Bridgestone sieht viel Potenzial in Europa

Mit einem größeren Stand präsentierte sich der japani-sche Reifenhersteller Bridgestone nach zwölf Jahren erstmalig wieder auf der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt und präsentierte seine neuesten Technologien und Entwicklungen. In Sichtweite zu den beiden großen Konkurrenten Michelin und Goodyear-Dunlop demonstrierte Bridgestone unübersehbaren Wil-len, den Kampf um eine signifikant zu verbessernde Marktposition in Europa jetzt verstärkt aufnehmen und führen zu wollen. Bridgestone hat in Europa nach eige-nen Angaben noch sehr viel Potenzial, das nun genutzt werden soll. Das nun bereits fünfjährige und überaus erfolgreiche Formel 1-Engagment hat Bridgestone näher an die europäische Automobilindustrie herangeführt und die Bemühungen um Lieferpositionen für hochwertige Breitreifen in die Erstausrüstung erleichtert, weil die Marke in der breiten Öffentlichkeit Qualität der Spitzen-klasse signalisiert.

In seinen nunmehr schon 13 Jahren als Geschäftsführer der deutschen Vertriebstochter ist Günter Unterhauser ein permanenter Anstieg gelungen. 1999 führte Unterhauser in Deutschland das inzwischen auf den gesamten euro-päischen Markt ausgedehnte First Stop Partnerkonzept ein, dem sich bis heute 200 Betriebe angeschlossen ha-ben. Weder ein Ende oder auch nur leichtes Nachlassen der Bemühungen ist in Sicht. Während mit First Stop ein so bezeichneter „Family Channel“ entsteht, ist das Un-ternehmen offenbar bereit und in der Lage, auch Reifen-fachbetriebe zu übernehmen. So war die Rede davon, dass gegebenenfalls der süddeutsche Reifenhandelsbe-trieb Schwarz mit seinen 50 Outlets übernommen würde. Doch das Vorhaben scheiterte. Einstweilen jedenfalls. Ob es einen zweiten Anlauf geben wird, ist noch unklar. Nur das ist klar: Lange haben die Japaner stillgehalten. Nicht zuletzt die Viborg-Akquisition durch die Michelin-Tochter Euromaster hat aber Handlungsbedarf offenbart. Und Unterhauser lässt nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass gehandelt wird. Er will einen Markt-anteil von 20 Prozent in Deutschland erreichen und in einigen Segmenten ist das Ziel sogar bereits übertroffen. Mit den Marken Bridgestone, Firestone und Dayton soll diese Hürde auch im Pkw-Reifenersatzgeschäft fallen. Und nicht nur das. Die Weltmarke Bridgestone steht dabei im Vordergrund. 40 Prozent aller verkauften Kon-zernreifen haben den Schriftzug Bridgestone auf der Reifenflanke. Das bis dato mit hoher Priorität betriebene Nutzfahrzeugreifengeschäft, in dem sich Bridgestone auch in Europa immer stärker als der große Gegenspieler von Michelin zu präsentieren weiß, ist auch angetrieben durch gute Präsenzen im Erstausrüstungsgeschäft. Es könnte als Vorbild für die Verbesserung des Pkw-Reifengeschäftes herhalten, zumal Bridgestone den Zu-gang zu den wirklich bedeutenden Automobilbauern dramatisch zu verbessern wusste in den letzten zwei Jahren.

In dieses Horn bliesen auch die extra nach Frankfurt gekommenen Spitzenmanager Shigeo Watanabe, CEO und Chairman des Konzerns, sowie der für das gesamte Europageschäft zuständige Shoshi Arakawa. Watanabe führte in einem Pressegespräch (nach deren Ende er übrigens sofort nach Tokio zurückflog, um die Auswir-kungen eines in einer japanischen Bridgestone-Fabrik in der Nacht zuvor ausgebrochenen Großfeuers mit seinem Führungsstab zu diskutieren) aus, bereits Ende letzten Jahres habe der Konzern für seine europäischen Aktivi-täten 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die es ermöglichten, Abschreibungen in den Fabriken schneller als ursprünglich geplant vornehmen, aber auch um die Expansion beschleunigen zu können. Watanabe unter-strich dabei, dass der europäische Teilkonzern auf der Grundlage einer starken Bilanz und einer ausreichenden Kapitalbasis handele.

Bridgestone orientiert sich dabei nicht notwendigerweise an allen Fronten neu, scheint aber entschlossener als bisher, sich Temposteigerungen zu sichern wo immer möglich. So ist auch die Beteiligung an dem finnischen Hersteller Nokian Tyre zu sehen. Die bisherigen 19 Pro-zent dürften im Laufe der folgenden Jahre bestimmt ausgebaut werden. Bridgestone bringt in diese Zusam-menarbeit starke Marken ein und Nokian hat eine exzel-lente Distributionsbasis in Skandinavien wie den Balti-schen Ländern. Und nicht nur das. Nokian ist gut im Russland-Geschäft, einem wirklich bedeutenden Zu-kunftsmarkt, an dem Bridgestone ebenfalls stark interes-siert ist. Weltweit hat Bridgestone im letzten Jahr 750 Millionen bereitgestellt für Expansion und Produktions-bereinigung in den Fabriken, die bis zum Jahr 2006 aus-gegeben werden. 27 Millionen werden in das Lkw-Reifenwerk nach Bilbao/Spanien gehen und mehr als 100 Millionen in das polnische Werk in Poznan, in dem Per-sonenwagenreifen produziert werden.

Was ist damit gemeint, wenn die Konzernspitze das Bemühen unterstreicht, auch in Europa das Netzwerk aufzurüsten bzw. zu verstärken?

Wie zuvor schon gesagt, läuft das First Stop-Partnerkonzept in Europa gut und in Deutschland ausge-zeichnet. Das mag hier und da auch mal Ärger oder Angst erzeugen, weil offenbar wieder einmal Reifenher-steller bereit sind, in den Handelsmarkt einzugreifen. Doch man muss diese Eingriffe vor dem Hintergrund des gesamten Marktes sehen. Michelin hat ein unter strategi-schen Gesichtspunkten extrem starkes Handelsnetz für Nutzfahrzeugreifen. Wer dem nichts entgegensetzt, wird mittelfristig bereits verloren sein. Man braucht nicht allein Zugang zu den Erstausrüstern, Akzeptanz bei den Großflotten, sondern man bekommt Zugang und Akzep-tanz nur, wenn man in der Lage ist, die erforderlichen Dienstleistungen dem Großverbraucher europaweit rund um die Uhr garantieren zu können. Ob das auch in der Zusammenarbeit mit freien und unabhängigen Reifen-händlern allein funktionieren könnte, darüber ließe sich trefflich streiten. Es ist jedenfalls mit einem großen Unsi-cherheitsfaktor belegt. Unsicherheit allerdings ist Gift für Großkonzerne, die Planungssicherheit für einen lange überschaubaren Zeitraum benötigen. Dass Michelin zum Jahresende 470 Viborg-Filialen europaweit auf einen Schlag übernahm, ist zwar noch in Erinnerung, doch heute meinen Reifenhändler sich mehr über den Bridgestone-Versuch der Schwarz-Übernahme ärgern und ängstigen zu sollen. Dabei musste jedem einigerma-ßen nachdenklichen Marktbeobachter klar sein, dass die Aktion eines großen und bedeutenden Marktteilnehmers eine Gegenreaktion des anderen großen und bedeutenden Marktteilnehmers hervorruft. Da Michelin einstweilen „satt“ sein dürfte, Goodyear-Dunlop kein Geld hat, Pirelli vorrangig allein am profitablen Breitreifengeschäft inte-ressiert bleibt und Continental gewissermaßen am Schei-deweg steht (spielen Reifen auch morgen noch „erste Geige“?) läuft viel schon fast automatisch auf Bridgesto-ne zu. Bridgestone will sich verstärken und Bridgestone ist vor allem auch bereit und in der Lage, das dafür erfor-derliche Geld in die Hand zu nehmen. Dabei hat, wie sich in den letzten Monaten zeigte, Günter Unterhauser sehr klare Vorstellungen, die seinem Unternehmen als Käufer aber auch dem verkaufswilligen Händler attraktive Mög-lichkeiten belassen. Die Zeit zum Ausbau des Netzes ist günstig. Wenn nicht jetzt, wann dann? Und deshalb wird der europäische Reifenfachhandel auch in den kommen-den Jahren noch einiges von Bridgestone hören und erwarten dürfen.

Weniger kostenintensiv ist das First Stop-Partnerkonzept. Aber es scheint auf die Bedürfnisse der Händler zuge-schnitten zu sein. Vielleicht ist es nicht das umfang-reichste Konzept, bestimmt auch nicht das am breitesten angelegte, aber es ist ein von den Partnern leicht und klar zu verstehendes Konzept, das beide Seiten zum Erfolg führt.

Noch schneller wäre Bridgestone vorangekommen, hätte es den fatalen Reifenrückruf in den USA vor zwei Jahren nicht gegeben, der mehr als eine Milliarde Dollar kostete und dennoch verkraftet worden ist. Die unter ein gemein-sames Dach geführten Regionen Nord- und Südamerika sind wieder profitabel und sie haben auch im ersten Halbjahr 2003 weitere Fortschritte erzielt, wie Watanabe erläuterte. Angetrieben seien die Ergebnisverbesserungen durch ausgezeichnete Verkäufe auf den Ersatzmärkten dieser beiden Regionen. Vor allem aber waren die Mar-ken Bridgestone und Firestone attraktiv genug, dass sie leichte Preiserhöhungen in den Märkten auch durchzuset-zen wussten, womit die gestiegenen Rohstoffpreise kom-pensiert worden sind. Man sei zwar auf dem richtigen Wege, sagte Watanabe, aber in den „beiden Amerikas“ gebe es dennoch viele Herausforderungen, die auf Ant-worten warteten. Das gelte nicht allein für Bridgestone, sondern für die Konkurrenten ebenso.

In allen anderen Regionen ist Bridgestone auch auf Wachstumskurs, vor allem in Asien und da wiederum ganz besonders in China, wo die Nachfrage rapide ange-stiegen sei und der Reifenkonzern eine eigene Handels-kette namens Che-zhi-yi (wörtlich: Flügel des Autos). Somit ist auch erklärt, warum Bridgestone gerade vorran-gig vorhandene Produktionskapazitäten für Nutzfahr-zeugreifen nicht allein in Japan ausbaut, sondern eigens eine weitere Fabrik in Thailand derzeit baut.

Doch manchmal tun sich auch Bridgestone-Manager ein wenig schwer. So war Europa-Chef Arakawa trotz aus-führlicher Befragungen in Bezug auf First Stop nicht bereit, den Begriff Franchising zu akzeptieren. Es han-dele sich nicht um Franchising, nicht um eine Handels-kette, sondern First Stop sei der „Family-Channel.“ Das mag man zur Klärung der Begriffe im Grunde nicht akzeptieren und doch kommt wohl zum Ausdruck, dass Bridgestone bereit ist, sich mit Partnern im Handel eng zu verbünden, ohne diese dominieren oder bevormunden zu wollen.

Watanabe, Arakawa und Unterhauser haben die IAA als wichtige Plattform genutzt, um die Möglichkeiten des Konzerns, vor allem seine technische Kompetenz auf allen Gebieten der Reifenherstellung unterstreichen zu können. Die Botschaft war klar: Bridgestone ist nicht nur seit langem ein wirklicher Global Player, sondern er will auch auf allen einzelnen Weltmärkten seinen Führungs-anspruch unterstreichen und letztlich gewahrt sehen.

klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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