Drei Jahrzehnte Michelin-Erfolge in der 500-cm³-/MotoGP-WM

Nach eigenen Aussagen betreibt Michelin Motorsport nicht nur wegen des Gewinnens, sondern vor allem wegen der technischen Herausforderung. Das gilt auch für den Motorradrennsport und hier insbesondere für die Königklasse der 500-cm³-Maschinen bzw. der MotoGP. Dabei kann das Unternehmen auf zahlreiche Erfolge während der vergangenen gut 30 Jahre zurückblicken: Denn im Zusammenhang mit solchen Namen wie Barry Sheene, Eddie Lawson, Freddie Spencer, Kevin Schwantz, Mick Doohan oder Valentino Rossi fällt immer auch der Name Michelin.

Anfang der 70er-Jahre zogen die ersten Motorradrennfahrer den Straßenreifen Michelin „PZ“ auf ihre Grand-Prix-Bikes auf. Dass Kent Andersson (Yamaha) und Paolo Pileri (Morbidelli) 1974 bzw. 1975 die ersten WM-Titel in der 125-cm³-Klasse holten, verdankten sie nach Überzeugung des Reifenherstellers auch diesem Pneu. Wegen seiner größeren Kontaktfläche stellte er – so Michelin – viel mehr Grip zur Verfügung, sodass auf den „PZ“ vertrauende Fahrer in der Motorradweltmeisterschaft ab diesem Zeitpunkt über einen klaren Vorteil verfügten. Und nach dem Einstieg des Herstellers in die Königsklasse des Motorradrennsports war es Jack Findlay, der 1973 auf der Isle of Man nicht nur für den ersten Grand-Prix-Sieg für das französische Unternehmen holte. Der Australier war außerdem der Erste, der vor 30 Jahren die ersten profillosen Michelin-Slicks im Rennen einsetzte. „Dass hier eine Revolution stattfand, war uns anfangs nicht klar. Wir wussten noch nicht, wie wir das Beste aus diesen Reifen herausholen“, erinnerte sich der 2003 verstorbene Brite Barry Sheene, dessen Aufstieg eng mit der Einführung der Slicks verbunden wird. „Ich weiß noch, dass ich dachte, ,Wären die mit schönen Rillen nicht viel besser?’. Von Parametern wie Reifentemperatur und dergleichen hatten wir keinen Schimmer. Aber eines stand bald fest: Hier begann eine neue Ära“, sagte Sheene, der 1976 auf Suzuki erster 500-cm³-Weltmeister mit Michelin wurde.

Dieser Titel war der Auftakt zu einer ganzen Reihe weiterer Erfolge für die Franzosen in der Königsklasse: Nach Sheenes zweiter WM-Krone 1977 holten die Italiener Marco Lucchinelli (1981) und Franco Uncini jeweils auf Suzuki-Michelin den 500er-Titel. 1983 schlug erstmals die Stunde von Freddie Spencer, der auf seiner Honda NSR 500 das Zeitalter der US-Amerikaner und Australier in der Königsklasse einläutete. Spencers zweiter Titelgewinn 1985 ging nach Ansicht Michelins maßgeblich auf die Einführung des Radialreifen zurück, mit dem man bereits 1983 die WM-Titel in den Klassen 50 cm³ (Stefan Dörflinger), 125 cm³ (Fausto Gresini) und 250 cm³ (Freddie Spencer) gewonnen hatte. 1984 holte „Fast Freddie“ mit dem neuen Karkassenaufbau den ersten GP-Sieg in der 500er-Kategorie. „Mit dem neuen Radialhinterreifen bekamen wir deutlich mehr Grip und das Bike fühlte sich in Highspeed-Kurven erheblich stabiler an“, beschreibt Spencer den Unterschied. „Das beeindruckte mich sofort. Sobald wir die hintere Schwinge verstärkt hatten, arbeitete der Radialreifen perfekt. Wir verbrachten dann die erste Hälfte der Saison 1985 mit der Entwicklung des Radialvorderreifens, der mich schließlich um zwei Sekunden pro Runde schneller machte. Nie zuvor hatte ich eine solche Stabilität bei hartem Bremsen erlebt.“ Der Erfolg: 1985 holte „Fast Freddie“ sowohl die 250er- als auch die 500er-Krone für Honda und Michelin.

„Die Diagonalkonstruktionen waren der Leistungsexplosion der aufkommenden ,Big Bikes’ nicht mehr gewachsen”, betont der heute 69-jährige Jack Findlay, der auch maßgeblich an der Entwicklung der Radialreifen für Straßenmotorräder beteiligt war. „Sie brachten bei hohen Geschwindigkeiten Unruhe ins Fahrwerk. Als Michelin den Radialreifen präsentierte, war der gleich ein Riesenerfolg – kein Wunder, denn dieses Ding funktionierte einfach großartig.” Zugleich erlaubten die Radialpneus den Zweitaktpiloten nun das kontrollierte Sliden, das für rund ein Jahrzehnt Markenzeichen und Erfolgsgeheimnis der US-Boys und Australier bleiben sollte. Die folgenden WM-Titel von Eddie Lawson, Wayne Gardner, Wayne Rainey, Kevin Schwantz und Mick Doohan werden als Beleg dafür gewertet, wie gut Michelin die Radialtechnologie im Griff hatte. „Kein anderer Hersteller außer Michelin kann dieses hohe Niveau an Konstanz und Qualität bieten“, fand auch der fünfmalige, aus Australien stammende Weltmeister Doohan, der 1996 auch den 200. Grand-Prix-Sieg in der Top-Kategorie für die Franzosen holte und den eine enge Partnerschaft mit der Mannschaft von Michelin-Motorradrennchef Nicolas Goubert verband.

Mit dem Beginn des neuen Jahrtausends begleitete Michelin einen doppelten Wachwechsel in der Motorrad-Königsklasse: Zum einen übernahm nun der Italiener Valentino Rossi das Zepter, zum anderen wurden die 500-cm³-Zweitakter von 990-cm³-Viertaktmaschinen abgelöst. Schon in ihrer Debütsaison leisteten die MotoGP-Prototypen über 230 PS, heute gelten 250 PS bei den großen Werksteams als Standard. Mit dieser Leistungsexplosion, dem ganz anderen Drehmomentverlauf, aber auch dem erforderlichen Wechsel des Fahrstils kamen auf den Reifenhersteller eigenen Angaben zufolge völlig neue Herausforderungen zu. „Als die Viertakter aufkamen, konnten sie den härtesten 500er-Reifen innerhalb von fünf Runden aufreiben”, beschreibt Rossi den Unterschied. „Aber Michelin hat genau verstanden, worauf es uns Fahrern bei den neuen Motorrädern ankam und konstruierte für die MotoGP-Bikes eine komplett neue Reifenfamilie.“ Erstmals in der Fertigung von Motorradrennreifen verwendete Michelin seine C3M-Technologie. Hatte Michelin 2000 und 2001 in den letzten beiden Zweitakterjahren den Wechsel von 17- auf 16,5-Zoll-Hinterreifen vollzogen, so stand 2002 der gleiche Schritt am Vorderrad an. Dem kleineren Pneu werden dank seines geringeren Gewichtes Vorteile beim Handling zugeschrieben. Zudem besitzt er eine geringere Massenträgheit, eine etwas größere Kontaktfläche und er vermindert die ungefederte Masse.

„Wie bei den anderen Innovationen im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte zogen die Wettbewerber auch diesmal nach – wie so oft, ohne die Michelin-Partner in der MotoGP-Weltmeisterschaft ernsthaft herausfordern zu können“, gibt sich der Hersteller im Vorfeld der nächsten Läufe in Donington (24. Juli) und am Sachsenring (31. Juli) siegessicher. Denn sollten die Partner Michelins auch hier wieder gewinnen können, könnte man bei der deutschen WM-Runde die Schnapszahl von 333 Siegen in der Motorrad-Königsklasse erreichen. Aber auch dies sehen die Franzosen nur als „ein Zwischenspiel auf dem Weg zu weiteren Triumphen“.

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