Nischenanbieter oder Vollsortimenter?

Erst hatte der Imageführer bei Pkw-Hochleistungsreifen Pirelli im schwedischen Trelleborg-Konzern einen Abnehmer weiter Teile seiner Landwirtschaftsreifensparte gefunden. Dann hatte Continental seine europäische Agrarreifen-Geschäftseinheit im letzten Jahr an die Ceská Gumárenaská Spolecnost (CGS) veräußert. Jetzt sorgen gleich zwei weitere den Agrarreifenmarkt nachhaltig beeinflussende Verhandlungen für Aufsehen – so sie denn erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Continental hat angekündigt, das US-Werk für Spezialreifen verkaufen zu wollen und habe dafür auch schon einen Interessenten gefunden. Auch bei Goodyear gibt es ernsthafte Überlegungen, das Produktportfolio auf den Prüfstand zu stellen und man hat dabei ebenfalls die Agrarreifensparte im Auge. Namen werden keine genannt, aber als Interessent für das Conti-Werk gilt CGS, die Wiederauferstehung von Titan, vor gut einem Jahr kurz vor dem Bankrott, könnte Goodyear den Ausstieg ermöglichen.

Für Marktbereinigung hatte schon zuvor Michelin gesorgt und erst Taurus (Ungarn) und später den Teil von Stomil (Polen) übernommen, der unter anderem auch Landwirtschaftsreifen herstellt. Als Michelin die Tofan-Gruppe in Rumänien erwarb (Landwirtschaftsreifenmarke Danubiana), musste allerdings ausgerechnet dieser Bereich ausgeklammert werden und in rumänischer Hand verbleiben: Die Kartellbehörden hätten niemals ihre Genehmigung gegeben, zu groß wäre der Marktanteil Michelins in Europa geworden. In der Folgezeit haben die Franzosen ihre polnische Marke sukzessive auf kormoran umgestellt und auch schon mal versucht, ihre US-Marke BFGoodrich auch in Europa wieder für dieses Segment zu vitalisieren, wie das zuvor in Nordamerika bereits geschehen war.

Auf der einen Seite steht der „Vollsortimenter“ im Reifenbereich Michelin mit seinem Markenstrauß Michelin, Kleber, BFGoodrich, Taurus und kormoran. Ebenfalls noch am ehesten als Vollsortimenter ließe sich Goodyear bezeichnen, die zweite Marke Fulda sieht sich ja auch gerne mal als Marktführer. Dem Bridgestone-Konzern ist vor anderthalb Jahrzehnten mit dem Kauf des US-Wettbewerbers Firestone auch ein Landwirtschaftsreifengeschäft in den Schoß gefallen. Ob Cooper, Pirelli, Continental, Kumho, Hankook, Toyo oder Yokohama – mit Landwirtschaftsreifen haben diese bedeutenden Reifenhersteller nichts oder fast nichts am Hute. Lokale Märkte decken Titan (Nordamerika) oder Vredestein (Europa) ab, daneben gibt es Spezialisten wie Alliance oder Nischenspieler wie Nokian (Forstreifen), die neu formierten Gruppierungen Trelleborg (inklusive Pirelli und der Diagonalreifenmarke Viskafors) sowie die CGS-Gruppe (Marken Continental, Uniroyal, Semperit, Barum, Mitas). Die positiven Effekte im Markt von einer Agrarsparte eines Unternehmens auf andere Reifensegmente sind jedenfalls wohl eher gering. In Forschung und Entwicklung können sich Pkw- und Landwirtschaftsreifen wohl auch nicht recht gegenseitig befruchten. Die Anzahl der Vollsortimenter, die Landwirtschaftsreifen als einen selbstverständlichen Geschäftsbereich begreifen, verringert sich. Dafür entstehen neue Spieler wie Trelleborg oder CGS, die als Spezialisten in der Nische nur auf „ihr“ Metier fixiert sind und sich keine Sorgen machen müssen, vielleicht zuviel Geld in F&E Pkw-Reifen gesteckt zu haben und zu wenig in F&E Landwirtschaftsreifen: Ihr Denken dreht sich nur um ihre Nische, da sind sie ein bedeutender Marktfaktor, eine Größe.

Continental will das 1966 in Bryan (Ohio) errichtete Reifenwerk verkaufen, in der Fabrik produzieren fast 300 Mitarbeiter Off-The-Road-Reifen (OTR). Die Ceská Gumárenská Spolecnost beziehungsweise deren Traditionsmarke Mitas sind bereits mit eigener Organisation in den Vereinigten Staaten präsent, was noch fehlt ist die Produktionsstätte. Auch Titan könnte sich mit dem Goodyear-Geschäft in eine neue Dimension katapultieren. Was aber soll mit den Europa-Aktivitäten Goodyears geschehen? Pirelli hat’s vorgemacht: In Südamerika, aber auch in der Türkei bleibt das italienische Unternehmen (jedenfalls vorerst) selbst am Ball und kooperiert mit Trelleborg, das wäre auch bei der Kombination Goodyear/Titan denkbar.

CGS – Modell für ein Reifensegment?

Die NEUE REIFENZEITUNG hat mit Thorsten Bublitz, Geschäftsführer Marketing und Verkauf der tschechischen CGS-Gruppe, gesprochen. Bublitz war früher Continentäler und verantwortlich für einen Randbereich namens „Agrotyres“ in einem großen Konzern. Heute trägt er die Verantwortung für das Kerngeschäft in einem kleinen Konzern.

Zu Conti-Zeiten dümpelte die Landwirtschaftsreifen-Sparte bei einem Umsatz von um die hundert Millionen Euro; sofern überhaupt Gewinne gemacht wurden, versickerten diese. Die Kostenstrukturen waren schlecht. Kaum bei CGS gelandet, lautete das Ziel, bereits Ende 2004 einen zweistelligen Gewinn zu erzielen. Das Ergebnis lag zum Zeitpunkt des Gespräches noch nicht vor, Thorsten Bublitz ist zuversichtlich, das gesteckte Ziel zu erreichen.

Vor der Conti-Akquisition hatte der CGS-Umsatz bei 223 Millionen Euro (im Jahre 2003) gelegen, im vergangenen Jahr in der Größenordnung von 320 Millionen Euro, wobei der Reifenbereich bei 230 Millionen Euro zum Konzernumsatz entsprechend 72 Prozent beiträgt. Innerhalb der Reifensparte dominieren die Landwirtschaftsreifen mit 60 Prozent, der Rest entfällt auf Industriereifen, wie sie auch in Bryan hergestellt werden. Das Recht, die Markennamen Continental, Uniroyal, Semperit und Barum (der Vollständigkeit halber sei für Mexiko auch Euzkadi erwähnt) auf die Seitenwände von CGS-Landwirtschaftsreifen zu schreiben, haben die Tschechen für die Dauer von zehn Jahren erworben, mit der Option, diese Vereinbarung um fünf Jahre zu verlängern. Für CGS sind vor allem die Marken Continental und Barum von Bedeutung, vor allem Barum hat aufgrund seines Herkunftslandes Tschechien in Osteuropa einen guten Stand, aber auch Mitas ist nicht weit hinter den Führungsmarken angesiedelt. Dass der Agrarreifenmarke Uniroyal ein langes Leben beschieden sein wird, bezweifelt Bublitz.

CGS ist bemüht, das Qualitätsimage aufzupolieren und Bublitz nennt dabei die Marke Continental. Dabei wird nicht übersehen, dass die so genannten „Budget Brands“ im Agrarreifensektor eine große Rolle spielen. Man mag beklagen, dass die Kunden bei Budget-Reifen aus dem CGS-Angebot mehr erhalten als sie dafür zahlen, aber das ist eine Realität des Marktes, der sich Bublitz stellt. Für die Qualität steht auch die Produktionsstätte in Otrokovice, für den Marketing- und Verkaufschef ein „hübscher kleiner Diamant“.

Otrokovice erreicht derzeit eine Jahreskapazität von etwa 300.000 Radialreifen, unter Einbeziehung der beiden anderen Reifenproduktionsstätten in Zlin und Prag werden die Kapazitäten allerdings weiter ausgebaut, so dass Bublitz ein Produktions- und Verkaufsvolumen von wenigstens 500.000 Einheiten prognostiziert, wobei die Verschiebung von Diagonalreifen hin zu höherwertigen Radialreifen auf der Prioritätenliste ganz oben steht. Gerade in Europa und Amerika gilt es noch Marktmöglichkeiten besser zu nutzen, der russische Markt ist bei der
Radialisierung noch in einer frühen Phase, aber CGS wird sie aktiv begleiten. Wie langwierig die Radialisierung ist, wird am Beispiel USA deutlich, wo noch immer der Anteil Diagonalreifen bei 80 Prozent liege, im Fernen Osten sogar bei 90 Prozent. Aber: Die Zukunft gehört dem Radialreifen, hierin wird gezielt investiert, nicht in Diagonalreifen. Wenn die Amerikaner Diagonalreifen wünschen, wird CGS diese herstellen und liefern. Für den großen nordamerikanischen Markt hält Thorsten Bublitz eine eigene Produktionseinheit von Radialreifen für wünschenswert, meint er damit das Werk Bryan?

In Europa, dem CGS-Heimatmarkt, lauten die wichtigsten Exportmärkte in dieser Reihenfolge Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Frankreich, Ziel ist es, den Marktanteil Ersatzgeschäft auf 30 Prozent auszubauen. In der Erstausrüstung ist der Weg allerdings noch weiter: Nach CGS-Zahlen beträgt der Anteil in Europa 12 Prozent, 15 Prozent sollen es bereits im nächsten Jahr werden. Das hat historische Gründe, so war das Unternehmen früher weniger auf die Erstausrüstung ausgerichtet. Mit John Deere (24.000 Reifen in 2004) als OE-Kunden begann ein Umdenken. In Großbritannien ist die Marke Continental bei JCB in der Erstausrüstung äußerst erfolgreich, im Ersatzgeschäft hat CGS eine Agrarmesse genutzt, die Marke Mitas zu pushen. Auch für einen „Spezialisten in der Nische“ gibt es viele Baustellen gleichzeitig zu bearbeiten. Kann ein großer Konzern das in gleichem Maße?
detlef.vogt@reifenpresse.de

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