Kommt Automarkt endlich in Fahrt?

Mit insgesamt 3.236.938 neu zugelassenen Personenkraftwagen wurde in 2003 nach vier Jahren in Folge – wenn auch diesmal nur mit einem Minus von 0,5 Prozent – ein neuer Tiefstand in der Deutschland-Statistik erreicht. Die Autobranche, und mit ihr die Reifenfachhandelsbetriebe, hofft dennoch auf eine Belebung des Marktes, die jetzt endlich nach Jahren der Stagnation eintreten soll. Die Zeichen mehren sich, dass der Markt langsam an Fahrt aufnimmt.

In der deutschen Automobilbranche ist man der Meinung, im laufenden Jahr könnten die Neuzulassungen bei Pkw sogar auf bis zu 3,5 Millionen steigen, was immerhin eine Steigerung von acht Prozent bedeuten würde. Allein eine Zunahme an neu zugelassener Pkw wäre schon ein positives Signal an die Branche, liegt die letzte Steigerung doch immerhin einige Jahre zurück: 1999 registrierten die Statistiker des Kraftfahrt-Bundesamtes eine Zunahme von 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In den Jahren danach kennzeichneten Stagnation und Kontraktion das Bild der Automobilbranche in Deutschland. Diese Entwicklung gilt im Übrigen für beinahe alle westeuropäischen Länder.

Dabei kam die Entwicklung im vergangenen Jahr keineswegs überraschend. Bereits zu Beginn des Jahres haben die üblichen Propheten der Branche eine schwache bis rückläufige Entwicklung vorhergesagt. Willi Diez etwa, der das Institut für Automobilwirtschaft (IFA) in Geisingen leitet, führte die damals zu erwartende Entwicklung nicht einmal auf die wirtschaftlichen Rahmendaten zurück, die eben das Geschäft mit dem Automobil erschwerten. „90 Prozent ist gegenwärtig Psychologie“, erklärte der Professor vor einem Jahr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Damals sagte Diez die Neuzulassung in Deutschland mit 3,25 Millionen Pkw voraus, und traf damit die tatsächliche Entwicklung ziemlich genau. Auch andere Experten der Branche wie die Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW) an der Universität Bochum oder das Analyseinstitut Global Insight, DRI Automotive Group stellten sich auf die Seite der Pessimisten. Wolfgang Meinig vom FAW etwa meinte Anfang des vergangenen Jahres keine Nachricht zu erkennen, „die uns Hoffnung geben kann für die Entwicklung des inländischen Absatzes“. Die Experten der Branche behielten mit ihren mehr oder weniger negativen Vorhersagen allesamt recht.

Wie sieht es bei den treffsicheren Hellsehern in diesem Jahr aus? Erblicken sie endlich Licht am Ende des Tunnels? Prof. Dr. Willi Dietz vom Institut für Automobilwirtschaft etwa glaubt an eine verhaltene Erholung des deutschen Neuwagenmarktes in 2004. Angesichts der andauernden Verunsicherung der autofahrenden Verbraucher und des verminderten Umfangs der Steuerreform werden kaum mehr als 3,4 Millionen Neuzulassungen im laufenden Jahr auf Deutschlands Straßen zukommen. Nach Meinung des Professors dürfe auch das steigende Durchschnittsalter des Fahrzeugbestands, das derzeit bei 7,8 Jahren liegt, und aus dem sich eigentlich ein großer Ersatzbedarf ableiten ließe, als Marktfaktor nicht überschätzt werden. Selbst wenn Untersuchungen immer wieder unterstreichen, wie reparaturbedürftig gerade diese älteren deutschen Autos sind, führe eine größere Haltbarkeit der Fahrzeuge sowie deren qualitativ bessere Ausstattung in der Konsequenz zu einer längeren Lebensdauer. Der Markt werde sich demnach auf niedrigem Niveau verstetigen, so Diez.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hingegen teilt nicht ganz die Meinung des IFA-Leiters Diez. Unter Hinweis auf die Prognosen der Automobilbranche glaubt die Behörde an ein Wachstum bei den Neuzulassungen, die in 2004 sogar bis auf 3,5 Millionen ansteigen können. Diese Erwartungshaltung auf eine „leichte Erholung“, so das KBA, werde auch durch die Überalterung des Fahrzeugbestands gestützt. Auch die im Allgemeinen zu erwartende gesamtwirtschaftliche, positive Entwicklung spreche ebenfalls für einen Aufschwung der Automobilbranche, prognostiziert das Bundesamt weiter.

Was glaubt der Branchenverband der deutschen Autobauer, der VDA? Auf der Jahrespressekonferenz des Verbands der Automobilindustrie heute in Frankfurt am Main blickte man „vorsichtig optimistisch“ auf das laufende Geschäftsjahr. VDA-Präsident Bernd Gottschalk äußerte die Erwartung, dass die aktuelle Zinsdiskussion in den USA den Dollar wieder stärken werde, so dass es die deutschen Exporteure künftig wieder einfacher mit ihrem Absatz in den Vereinigten Staaten haben. Im vergangenen Jahr übertrafen die deutschen Hersteller dennoch mit 3,67 Millionen exportierten Fahrzeugen die bisherige Höchstmarke von 2001, so der VDA-Präsident. Der Wert dieser Ausfuhren entspreche 80 Prozent des gesamten deutschen Exportüberschusses, rechnet Gottschalk vor. Vergangenes Jahr lag die Pkw-Produktion in Deutschland nach VDA-Angaben bei 5,15 Millionen Autos und übertraf damit zum sechsten Mal in Folge die Grenze von fünf Millionen. Dies entspricht einem Zuwachs von 0,4 Prozent. „Auch im laufenden Jahr erwarten wir eine Produktionsleistung von über fünf Millionen Pkw“, sagte Gottschalk in Frankfurt. In der Branche seien 9.000 neue Arbeitsplätze entstanden. „2004 wird den Silberstreif am Autohimmel bringen, wenn der auch etwas blasser wird als uns lieb ist.“ 2003 sei als „Autojahr in der Warteschleife“ abgehakt. Gottschalk bekräftigte die VDA-Prognose für die Pkw-Neuzulassungen im laufenden Jahr mit plus drei Prozent auf 3,35 Millionen, und liegt damit im Mittelfeld der Prognosen – eben „vorsichtig optimistisch“. Damit werde die Industrie nach vier Jahren Stagnation im Inland zwar die Wende schaffen, doch sei dies noch kein kräftiges Durchstarten.

Die Automobilindustrie in Deutschland kann also trotz all der negativen Entwicklungen in den vergangenen Jahren noch froh sein über die durchaus guten Exportgeschäfte. Von den im vergangenen Jahr in Deutschland hergestellten rund 5,15 Millionen Pkw – statistisch genaue Zahlen standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest – gingen immerhin gut 71 Prozent in den Export, also etwa 3,67 Millionen Pkw. Die Exportquote stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Zum Vergleich: Vor 1992 lag diese wichtige Kennziffer des deutschen Außenhandels noch unter 50 Prozent. Obwohl die deutschen Autobauer im vergangenen Jahr scheinbar nicht an die starken Exportsteigerungsraten der vorangehenden Jahre anknüpfen konnten, macht sich eine Exportquote von über 70 Prozent gut für die heimische Autoindustrie, von der wiederum auch die Zuliefererindustrie lebt.
arno.borchers@reifenpresse.de

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