Kommt Goodyear in Russland zum Zug?

Die Signale, dass die Goodyear Tire & Rubber Co. kurz vor einer Großinvestition auf dem russischen Reifenmarkt steht, werden scheinbar immer deutlicher. Wie jetzt ein russischer Analyst in einem Report schreibt, zeige der amerikanische Reifenhersteller das „größte Interesse“, die Joint Stock-Company Nizhnekamskshina zu übernehmen.

Als Kaufpreis für die Mehrheit am Unternehmen, das derzeit noch zu 75,2 Prozent dem russischen Mineralölkonzern Tatneft gehört, nennt der Autor des Reports 100 Millionen US-Dollar, denen „Goodyear zugestimmt hat“, und bezieht sich dabei auf Quellen im Tatneft-Management. Ob Goodyear aber tatsächlich zum Zuge kommen wird, muss sich erst noch zeigen. Bestätigt wird darüber hinaus, dass Tatneft derzeit über seine Anteile an Nizhnekamskshina mit wenigstens drei westlichen Reifenherstellern verhandelt. Neben Goodyear verhandeln auch Michelin und Nokian, so der Analysten-Bericht weiter, mit Tatneft über die Zukunft der größten einzelnen Reifenfabrik in Russland, die derzeit eine Jahreskapazität von 11,7 Millionen Einheiten aufweist und damit nach eigenen Angaben etwa 28 Prozent der russischen Nachfrage abdeckt, in der jüngsten Vergangenheit aber ausnahmslos rote Zahlen schrieb.

Der Mutterkonzern Tatneft selber habe einer entsprechenden Entscheidung bezüglich Goodyear allerdings noch nicht zugestimmt. Dabei habe Tatneft einen veritablen Zielkonflikt zu lösen, so die Baltic Financial Agency. Einerseits dürfe man, wenn man wollte, den Reifenhersteller JSC Nizhnekamskshina nicht zu früh verkaufen, weder an einen westlichen Investor noch an ein noch zu gründendes und näher zu bestimmendes Jointventure-Unternehmen. Der Grund: Die Nettogewinn-Margen liegen derzeit lediglich bei 2,6 Prozent – bei einem Jahresumsatz von 421 Millionen US-Dollar in 2004 wurde ein Nettogewinn von elf Millionen Dollar erwirtschaftet. Für das laufende Jahr hingegen wird bereits eine Marge von knapp acht Prozent erwartet, Tendenz steigend, womit der Reifenhersteller langsam eine vorzeigbare Ertragskraft aufbaut. Ursprünglich habe man sich bei Tatneft für den Verkauf eine minimale Marge von 15 Prozent zum Ziel gesetzt, um den Verkaufserlös zu optimieren. Heute würde sich der Mineralölkonzern bereits mit einem Zieldatum von zehn Prozent zufrieden geben, heißt es in dem Report aus St. Petersburg weiter.

Andererseits, so der zweite Teil des Zielkonflikts, stünden beim Reifenhersteller hohe Investitionen an – bei ebenfalls hohen Schulden. Tatneft jedenfalls wolle einem Verkauf der Mehrheitsanteile an Nizhnekamskshina nur zustimmen, wenn der potenzielle Käufer die 105 Millionen US-Dollar tilgt, die Tatneft seit der Installation der Pirelli-Linie von seinem Tochterunternehmen fordert.

Seit Anfang 2004 produziert Nizhnekamskshina rund zwei Millionen B-Segment Pkw-Reifen der Marke „Kama-Euro“ – Maschinen und Know-how für die vollautomatische Produktionslinie hat Pirelli für rund 50 bis 60 Millionen Dollar geliefert.

Zurück zu den hohen Schulden: Derzeit stottert JSC Nizhnekamskshina diese zwar ab, heißt es in dem Bericht weiter: „Das Unternehmen wird den Großteil seines Nettogewinns aus 2004 und 2005 für die Rückzahlung seiner Schulden aufwenden.“ Da in beiden aufeinander folgenden Jahren aber maximal 53 Millionen US-Dollar Nettogewinn erwirtschaftet werden, sollten die Annahmen der Baltic Financial Agency aus St. Petersburg eintreffen, so schlüge immer noch die Hälfte der Tatneft-Schulden negativ zu Buche, und der Reifenhersteller hat noch nicht einen weiteren Dollar in die Modernisierung seiner Produktionsstätten investiert.

Eine Lösung, um die Tatneft-Schulden abzubauen, sei die Umwandlung in Eigenkapital. Dies wird bereits öffentlich diskutiert, wie die NEUE REIFENZEITUNG auf der Tires & Rubber-Messe in Moskau erfuhr, die im Februar stattfand. Vom Mutterkonzern des russischen Reifenherstellers wird derzeit angenommen, dass er seine jetzigen Anteile von 75,2 Prozent auf etwa 90 Prozent aufstocken könnte. Derzeit gehören neun Prozent der Aktien dem Management des Reifenherstellers, weitere 16 Prozent sind am Markt.

Pläne sehen vor, dass Tatneft erst nach der Klärung der „Schulden-Frage“ weitere wesentliche Investitionen zulassen wolle, frühestens ab 2006; von einer neuen, notwendigen Stahlcordreifen-Anlage sowie einer Gummimischerei ist die Rede.

Für beide Projekte, heißt es weiter in dem Report, müssten „zunächst“ etwa 100 Millionen Dollar kalkuliert werden. Wie Radik Iljasov, JSC Nizhnekamskshinas CEO, verlauten lässt, so jedenfalls der Analysten-Report, werde ein „strategischer Investor, der bereit sei, diese Summe zu zahlen“, 50 Prozent plus eine Stimme an Nizhnekamskshina erhalten.

„Wir erkennen sicherlich die Bedeutung des russischen Marktes“, erklärte Henry Braun, Generaldirektor der Vertriebsgesellschaft LLC Goodyear Russia, noch Anfang Februar in Moskau auf der Tires & Rubber. Vielleicht lässt der Weltkonzern dieser Erkenntnis ja demnächst Taten folgen…

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