Es wird weiter geprüft

Deutschland muss scheinbar auch weiterhin auf eine Winterreifenpflicht warten. Zumindest sind die Innenminister der Länder Bayern und Baden-Württemberg mit einer entsprechenden Initiative in der Innenministerkonferenz gescheitert. Dennoch erkennt Markus Burgdorf von Continental darin einen „Riesenerfolg für die Initiative PRO Winterreifen“, denn schließlich sei das Thema noch nicht vom Tisch, und außerdem sei in der Öffentlichkeit noch nie so viel über Winterreifen gesprochen worden, wie im vergangenen Jahr.

Dass aus der Initiative der beiden Innenminister Günther Beckstein (Bayern) und Thomas Schäuble (Baden-Württemberg) nichts werden würde, zeichnete sich schon im Sommer ab. Ein Arbeitskreis, den die Innenministerkonferenz auf ihrer Frühjahrstagung in Erfurt mit einem „Prüfungsauftrag“ ausgestattet hatte, musste die Idee verwerfen, eine Winterreifenpflicht über die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO), also über die Ausrüstungsvorschrift für Fahrzeuge, einzuführen. Einerseits hätte eine Änderung der StVZO durch die Gremien der Europäischen Union gehen müssen, wo Winterreifen aber kein wirkliches Thema sind. Andererseits gebe es noch nicht einmal eine genaue Spezifikation darüber, was eigentlich genau ein Winterreifen – oder auch ein Sommerreifen – ist.

Offenkundig wurde das Scheitern des Länderantrags dann aber Anfang November, als ein Termin in München mit Vertretern des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) zum Thema kurzfristig vom Minister „aus Termingründen“, wie die offizielle Formel lautet, abgesagt wurde. Die Vermutung scheint berechtigt, dass Günther Beckstein (CSU) wenig Interesse daran haben dürfte, für ein totgeborenes Kind auch noch PR zu machen, denn schließlich sollte es sich in München nicht um einen vertraulichen Termin handeln.

Als sich die Innenminister Mitte November erneut zur Konferenz – diesmal in Jena – trafen, war eine Änderung der StVZO schon gar kein Thema mehr. Stattdessen, so heißt es in einigen Medien, hätten sich die Innenminister der Länder „in einer Art Ausweichmanöver für eine Präzisierung der Straßenverkehrsordnung (StVO)“ ausgesprochen, wie etwa die Stuttgarter Nachrichten kommentieren. Ob dieser Weg über das so genannte Verhaltensrecht – und nichts anderes stellt die StVO dar – zum Erfolg führt, scheint ebenfalls unklar. Zumindest steht eine Lösung nicht unmittelbar bevor, obwohl die Straßenverkehrsordnung eh gerade überarbeitet wird.

Das zentrale Problem bei der Änderung der StVO scheint nach Meinung einiger Experten der Bundesverkehrsminister zu sein. Manfred Stolpe (SPD) hat sich schon früher gegen die Einführung einer Winterreifenpflicht ausgesprochen, und hat seine Meinung bis heute auch nicht grundlegend geändert. Unglückseligerweise für die Befürworter einer entsprechenden Pflicht sind es die Verkehrsminister der Länder im Chor mit Stolpe, die derzeit an der Änderung der StVO arbeiten. Und im Gremium der Verkehrsminister hat Stolpes Meinung Gewicht. Die Innenminister Bayerns und Baden-Württembergs wiederum haben aber einen einflussreichen Verbündeten an ihrer Seite: Bundesinnenminister Otto Schily, der ein Unterstützer der Winterreifenpflicht ist. Folglich hat die Innenministerkonferenz in Jena Mitte November auch den einflussreichen Kollegen und Bundesminister gebeten, „darauf hinzuwirken, dass der Bundesminister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Stolpe also) im Zuge der geplanten Neufassung der Straßenverkehrsordnung eine deutlichere Hervorhebung der bestehenden Verhaltenspflichten der Fahrzeugführer bei winterlichen Straßenverhältnissen prüft“. Fraglich ist und bleibt allerdings, inwiefern die Verkehrsminister die Anregung ihrer Kollegen vom Innen-Ressort aufgreifen und wie lange es dann noch dauern wird, bis eine entsprechende Verhaltensregel in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen wird.

Konkret würde eine erweiterte Verhaltensregel, die in Paragraf 23 der StVO untergebracht werden könnte, Folgendes bedeuten: Die Polizei könnte Autofahrern, die im Winter mit Sommerreifen unterwegs sind und nachweislich wegen die Bereifung auf schneeglatter Fahrbahn einen Unfall oder Verkehrsbehinderungen verursachen, mit einem Bußgeld belegen. Der Paragraf 1 Absatz 2 der StVO lautet schließlich: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Des Weiteren könnte beim Fehlen einer entsprechenden winterfesten Fahrzeugausrüstung die KfZ-Versicherung des Unfallverursachers den Versicherungsschutz teilweise oder insgesamt aufheben. Der Winterreifen-Verweigerer müsste also seinen eigenen Schaden mittragen. Derzeit können die Versicherungen in Deutschland keine konkrete Umrüstpflicht aus den bestehenden Rechtsvorschriften ableiten (siehe auch separaten Artikel zum Expertenseminar der BASt).

Obwohl eine Winterreifenpflicht nach wie vor weit von ihrer Einführung entfernt ist, ist die Initiative PRO Winterreifen dennoch zufrieden mit den Ergebnissen der Innenministerkonferenz. Zumal es der Initiative sowieso nie um eine Pflicht gegangen ist, sondern sie stets „nur“ das Ziel verfolgt hat, „ein erhöhtes Sicherheitsbewusstsein im Hinblick auf Reifen und auf die Verkehrssicherheit im Winter“ zu schaffen. So spricht Markus Burgdorf etwa von einem „Riesenerfolg der Initiative PRO Winterreifen“. Der Leiter Public Relations für den Reifenbereich der Continental in Hannover und Mitinitiator der Initiative PRO Winterreifen, meint damit aber nicht vordergründig die Ergebnisse der jüngsten Innenministertagung in Jena. Vielmehr geht es Burgdorf dabei um die erreichte Öffentlichkeit. Es sei noch nie so viel über Winterreifen geredet worden, wie im vergangenen Jahr. Daran habe die Initiative PRO Winterreifen einen ganz entscheidenden Anteil. Die Sensibilisierung der Endverbraucher über die Medien sei immer eines der wesentlichen Ziele der Initiative gewesen. Auch dass man alle Innenminister in den zurückliegenden Monaten als Partner gewinnen konnte, sei ein großer Erfolg. Man habe zwar nichts gegen die Einführung einer Winterreifenpflicht – im Gegenteil. Aber die Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für Verkehrssicherheit im Winter sei wichtiger und eben gelungen, so Burgdorf im Gespräch mit der NEUEN REIFENZEITUNG. Außerdem müsse man sich darüber im Klaren sein, dass „die Mühlen der Behörden sehr, sehr langsam mahlen“. Burgdorf hofft allerdings auf die Unterstützung des Bundesinnenministers Otto Schily, der in der Bundesregierung einen wesentlich festeren Stand hat als sein Kollege Stolpe aus dem Verkehrsressort. Stolpe gilt nicht erst seit dem Fiasko mit der Lkw-Maut-Einführung als angeschlagen, folglich sei ein Einlenken Stolpes zum Thema Winterreifenpflicht politisch durchaus denkbar. Ob und wann dies geschieht, muss allerdings die Zukunft zeigen. In jedem Fall kann der deutsche Reifenfachhandel jedes Jahr mehr Winterreifen absetzen, was sicher nicht zuletzt Ergebnis der Aufklärungskampagne der Initiative PRO Winterreifen ist.
arno.borchers@reifenpresse.de

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