außerdem nicht geschützt sei.

Letztendlich zeigt all dies nur, dass §2 Absatz 3a der geänderten StVO vom Gesetzgeber – gewollt oder ungewollt – äußerst schwammig gefasst wurde. Etwas mehr Klarheit dürften erst die zu erwartenden Klagen gegen tatsächlich verhängte Bußgelder oder möglicherweise verweigerte Versicherungsleistungen aufgrund „ungeeigneter“ Bereifung bringen. Wie Rechtsanwältin Ulrike Karbach von der Kölner Kanzlei Hecker, Werner, Himmelreich und Nacken Mitte des Jahres im Rahmen einer Pressekonferenz der Initiative PRO Winterreifen durchblicken ließ, geht sie davon aus, dass die ersten rechtskräftigen Urteile in dieser Sache in etwa zwei Jahren vorliegen werden.

Einstweilen dürften der Branche die Feinheiten rund um die „geeignete“ Bereifung also egal sein, zumal bei der überwiegenden Mehrheit der Verbraucher bislang ohnehin mehr oder weniger nur die Botschaft von einer neuen „Winterreifenpflicht“ angekommen ist. Und die dürfte in diesem Jahr – sofern es die Marktspieler mit ihren Supersondermehrwertsteuersparrabattaktionen nicht allzu sehr übertreiben – bei Industrie und Handel die Kassen klingeln lassen. Doch was kommt danach? Wird der Winterreifenabsatz zur Umrüstsaison 2007/2008 nochmals so zulegen können wie jeweils in den zurückliegenden Jahren bzw. wie es für die laufende Saison erwartet wird?

Die meisten bisherigen Umrüstmuffel haben sicherlich schon in diesem Jahr ihre Zurückhaltung in Sachen Winterbereifung aufgegeben. Ob es gelingt, die „eingefleischten Umrüstverweigerer“ dann zur kommenden Saison zu mobilisieren, muss zumindest in Frage gestellt werden dürfen. War’s das also, und muss sich die Branche eventuell auf einen stagnierenden oder möglicherweise sogar wieder sinkenden Absatz an Winterreifen einstellen?

Mit Prognosen dazu ist man derzeit eher zurückhaltend. Vielleicht auch gut so, denn das Beispiel Notlaufreifen zeigt, wie schnell man dabei daneben greifen kann. Gingen nämlich viele Reifenhersteller bis in jüngerer Vergangenheit noch davon aus, dass sich die so genannten Runflats zügig auf breiter Front im Markt durchsetzen und als neuer Standard etablieren werden, kann man sich inzwischen des Eindrucks nicht erwehren, dass dies längst nicht mehr als ausgemachte Sache gilt. War’s das also möglicherweise schon auch an dieser Front? Wer weiß – deswegen sagen Sie uns unter www.reifenpresse.de/umfrage doch ruhig mal Ihre Meinung zu diesem Thema.

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