Reifenfachhandel trotzt konjunktureller Krise dank Winterreifen

Trotz eines wirtschaftlich äußerst schwierigen Umfelds, das in zahlreichen Einzelhandelsbranchen 2003 zu teilweise dramatischen Umsatz- und Absatzrückgängen führte, erwies sich das deutsche Reifenersatzgeschäft – so der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) in einer aktuellen Pressemitteilung – als relativ stabil. Die bereits vor etwa einem Monat veröffentlichen Zahlen wurden dabei teilweise korrigiert bzw. präzisiert.

Die aktualisierte Auswertung der Zahlen des Geschäftsjahres 2003 ergab für den Reifenfachhandel, bezogen auf den Branchendurchschnitt, ein Gesamtumsatzplus von 1,7 %, was insbesondere auf leicht gestiegene Produkt- und Dienstleistungspreise sowie eine Mixverschiebung zu hochwertigen Pkw-Breitreifen zurückzuführen ist.

In der Produktgruppe Pkw-Reifen konnten 2003 insgesamt 45,43 Millionen Stück neue und runderneuerte Reifen an den Verbraucher abgesetzt werden, wobei dies dem Volumen des Vorjahres entspricht. Das Pkw-Reifenersatzgeschäft war dabei von einer weiteren Verschiebung zu Gunsten von Winterreifen geprägt. Dieses Produktsegment verzeichnete mit 20,63 Millionen Stück Reifen eine Steigerungsrate von 1,0 % (nur Neureifen 3,2%), während der Absatz von Pkw-Sommerreifen um 0,8 % auf 24,80 Mio. Stück zurückging.

Die Erhöhung des Vermarktungsvolumens von M+S-Reifen führte zu einer weiteren positiven Entwicklung bei der Umrüstquote. Rüsteten 1993 lediglich 27,6 % der Automobilisten auf Winterreifen um, so wurde in 2003 ein Rekordwert von 48,6 % erreicht. Der BRV führt diesen positiven Trend zum einen auf die Aufklärungsarbeit der 2002 unter dem Dach des Deutschen Verkehrsssicherheitsrates (DVR) gegründeten Initiative PRO Winterreifen zurück. Zum anderen stieg das Sicherheitsbewusstsein der Pkw-Halter deutlich an und die Akzeptanz von Winterreifen erhöhte sich angesichts weiterer, reifentechnologischer Optimierungen, zum Beispiel bezüglich der Reduzierung des Abrollgeräusches.

Nach Jahren der Stagnation beziehungsweise des Rückgangs nahm das Nutzfahrzeugreifengeschäft wieder „leichte Fahrt“ auf. Bei Leicht-Lkw-Reifen stieg der Absatz von 2,44 Millionen Stück auf 2,46 Millionen Stück und damit um 0,8 %. Um 1,2 % erhöhte sich der Absatz von schweren Lkw-Reifen. Wurden 2002 noch 3,44 Millionen Stück vermarktet, steigerte sich das Volumen in 2003 auf 3,48 Millionen Stück. Von diesen Wachstumsraten konnte insbesondere der kooperationsgebundene Reifenfachhandel profitieren, der sich auf die Betreuung regionaler und überregionaler Flotten, einschließlich eines professionellen 24-Stunden-Breakdown-Services, spezialisiert hat. Mit einem Distributionsanteil von circa 98 %, der der höchste eines Kfz-Detailmarktes in der Welt ist, verteidigte der Reifenfachhandel seine Position als Spezialist im Nutzfahrzeugreifensegment.

Angesichts der durch den Wintereinbruch Ende Januar 2003 verursachten katastrophalen Situation auf zahlreichen deutschen Autobahnen, die insbesondere durch havarierte Lastkraftwagen verursacht wurde, forderte der BRV jetzt den Gesetzgeber auf, eine gesetzlich verankerte Winterreifenpflicht für Lkw und Busse zu erlassen und damit die Initiative der Länderminister Schäuble und Beckstein aus dem Frühjahr 2002 aufzugreifen und umzusetzen. Es sei – so der BRV – nicht hinnehmbar, dass die Umrüstquote bei Lkw und Bussen deutlich unter der von Pkw-Reifen läge. Das damit verbundene Sicherheitsrisiko sowie der durch Staus verursachte volkswirtschaftliche Schaden seien nicht weiter verantwortbar.

Die im Großen und Ganzen positive Umsatz- und Absatzbilanz des vergangenen Jahres kann nach Einschätzung des BRV allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ertragslage des Reifenfachhandels seit Jahren als unbefriedigend bezeichnet werden muss, was insbesondere auf gestiegene Kosten und einen weiter zunehmenden Wettbewerb in einer mit Reifenfachhandels-Outlets überbesetzten Branche zurückzuführen ist.

„Die Übernahme von Reifenfachhandelsunternehmen, die in ihrer selbstständigen Existenz eigentlich nicht mehr lebensfähig sind, durch Reifenhersteller, die kontrollierte, subventionierte Distributionskanäle auf- und ausbauen, verhindert seit Jahren einen natürlichen Ausleseprozess innerhalb des Reifenfachhandels. Eine wirkliche Strukturbereinigung findet nicht statt. Der selbstständige Reifenfachhandel wird durch den industriell subventionierten Wettbewerb gezwungen, auf nicht auskömmliche Preise einzugehen. Unter anderem diese Politik belastet, neben weiteren Faktoren, den gesunden, mittelständischen Reifenfachhandel zunehmend betriebswirtschaftlich und führt vor dem Hintergrund von Basel II zu einer Herabstufung der Bonitätskennziffern des Reifenfachhandels bei den Banken. Dies wiederum belastet die Liquiditätslage der Unternehmen nicht unerheblich“, so BRV-Präsident Peter Seher.

Der Verband geht allerdings davon aus, dass in den kommenden Jahren ein verstärkter Strukturbereinigungsprozess einsetzt, da im Rahmen der Novellierung der Handwerksordnung der Beruf des Mechanikers für Reifen- und Vulkanisationstechnik zum gefahrengeneigten Gewerk erklärt wurde und die Meisterqualifikation zukünftig Voraussetzung für das selbstständige Betreiben eines Reifenfachhandelsunternehmens sein wird. Feierabendhändler und Hinterhofbetriebe werden deshalb und angesichts der zunehmenden reifentechnologischen Komplexität, die zum Beispiel mit Runflat-Reifen und Reifendruckkontrollsystemen einhergeht, vom Markt verschwinden.

Feststellbar sei – so der BRV – ein zweifelsohne verändertes Konsumentenverhalten. Beim Kauf von Pkw-Reifen agiere der Verbraucher zunehmend preissensibler. Zu Lasten der Premiumfabrikate etablierten sich mehr und mehr die Zweit- und Drittmarken. Da aber der Reifenfachhandel aufgrund seiner hohen Sortimentsbreite und -tiefe auch dieses Segment abdecke, gelang es ihm, seinen Distributionsanteil auf 58 % (Reifenfachhandel an Verbraucher) in 2003 zu steigern.

Bezogen auf das Jahr 2004 äußerte sich BRV-Präsident Seher eher zurückhaltend: „Die Reform- und Konjunkturkrise in Deutschland hält an. Die Verunsicherung des Verbrauchers ist noch nicht gewichen. Ich rechne allenfalls mit einer verhaltenden Erholung des deutschen Automobilmarktes. Obwohl das Durchschnittsalter des Fahrzeugbestandes auf den Höchstwert von 7,8 Jahren gestiegen ist, kann daraus noch kein entsprechender Anstieg des Ersatzbedarfs bei Reifen abgeleitet werden, da sich das Nutzungsverhalten der Fahrer verändert hat und sinkende Fahrleistungen zu berücksichtigen sind. Fast jeder zweite Autofahrer will laut einer aktuellen DEKRA-Umfrage künftig an Wartung und Reparatur seines Fahrzeugs sparen. Dieser Anteil hat sich seit Januar 2001 mehr als verdoppelt. Dies zeigt, wie knapp die Kassen des Verbrauchers geworden sind. Dennoch hoffe ich, dass sich das Pkw-Reifenersatzgeschäft stabil entwickeln wird, sodass 2004 mit dem gleichen Absatzniveau – wenn nicht sogar mit einer leichten punktuellen Steigerung insbesondere bei Winterreifen – gerechnet werden kann. Der Verband wird seine Aufklärungsarbeit für die sicherheitsrelevante Kfz-Komponente „Reifen“ in 2004 erheblich intensivieren und den Verbraucher auf die Risiken einer nicht ordnungsgemäßen Bereifung verstärkt hinweisen.

Sollte der wirtschaftliche Aufschwung einsetzen, rechne ich mit einer leicht positiven Entwicklung des Lkw-Reifenabsatzes, zumal unsere Speditionskunden in diesem Jahr von den Kostenbelastungen aus der Lkw-Maut noch verschont bleiben.“

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