Positionspapier des VDIK e.V. zu Änderungen am Fahrzeug

In der Bundesrepublik Deutschland existiert im Bereich Produkthaftung ein mehrgleisiges System. Zum einen besteht eine zivilrechtliche – gesetzliche – Produkthaftung nach den §§ 823 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und nach dem Produkthaftungsgesetz, welches die Richtlinie 92/59/EWG in nationales Recht umsetzt. Neben dieser zivilrechtlichen Komponente der Produkthaftung besteht in Deutschland noch die strafrechtliche Produkthaftung, welche sich in den §§ 222 und 229 des Strafgesetzbuches (StGB) auch für Verantwortliche von Vertriebsgesellschaften begründet. Eine besondere Bedeutung hat die sogenannte Produktbeobachtungspflicht durch das bekannte “Honda-Urteil” des BGH vom 09.12.1986 erhalten. Darin hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung dahingehend erweitert, dass den Hersteller eine Produktbeobachtungspflicht auch dahingehend treffen kann, dass er rechtzeitig Gefahren aufdeckt, die aus der Kombination seines an sich fehlerfreien Produkts mit Produkten anderer Hersteller entstehen können. Diese Produktbeobachtungspflicht kann sich zu einer Pflicht zur eigenen Überprüfung der fremden Zubehörteile steigern, wenn konkreter Anlass (z.B. ein Unfall bzw. sonstiger Schadensfall) zu der Befürchtung besteht, dass das Zubehör seiner Art nach in Verbindung mit dem eigenen Produkt (Inkompatibilität mit dem Hauptprodukt) dem Benutzer gefährlich werden kann. Für die Beurteilung aus Sicht der Produkthaftung ist ein technisches Gutachten oder eine Allgemeine Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeugzubehör nicht entscheidend. Diese an sich nicht neue Thematik erhält in jüngster Zeit verstärkt Aktualität aufgrund von vermehrt auftretender Nachfragen nach Deaktivierung von Airbags bzw. Austausch von serienmäßigen Sitzen mit integrierten Seitenairbags sowohl durch Nachrüstsitze mit und ohne Seitenairbags. Darüber hinaus wird die Frage des Erlöschens der Betriebserlaubnis auch im Zusammenhang mit der Verwendung von Nachbaukarosserieteilen, dem Einbau von Faltdächern und dem Anbau von Frontschutzbügeln wieder intensiver diskutiert. Da in der 30. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung die Richtlinien über den Frontal- und Seitenaufprall in deutsches Recht übernommen sind, ist davon auszugehen, dass bei Änderungen am Fahrzeug, die die Einhaltung der Anforderungen dieser Richtlinien beeinträchtigen, die Betriebserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 StVZO erlischt. Bezüglich der Produkthaftung des Fahrzeugherstellers bzw. -importeurs haben sich auch durch den Entfall der Reifenfabrikatsbindung Veränderungen ergeben. Nach Wegfall des Eintrags bestimmter Reifenfabrikate in die deutschen Fahrzeugpapiere müssen von Seiten des Herstellers bzw. Importeurs andere Informationen für den Fahrzeughalter bereitgestellt werden. Zu nennen sind hier sogenannte “Positivbescheinigungen”, in denen der Hersteller/Importeur diejenigen Reifen aufführt, die er für den konkreten Fahrzeugtyp getestet und für tauglich befunden hat, Hinweise in den Bedienungsanleitungen oder entsprechende Aufkleber am Fahrzeug. Der Wegfall der Möglichkeit, eine Reifenfabrikatsbindung in amtliche Papiere einzutragen, betrifft auch die Sachverständigen und Prüfingenieure, die im Rahmen von Teilegutachten beispielsweise die Anbaumöglichkeit von Sonderrädern beschreiben. Dies wird bei neuen Gutachten ab Juli 2000 bereits in der Form berücksichtigt, dass bestimmte kritische Reifengrößen nicht mehr genannt werden. Für Gutachten, die vor dem Juli 2000 erstellt wurden und Fabrikatsbindungen enthalten, müssen vom jeweiligen Gutachteninhaber detaillierte technische Informationen dem Fachhandel zur Verfügung gestellt werden und für den Fall einer möglichen Nachrüstung an den Endkunden weitergeleitet werden. Die Erarbeitung dieser technischen Informationen liegt bei dem technischen Dienst, der das jeweilige Gutachten erstellt hat. Gleiches gilt für Fahrzeughersteller und Importeure, wenn die betreffenden Sonderräder über die Fabrikatshändler als offizielles Zubehör angeboten werden sollen und in den “Positivbescheinigungen” nicht genannt werden. Auch das Thema Chip-Tuning muss sowohl aus Sicht des Verkehrsrechtes wie auch aus dem Blickwinkel der Produkt- bzw. Produzentenhaftung beurteilt werden, da hier insbesondere mit einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern oder mit Veränderungen des Abgas- oder Geräuschverhaltens zu rechnen ist. Besonderes Augenmerk muss hier auf die mögliche Beeinflussung aktueller bzw. auch zukünftiger elektronischer Fahrerassistenzsysteme (ABS, EBS, elektronisch geregelte Fahrwerke, elektronische Brems- und Lenksysteme ….) gerichtet werden. Besonders hier ist die Beurteilung möglicher Auswirkungen von Chip-Tuning auf diese Systeme nur mit “Herstellerwissen” verlässlich möglich. Bei der Weiterentwicklung künftiger Vorschriften für elektronische Systeme im Fahrzeug sollte diese Thematik im Hinblick auf die Manipulationssicherheit berücksichtigt werden, damit auch die im Verkehr befindlichen Fahrzeugen im Rahmen der nationalen wiederkehrenden Prüfungen auf Funktionssicherheit dieser Systeme überprüft werden können. Position des DVR-Ausschusses “Fahrzeugtechnik” Kundenwünsche nach Veränderung des Fahrzeugs können unter Beachtung der oben genannten Rechtsgrundsätze soweit wie möglich berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass insbesondere die in europäischen Richtlinien definierten und ständig schärfer werdenden Sicherheits- und Umweltanforderungen, deren Einhaltung der Fahrzeughersteller im Rahmen der Typgenehmigung nachweist, auch nach Änderungen am Fahrzeug, die wie oben beschrieben nach nationalem Verkehrsrecht beurteilt werden, noch erfüllt werden. Bei der Beurteilung von Veränderungen am Fahrzeug werden sowohl für den Bereich der ABE für Nachrüstteile als auch für Teilegutachten die gleichen Maßstäbe angelegt, wie sie bei der Fahrzeugtypgenehmigung von den Genehmigungsbehörden angewendet werden, es sei denn, bestehende, parallele nationale Vorschriften lassen auch andere Lösungen zu. Insbesondere sind für die oben genannten Sachverhalte in Deutschland klare Aussagen erforderlich, ob und unter welchen Bedingungen bei Veränderungen am Fahrzeug die Betriebserlaubnis nach § 19 Abs. 2 StVZO erlischt. Dabei sollten unbedingt neben der verkehrsrechtlichen Bewertung auch die Belange des Produkthaftungsrechtes berücksichtigt werden. Zur Vermeidung zusätzlicher Gefährdungen der Verkehrsteilnehmer wird gefordert, dass alle Genehmigungen für Veränderungen am Fahrzeug (ABE, Teilegutachten sowie alle weiteren im § 19 Abs. 3 StVZO genannten Genehmigungsarten) nach den geltenden Sicherheits- und Umweltanforderungen angemessen streng gefasst bzw. mit entsprechend strengen Auflagen versehen werden. Zur besseren Wahrnehmung der Produktbeobachtungspflicht wünschen Hersteller/Importeure deshalb, den Zugang zu entsprechenden Informationen über Zubehör im Nachrüstbereich für die Hersteller und Importeure zu vereinfachen. In Deutschland werden die angesprochenen Gutachten von akkreditierten Technischen Diensten, die vom KBA beaufsichtigt werden, erstellt. Erteilte Genehmigungen werden vom KBA gesammelt. Beim KBA entsteht zur Zeit eine weitere Datenbank, die alle in erstellte Teilegutachten enthalten soll. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und aufgrund der Produktbeobachtungspflicht sollten bei berechtigtem Interesse bzw. bei konkretem Anlass in Deutschland zur Überprüfung auch Fahrzeughersteller und Importeure Zugang zu diesen Datensammlungen erhalten. Für von ausländischen Genehmigungsbehörden nach europäischem Recht erstellte Genehmigungen für Fahrzeugteile gibt es noch keine zentrale Datenbank. Die zur Zeit einzig verfügbare Unterlage ist die jedem Teil beizufügende Übereinstimmungsbescheinigung. mit Angabe der Kennzeichnung. Im Sinne der Verkehrssicherheit sollte hier Artikel 5 der Richtlinie 70/156/EWG (Betriebserlaubnisrichtlinie), der eine gegenseitige Information der europäischen Genehmigungsbehörden vorsieht, in der Praxis auch für Fahrzeugteile beachtet werden.

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