Das BTE-Kunststoffrad ist zurück – in den Medien

Bundesverkehrsministerium und TÜV Rheinland Group weisen aus aktuellem Anlass darauf hin, dass das im September 2000 für ein Kunststoffrad des Herstellers BTE Felgentechnik (Grube/Schleswig-Holstein) erstellte Teilegutachten bereits im September 2001 zurückgezogen wurde, berichtet Auto Service Praxis.

Die Geschichte dieses Rades begann bereits 1996, damals berichtete die NEUE REIFENZEITUNG als erstes Medium überhaupt (NRZ 4/96) über das so genannte „SMC-Hybridrad“, ein Rad aus glasfeserverstärktem Kunststoff. Keine neue Idee schon damals, selbst für einen in den 70er Jahren präsentierten Citroen SM (mit Maserati-Motor) hatte „Räderhersteller“ Michelin bereits einen ähnlichen Werkstoff genutzt, BASF hatte sich darum bemüht, Autohersteller wie Volkswagen (beim Ur-Golf) oder Mercedes (für den ersten Smart) testeten Probanden, auch Goodyear, große Konzerne also, die als Beleg dafür herhalten mögen, dass solch ein Rad nicht die Idee von „Spinnern“ sein muss. Aber trotz aller Fortschritte in der Werkstofftechnologie, das heißt bei der Leistungsfähigkeit von Kunststoffen, wollte der Durchbruch nicht gelingen. Das Kunststoffrad blieb als Wettbewerber von Stahl- und Aluminiumrad eine Randerscheinung, interessiert beäugt, aber ohne jemals wirklich in Großserie zu gehen und zur echten Alternative zu werden.

Interessanterweise wollten damals die branchenbekannten Herren Hartmut Freitag und Wilhelm Funk, die man von der Firma melber, einem damalig bedeutenden Vermarkter von Aluminiumgussfelgen aus Italien, als Steigbügelhalter des BTE-Rades fungieren. Sie glaubten an die Erfindung eines Andreas Babbe (BTE stand für Babbe Technik Entwicklung), der mit seinem Freund Jens Sager, welcher den kaufmännischen Part übernehmen sollte, den Felgenmarkt revolutionieren sollte. Daraus wurde nichts, die beiden Jungunternehmer Babbe/Sager scheiterten, auch die Gründung einer Firma „F & F Hybridrad GmbH“ der beiden Vertriebsurgesteine des Marktes Freitag und Funk brachte keinen Durchbruch.

Dabei: Eine kleine Fabrik im ostholsteinischen Grube bei Dahme war tatsächlich hochgezogen worden und ging auch in Produktion. Ein Chemiepartner wie BASF, ein Halbzeughersteller wie Duroform und erste Ergebnisse des TÜV Pfalz machten Mut, in Festigkeitstests überraschte das superleichte Kunststoffrad mit Ergebnissen, die sich nicht hinter denen konventioneller Aluminiumgussräder verbergen mussten. Selbst Automobilhersteller besorgten sich klammheimlich SMC-Räder, um sie intern zu testen – und damit begann der Stern zu sinken. Das Rad genügte den gestrengen Ansprüchen der Automobilhersteller nicht.

Babbe wandte sich dem Bootsbau zu (selbstredend aus Kunststoff), Hartmut Freitag verstarb plötzlich, und Wilhelm Funk, der die Vertriebsfirma melber weiterführen wollte, musste bald Insolvenz anmelden. Als Eigner der BTE Felgentechnik trat auf der Reifenmesse in Essen im Jahre 2000 eine Firma Lenzkes Spanntechnik (Lüdenscheid) auf, wobei damals bereits gemunkelt wurde, Lenzkes sei der Geldgeber von Babbe und Sager gewesen, die zwar viel Enthusiasmus, aber leider kein Geld mitgebracht hatten. Mittlerweile ist es um BTE-Felgen noch ruhiger geworden, es sei denn auf Internetforen, und da findet man so manchen kritischen und sehr persönlichen Hinweis.

Das SMC- bzw. BTE-Rad ist gescheitert, aktuell ist auch kein anderes Kunststoffprojekt in Sicht, das eine Zukunft verheißt. Die Idee wird aber immer wieder neu aufflammen. So hat sich ein holländisches Unternehmen (Prins Dokkum) sogar an Kunststoffräder für Nutzfahrzeuge gewagt. Ob Babbe/Sager und später Lenzkes einfach nur ihrer Zeit voraus waren? Die Fortschritte in der Chemie bzw. der Werkstoffkunde finden immer noch statt. Das BTE-Rad hatte allerdings (übrigens analog zum Magnesiumrad) einen Nachteil: Es sah lackiert exakt so aus wie ein gewöhnliches Aluminiumrad. Warum sollte ein Verbraucher unverhältmäßig viel mehr für ein Rad aus einem Hightech-Kunststoff zahlen als aus Aluminium. Denn das BTE-Rad hätte teuer sein müssen, sollen sich die Investitionen (Werkzeugkosten) in nur eine Größe rechnen.

Doch zurück zur Meldung von Auto Service Praxis: Im September 2000 hatte die TÜV Pfalz Verkehrswesen GmbH (heute Teil der TÜV Rheinland Group) ein Teilegutachten nach § 19 (3) StVZO für ein Kunststoffrad des Herstellers BTE Felgentechnik erstellt. Das Rad vom Typ BTE I 17 in der Dimension 8J x 17 H2 war freigegeben für Audi A3, S3 und TT, Chrysler Stratus und PT Cruiser, Seat Leon und Toledo, Skoda Felicia und Fabia sowie VW Golf III, Vento, Corrado, Golf IV, Bora, New Beetle und Passat.

Ein Jahr später, im September 2001, zog die TÜV Pfalz Verkehrswesen GmbH dieses Teilegutachten zurück, nachdem eine Nachuntersuchung für das aus dem glasfaserverstärkten Kunststoff SMC gefertigte Rad verminderte Festigkeitswerte ergab. Als Grund für die Festigkeitsminderung vermutete der TÜV ein verändertes Herstellungsverfahren. Weil der Zeitpunkt der Festigkeitsminderung nicht fixierbar war, wurde der Hersteller aufgefordert, alle ausgelieferten Räder zurückzurufen, was dieser unmittelbar schriftlich bestätigte.

Dennoch enthält eine kürzlich von BTE Felgentechnik veröffentlichte neue Anwendungsliste auch das genannte Kunststoffrad. Über die Hintergründe lasse sich nur spekulieren, schreibt Auto Service Praxis; das Unternehmen ist derzeit weder telefonisch noch per Internet erreichbar. Auf Basis dieser Anwendungsliste präsentierte ein VW-Tuner einen Polo 1.8 Turbo mit BTE-Kunststoffrädern, was Bundesverkehrsministerium und TÜV Rheinland Group auf den Plan rief.

Fest steht: Das BTE-Kunststoffrad besitzt kein gültiges Teilegutachten, damit ausgestattete Fahrzeuge werden spätestens zur nächsten HU beanstandet. Rechtliche Konsequenzen sind schwierig vorherzusagen, § 19 StVZO wird diesbezüglich gerade überarbeitet.

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