„Beratungsbedarf nach wie vor extrem hoch“

In diesem Winter wird sich – da sind sich alle Experten einig – das Reifengeschäft besser als jemals zuvor entwickeln. Während in den vergangenen Jahren der Absatz an Winterreifen kontinuierlich zunahm und gleichzeitig zur marktbestimmenden Größe wurde, ging der Absatz an Sommerreifen jedes Jahr zurück. Der Trend, der sich darin ablesen lässt, ist genauso stabil wie er für den Reifenhandel sowie die Hersteller lukrativ ist. Der insgesamt wachsende Markt in Deutschland profitierte folglich in der Vergangenheit durch die starke Zuwachsrate bei Winterprofilen, die auch durch den Rückgang bei Sommerreifen nie aufgezehrt wurde. Durch die Neuregelung der Straßenverkehrsordnung, die eine an die Wetterverhältnisse angepasste, geeignete Bereifung fordert, sollen die Absatzzahlen in diesem Herbst noch stärker steigen als bisher schon. Die einzigen Fragen, die offen bleiben, sind folgende: Wie stark wird dieser Markt wachsen und kann die Industrie rechtzeitig in vollem Umfang liefern?

Die Schätzungen der Industrie zu den zunehmenden Absatzzahlen schwanken in der Regel zwischen sechs und zehn Prozent, so jedenfalls ist in Gesprächen mit den Produktverantwortlichen der Hersteller immer wieder zu hören. Es gibt sogar vereinzelte Stimmen, die von Absatzsteigerung in Höhe von bis zu 20 Prozent sprechen. Dies scheint allerdings kaum glaubhaft. Der Rückgang bei Sommerreifen wird vermutlich in ähnlicher Größenordnung stattfinden, wie das Wintersegment wachst, obwohl Marktbeobachter eher von einer insgesamt größeren Nachfrage auf dem deutschen Pkw-Ersatzmarkt rechnen – der Markttrend bleibt also, wenn auch nur in der Größenordnung 1,5 bis zwei Prozent, positiv.

Die Produktionsstätten der Reifenindustrie laufen seit Monaten unter Volllast, um die hohen Vororderzahlen aus dem Reifenfachhandel und dem Großhandel erfüllen zu können. Aber wie jedes Jahr, so rechnet man auch in diesem Jahr mit Lieferschwierigkeiten der Reifenhersteller. Wie Peter Hülzer, geschäftsführender Vorsitzender des BRV, sagt, betreffe dieses Problem erneut beinahe jeden Hersteller. Sie versprächen jedes Jahr wieder die Verfügbarkeit der Produkte zu erhöhen und Problemen vorzubeugen. Doch trotz der erwarteten, hohen Nachfrage seien bereits jetzt einige Größen nicht mehr verfügbar, so Hülzer weiter. „Erneut exzellent vorbereitet“, so der geschäftsführende BRV-Vorsitzende, sei der Reifengroßhandel, der offenbar kaum unter Lieferschwierigkeiten der Hersteller leidet. Insgesamt sei der deutsche Reifenfachhandel dennoch vollauf optimistisch, was den Verlauf der kommenden Wintersaison betreffe.

Ein bitterer Beigeschmack bleibe lediglich dann, wenn Hersteller – wie in diesem Jahr beispielsweise Goodyear – die Preise in der laufenden Saison erhöhen und Reifen zu neuen Preisen berechnen, obwohl sie noch zu alten Preisen bestellt wurden und – eigentlich – vor dem Zeitpunkt der Preiserhöhung ausgeliefert werden sollten. Betroffene Reifenhändler hätten dann „Pech gehabt“, so interpretiert der BRV eine Stellungnahme des Herstellers zum Sachverhalt.

Auch die Umrüstquote werde in der kommenden Saison natürlich weiter steigen. Für die vergangene Saison wurde vom BRV eine Umrüstquote von 50,4 Prozent errechnet. In der jetzt beginnenden Saison könnte eine Quote von 60 Prozent erreicht werden, glaubt Hülzer. Dann sei aber auch „das Ende der Fahnenstange“ erreicht, denn Zweitwagen und Fahrzeuge, die in Nord- und Westdeutschland genutzt werden, bleiben auch zukünftig oftmals auf Sommer- oder Ganzjahresreifen stehen, so die Erwartung des BRV-Vorsitzenden.

PRO Winterreifen und BRV vorbereitet

Laut der Initiative PRO Winterreifen – die seit fünf Jahren die Verkehrsteilnehmer über die Sicherheitsvorteile von Winterreifen in der kalten Jahreszeit überzeugen will – werde die kommende Saison „für die Winterreifenexperten richtig spannend, denn durch die Änderung der StVO gibt es besonders viel Aufklärungsbedarf“. Dies betreffe Autofahrer genauso wie den beratenden Reifenfachhandel sowie beteiligte Behörden und Institutionen. Aus diesem Grund wolle die Initiative PRO Winterreifen eine Broschüre für alle erstellen, „die sich beruflich mit dem Thema Sicherheit im Straßenverkehr beschäftigen“. Es seien außerdem bereits Infoblätter zur Verteilung an zahlreiche Partner und Institutionen zur Verfügung gestellt worden, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Initiative. Durch die neue Zusammenarbeit mit den Verkehrswachten werde die Initiative die Autofahrer mit gut platzierten Spannbändern noch häufiger an den Wechsel auf Winterreifen erinnern. Wie die Initiative weiter meldet, sollen zum Thema Veranstaltungen, Vorträge, Interviews und Presseinformationen abgehalten bzw. versandt werden, um die Verbraucher über die neuen gesetzlichen Regelungen der StVO und deren Auswirkungen richtig und umfassend zu informieren. Beim BRV will man bereits „hysterische Reaktionen“ zum Thema Winterreifen wahrgenommen haben. Man überlege derzeit sogar, ob der Verband einen zusätzlichen Mitarbeiter für die Öffentlichkeitsarbeiter anheuern sollte, der sich hauptsächlich um dieses Thema kümmern soll. Auch beim BRV sieht man den Beratungsbedarf nach wie vor extrem hoch.

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